Geschrieben am 23. Februar 2011 von für Litmag, Vermischtes

Magazin „Du“ , Ausgabe Nr. 813

Große Gefühle

– Das Schweizer Edelmagazin Du widmet sich der Weltverbesserung. Von Carl Wilhelm Macke.

Eine Zeitschrift wie das Schweizer Kulturmagazin Du bedarf keiner besonderen Werbung. Seit Jahrzehnten erwartet die Leser hier Print- und Fotojournalismus auf allerhöchstem Niveau. Unterbrochen wird der journalistische Teil der Zeitschrift nur hin und wieder durch großflächige Werbeseiten Schweizer Luxusuhren und weltweit bekannter (und berüchtigter) Schweizer Banken. Letzteres ist besonders pikant in dem Heft von Januar/Februar 2011, das sich dem Themenschwerpunkt „Humanitäre Organisationen“ widmet. Helfen doch viele der weltweit arbeitenden Non Government Organisations gerade in Ländern, die von Diktatoren ausgeplündert werden, die ihre Dollar-Millionen in den Schweizer Banken bunkern, die wiederum in einer Zeitschrift werben, die diese Praktiken anprangert. Aber mit diesem oft schreienden Widerspruch zwischen ihren großen Idealen und der Realität der Welt, so wie sie nun mal – leider – ist, sind humanitäre Hilfsorganisationen fast immer konfrontiert.

Es ehrt die Redaktion von Du, dass sie sich diesem Widerspruch offen stellt. In dem Magazin werden unglaublich starke, dramatische Fotostrecken zum Beispiel aus einem westafrikanischen Gefängnis und Haiti präsentiert. Oder man lernt in einem langen und klugen Gespräch die Gedanken von Jakob Kellenberger, des Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, über die oft schlimmen Folgen der Globalisierung kennen. „Etwas pathetisch könnte man sagen, daß eine Begegnung mit Kellenberger aus jemandem einen zivilisierteren Menschen machen kann – zumindest für die Dauer des Gesprächs“ (so die Interviewpartner Eugen Sorg und Stefan Kaiser). Unbedingt lesenswert für alle, die noch von der Unschuld humanitärer Hilfseinsätze überzeugt sind, ist die Bestandsaufnahme von David Signer und Michael Böhm „NOGs – im Namen des Guten“. Manche Hilfsorganisationen, so lesen wir da mit brutaler Offenheit, seien mehr oder weniger „Abzockmaschinen“ für das schlechte Gewissen in den reichen Ländern. „Man füttert die Massenmörder mit durch.“ Ein hartes Urteil, aber nicht ganz unberechtigt, wenn man dann die Reportage über die Hilfsmaßnahmen auf Haiti liest.

Die Lektüre und schon das bloße Durchblättern dieser Ausgabe der Du provoziert tatsächlich „große Gefühle“. Man wird aufgewühlt in der Konfrontation mit dem Elend in der Welt, muss mit kalter Nüchternheit auch die Fragwürdigkeit mancher Hilfsangebote für die Ärmsten der Armen zur Kenntnis nehmen, erregt sich maßlos über die eingestreute Protzwerbung („Sinnlichkeit und Sinn“, deshalb Mercedes Benz) und möchte sofort selbst aktiv werden, um die Welt wenigstens etwas zu verbessern – oder sein schlechtes Gewissen zu entlasten. Welche Konsequenz man auch aus der Lektüre dieser Ausgabe der Zeitschrift Du zieht – man bleibt in moralischen Widersprüchen gefangen.

Carl Wilhelm Macke

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