Geschrieben am 6. Mai 2018 von für Musikmag

BluesMag: Drei Tage am Mississippi

Foto 1) Juke Joint Festival 2018

15. Juke Joint Festival in Clarksdale, Mississippi

Das Wochenende vom 14. April 2018. Ein Bericht von Rolf Barkowski.

Er hat schon öfter für uns exklusiv mit mit vielen Fotos vom Mississippi berichtet, auch dieses Jahr war er wieder vor Ort – Rolf Barkowski.

Bei meinen Besuchen in Clarksdale, Mississippi, in den letzten Jahren im Herbst (zum King Biscuit bzw. Mighty Mississippi Festival in Greenville) lagen sie jedes Jahr in Roger Stolle`s Cat Head Laden. Die kleinen Magnetschilder mit dem Datum für das folgende Juke Joint Festival im nächsten Jahr. Ein Festival immer im April, samstags (und an den Tagen vorher und nachher) im gesamten Innenstadtbereich von Clarksdale. Blues ohne Ende. Seit 14 Jahren. 2018 ist es bereits das 15. Festival. Und alle, die da waren, hatten mir immer nur Gutes zu berichten. In diesem Frühjahr ist es dann soweit. Mein erster Besuch beim Juke Joint Festival. Hier die Eindrücke: 

Wohin zuerst? Die Qual der Wahl. Welche Bühne, welcher Musiker? Diese Frage beschäftigt den Besucher jedes Festivals mit verschiedenen Bühnen. Doch beim Juke Joint Festival in Clarksdale ist es besonders schwer, ist das eine schier unmögliche Aufgabe. Unglaubliche 15 Bühnen für das Tagesprogramm und 19 Bühnen in Clubs und Restaurants für die Auftritte der Musiker am Abend. Verteilt über downtown Clarksdale, alles zu Fuß zu erreichen. Und für Bühnen außerhalb (auf der Hopson Commissarry) ist da noch der Bus-Shuttle, der die Besucher von den Hotels etwas außerhalb abholt und von Bühne zu Bühne bringt. Absolut beeindruckend, was das Festival Board of Directors unter der Regie von Roger Stole (Cat Head) hier den Bluesfreunden Mitte April an diesen drei Tagen (Donnerstag bis Samstag) bietet.

Foto 2) Sean `Bad` Apple

Sean „Bad“ Apple – Alle Fotos (c) Rolf Barkowski

Doch der Reihe nach: Es ist an Sean „Bad“ Apple, den Kick Off Event am Donnerstag im New Roxy zu übernehmen.  Seans solider Auftritt gibt den schon angereisten Gästen (die meisten treffen erst am Freitag bzw. Samstag ein) einen ersten Vorgeschmack auf die gute Laune, die uns die nächsten Tage erwartet. Roots Magic Blues aus Italien ist anschließend aber so gar nicht mein Fall (sehr laut und wenig Blues). Also auf zu Red’s Lounge, wo RL Boyce mit Carlos Elliot Jr. und The Cornlickers ab 20 Uhr bis weit nach Mitternacht den überfüllten Club zum Toben bringen. Allein der Auftritt von Carlos Elliot Jr. aus Kolumbien (den Namen lohnt es zu merken) und The Cornlickers lohnt. Sie spielen den Blues mit soviel Druck, dass es kaum einen der Gäste auf dem Sitzplatz hält. RL Boyce ist bester Laune. Es klingt allerdings so, als spiele er die halbe Nacht nur einen Song. Wie auch immer. Eine dieser Juke Joint Nächte – jeder spielt mal mit: die unbekannte Frau mit Geige (nicht so toll), der Gast mit der Mundharmonika (sehr gut). Und wer ein Tambourine hat, ist sowieso früher oder später dabei. Und nach 23 Uhr zeigt She Wolfe, wie gut ihre Stimme heute Nacht zu Boyce und Elliott Jr. passt. 

Foto 3) RL Boyce, Carlos Elliot Jr., She Wolfe

RL Boyce, Carlos Elliot Jr., She Wolfe (vorn, von rechts) und The Cornlickers

Geht es Freitagmorgen dann noch gemütlich los – Frühstück im Bluesberry Cafe mit live Musik von Robert Kimbrough, Sr. – wird es danach langsam eng. 

Foto 4) Robert Burnside

Robert Burnside (Mitte)

Wohin? Auf monkeys riding dogs (keine Band, sondern wirklich Affen, die auf Hunden reiten) kann ich gut verzichten. Call And Response, ein Interview mit Cadillac John Nolden im Delta Blues Museum ist sehr viel interessanter. 81 ist Cadillac am Tag zuvor geworden und was er aus seinem Leben erzählt, ist mehr als beeindruckend. Cadillac John Nolden – einer der letzten aus der Generation Musiker, die noch Tag für Tag auf den Baumwollfeldern gearbeitet haben. Eine Generation, die gerade stirbt und deren Lebensgeschichten und Musik unbedingt gehört und dokumentiert werden sollten.

Weiter geht es mit Bill Abel im Ground Zero gefolgt von Ghalia & Mama’s Boys auf der Bühne = Bürgersteig vor dem Rock & Blues Museum. Ghalia aus Belgien. Ihre Stimme in Kombination mit Johnny Mastro & Mama’s Boys, den Lokalmatadoren aus New Orleans, das gibt eine richtig raue und dreckige Mischung. Hörenswert – und gerade von Ruf Records mit einer ersten CD belohnt.

