Geschrieben am 8. März 2010 von für Litmag, Lyrik

SAID: Ruf zurück die Vögel

Wort, eine lausige Zufallshure

In welche Schublade soll man die Gedichte von SAID stecken? Tief geprägt ist er sicherlich von der Lyrik-Tradition seines Herkunftslands, in der die Poesie bis heute eine Popularität genießt, die bei uns überhaupt nicht mehr vorstellbar ist. Von Carl Wilhelm Macke

Der nun schon seit fast einem halben Jahrhundert in Deutschland lebende SAID ist aber ebenso stark beeinflusst von Hölderlin und Heine. Immer wieder bezieht sich der zunächst vom Schah-Regime, später dann von den Mullahs aus dem Iran vertriebene Schriftsteller auch auf die antinazistische Exil-Literatur. SAID hat sich, man muss daran erinnern, für einige Jahre sehr für die Ideen des P.E.N, besonders für dessen „Writers-in-Exile-Programm“, engagiert. Ein großes Echo haben seine sprachgewaltigen, mal wütend schreienden, mal verzweifelnden, mal unglaublich zärtlichen Psalmen gefunden, mit denen ein erklärter „Nicht-Christ“ Ur-Texte des christlichen Glaubens in die heutige Sprache übersetzt hat.

Spürbar ist auch immer wieder sein Bezug auf Ideen der politisch unruhigen 60er-Jahre in Deutschland, dennoch haftet seinen Gedichten nicht die geringste Spur von billigem Agitprop oder Weltschmerz an, die Gedichte aus dem Umfeld von „68“ oft so unerträglich machen. Am besten, man unterlässt jeden Versuch, seine Gedichte irgendwie zu etikettieren, und liest sie ganz einfach. Inzwischen liegen ja schon einige Bände vor, die uns Freunde der modernen Lyrik dieses „Work in progress“ neugierig begleiten lassen.

Jetzt also Ruf zurück die Vögel, in dem SAID vor allem – aber nicht ausschließlich – eine Reihe von Widmungsgedichten aus den letzten Jahren zusammengefasst hat. Das Titelgedicht des Bandes ist zum Beispiel dem türkischen Sänger Fuat Saka gewidmet. An die konsequente Kleinschreibung aller Texte von SAID muss man sich vielleicht erst einmal gewöhnen. Aber auch sie hat ihren Reiz: „ruf zurück die vögel/ sie werden nicht mehr berichten/ vom lehm und unseren gewesenen stunden/ das meer ist eingepackt/ und die sonne ausgezählt/ beides kann man kaufen/ hier/ wo man alles kaufen kann/ bis auf den staub unserer gassen//.“

Hier, wo SAID und Fuat Saka leben, ist alles, alles zu einer kaufbaren Ware geworden. Aber in dieser so durch und durch kommerzialisierten Welt gibt es noch etwas, was dem Geld, dem Investment, der Berechnung widersteht. Etwas scheinbar vollkommen Belangloses, Lächerliches, Banales: den „Staub unserer Gassen“.

Und in dieser börsennotierten, monotonen, gleichförmigen, von Schreihälsen des Augenblicks bewohnten Welt gibt es auch noch die Sprache der Gedichte. Von dieser Hoffnung auf Besserung durch Sprache, durch die Poesie lässt sich SAID bei aller Verzweiflung, die auch immer wieder in seinen Texten durchscheint, nicht abbringen. „das gedicht/ ein bedürfnis nach einem ort/ stumme landschaft der zeit/ ein nötiger zwischenraum/ ohne abwort gottes//.“

Eine Reihe der hier veröffentlichten Gedichte hat SAID Personen gewidmet, die für viele Leser wahrscheinlich unbekannt sind. „die reise begann/ wir ließen alles liegen/ die narben/ und das gedächtnis/ doch der tod ist ein zuverlässiger botschafter/ und das exil erst/ macht uns reif zum sterben“ (für fariborz riahy). Vielleicht hätte man sich bei einigen von diesen kurze erläuternde Anmerkungen gewünscht. Aber ist das Wissen um die konkreten Personen letztlich wichtig, denen ein Autor seine Gedichte widmet?

Gute Gedichte lassen immer Fragen offen, bergen immer Geheimnisse, sind nicht bei der ersten, oft oberflächlichen Lektüre „eingängig“. „Keiner schriebe Verse“, hat Montale einmal gesagt, „wenn das Problem der Dichtung darin bestände, sich verständlich zu machen.“

Carl Wilhelm Macke

SAID: Ruf zurück die Vögel. Neue Gedichte.
C.H. Beck Verlag 2010. 109 Seiten. 16,95 Euro.

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