Geschrieben am 18. Dezember 2008 von für Musikmag

Marianne Faithfull: Easy Come, Easy Go

Stahl in der Stimme

Alles Cover-Versionen – im Jazz würde man sagen: Standards. Und an Standards erweist sich das Können und die Kunst von Musikern, die ihren Authentizitätsnachweis schon längst bei den Buchhaltern der Kritik hinterlegt haben. Von Thomas Wörtche

Mal wieder ein gutes Schein-Argument, warum man zum Vinyl zurückkehren sollte – aber nur, weil das Label Kuddelmuddel angerichtet hat: Auf der LP-Version von Marianne Faithfulls neuer Produktion „Easy Come, Easy Go“ sind 18 mit Bedacht und Sorgfalt gecoverte Songs mit Bedacht und Sorgfalt in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht. Auf der CD-Version einmal 10 Titel (mit der verschämten Unterzeile „10 Songs for Music Lovers“), die im Booklet verhandelt werden, und 8 Titeln, die dieses schöne Privileg nicht geniessen. Vergewürfelt das Ganze sowieso. Dafür gibt´s ein nettes Interview mit der Sängerin als DVD, naja, fein …

Aber lassen wir mal so´n tertiäres Getöse weg, dann bleibt jede Menge allerfeinster Musik. Musik eben, komponiert, arrangiert, gespielt und interpretiert. Alles Cover-Versionen – im Jazz würde man sagen: Standards. Und an Standards erweist sich das Können und die Kunst von Musikern, die ihren Authentizitätsnachweis schon längst bei den Buchhaltern der Kritik hinterlegt haben. Brauchen wir noch eine Version von Randy Newmans „In Germany Before The War“? Ja, wenn sie sogar noch unbehaglicher ist als das Original, und Marianne Faithfull bekommt das mit ein wenig Stahl in der Stimme problemlos hin. Very weird…

Brauchen wir eine Cover-Version von „Hold o­n, Hold o­n“, auch wenn Cat Power im Refrain mitsingt? (Was by the way völlig unerheblich ist, wie so viele Gäste auf dieser Produktion – aber die sind nun mal nett fürs Klima und das Marketing und auch sonst…) Aber ja, weil niemand Sätze wie „The most tender place in my heart is for strangers….“ oder „I leave the party at 3 am, alone thank God…“ so grandios stimmig singen kann – in eigenen oder eben fremden Liedern.

Und Duke Ellington wäre entzückt gewesen über das, was Faithfulls Stimme, eine äußerst minimalistische Gitarre von Marc Ribot und fünf Klarinetten an musikalischer Stimmung und Atmosphäre aus seinem „Solitude“ herausholen können.
Wie gesagt: 18 Songs for Music Lovers – Marianne Faithfulls Raspelstimme und ihre widerborstige, wunderbare Sprödigkeit sind längst beyond jeder Tristesse-Gefühligkeit, und ganz einfach große Klasse.

Thomas Wörtche

Marianne Faithfull: Easy Come, Easy Go. 18 Songs for Music Lovers.
2 CD plus DVD (Interview).
Auch als Vinyl, Doppel-LP. Naïve (Vertrieb: Indigo).
Reinhören bei Amazon
Homepage von Marianne Faithfull