Foto 5) Bill Abel

Bill Abel

Foto 6) Ghalia & Mama`s Boys

Ghalia & Mama’s Boys

Zurück im New Roxy: Thacker Mountain Radio sendet live. Für die Radio Show heute stehen Big George Brock und Super Chikan auf der Bühne. Roger Stolle erzählt, wie er in Clarksdale gelandet ist und seinen Cat Head Laden eröffnet hat. Und er erntet den verdienten Beifall aller für sein Engagement und dieses fantastische Festival. 

Foto 7) Roger Stolle

Roger Stolle (rechts)

Kurz vor Mitternacht: der angekündigte Starkregen, begleitet von Blitz,Donner und heftigem Sturm, ergießt sich bis weit in den Morgen. Auf dem Handy morgens die Hochwasserwarnung für die Region. Und das am Samstag – dem wichtigsten Tag, dem absoluten Höhepunkt des Festivals. 

Doch fast pünktlich gegen 9 Uhr hört es auf zu regnen und es bleibt den ganzen Tag trocken. 

Fünfzehn Außenbühnen wollen abgelaufen und eine Reihenfolge muss her. Aber welche?

Little Joe Ayers, Carlos Elliott Jr. & The Cornlickers, Henry „Gip“ Gipson, Cadillac John begleitet von The Cornlickers, She Wolfe, Andre Otha Turner Fife & Drum Band, Brotha Ric Patton, Terry „Big T“ Williams (akustisch) – sind dann die Stationen. 

Foto 9) Little Joe Ayers

Little Joe Ayers

Foto 10) Carlos Elliot JR.

Carlos Elliot Jr.

Foto 11)

Henry „Gip“ Gibson

Foto 12) She Wolfe

She Wolfe

Foto 13) Otha Turner Five & Drum Band

Otha Turner Five & Drum Band

Besonders erwähnenswert: der hervorragende Auftritt von Cadillac John. 50 Minuten Cadillac in Bestform inklusive eines Geburtstagsständchens vorgetragen von Anthony „Big A“ Sherrod. 

Foto 14) Big `T Williams, Rip Lee Pryor

„Big T“ Williams und Rip Lee Pryor

Oder: beim akustischen Auftritt von Terry „Big T“ Williams steht plötzlich Rip Lee Pryor neben ihm und begleitet mit der Mundharmonika. Momente, die es nur bei solchen Festivals gibt. 

Foto 15)

Cadillac John Noldennund Anthony Big „A“ Sharrod

Stromausfall und Saft von der Autobatterie

Wehrmutstropfen Nr.1: Little Willie Farmer hat es wohl aufgrund des Unwetters in der Nacht nicht nach Clarksdale geschafft.

Wehrmutstropfen Nr.2: gegen 15 Uhr wird es plötzlich ganz still auf den Bühnen. Stromausfall! Für geschlagene drei Stunden in der ganzen Stadt. Die Musiker geben ihr Bestes. Das Festival wird zum akustischen Set. Kenny Brown holt sich Saft für das Mikro von einer Autobatterie. Leider klappt das nicht auf allen Bühnen, bei allen Beteiligten. Schade für alle. Doch pünktlich bevor die Abendkonzerte beginnen, ist gegen 18Uhr der Strom wieder da.Und es geht weiter:

Kenny Brown im Club 2000, Kingfish im Bank Building, Eden Brent bei Meraki Coffee Roasters, Hezekiah Early & Robert „Lil Poochie“ Watson in Grandma’s Blues Club, Lightnin‘ Malcolm im Shack Up Inn und zu guter Letzt ab 23 Uhr Party mit Super Chikan & The Fighting Cocks

Foto 16) Kingfish

Kingfish

Foto 17) Hezekiah Early & Robert `Lil Poochie` Watson

Hezekiah Early & Robert „Lil Poochie“ Watson

Foto 18) Lightnin` Malcolm

Lightnin‘ Malcolm

Super Chikan – eigentlich ein exzellenter Blueser – gibt hier den Entertainer. Viel Show und Party-Blues bis in den Morgen. Gehört auch dazu. 

Foto 19) Superchikan

Super Chikan

Zwei bzw. fast drei Tage voller Blues vom Feinsten gehen zu Ende. Maximal ein Drittel der angebotenen Acts gesehen. Resümee: da hilft nur Wiederkommen. Das Datum steht schon fest: Juke Joint Festival 2019 – das Wochenende Samstag 19. April 2019.

Foto 20) Magnetschilder Termin Juke Joint 2019

Nachtrag: 

…wer noch nicht genug hat, bleibt einfach bis Sonntag. 
Da gibt es bei Roger Stolle vor seinem Cat Head Laden das Cat Head Mini Blues Festival! Line Up: Sean „Bad“ Apple, Lil Poochie & Hezekiah Early, Big George Brock, Rev Peyton’s Big Damn Band, Super Chikan (akustisch), Lightnin‘ Malcolm, Lucious Spiller Band.
Noch Fragen??

Rolf Barkowski

Gerne weitere Infos beim Autor. E-Mail: rolfbarko (at) onlinehome.de

Seine mit eigenen Fotos üppig illustrierten CulturMag-Artikel und Reportagen von den Blues-Festivals am Mississippi hier.
Sein Nachruf auf die Blues-Musiker, die uns 2017 verließen: „Even the Devils Gets the Blues.“

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