Geschrieben am 17. Dezember 2009 von für Musikmag

Rabih Abou-Khalil: Selection

Einstiegsdroge

Die Kombination arabischer Musik mit so ziemlich allen Idiomen westlicher Musik zwischen Jazz, Soul und Blues, die Khalils Markenzeichen neben seiner unglaublichen Beherrschung des Oud (eine Art Laute) ist, bringt eine extrem organisch klingendes Amalgam hervor, bei dem allerdings die einzelnen Elemente deutlich hörbar und sozusagen „unbeschädigt“ bleiben. Von Thomas Wörtche

Sechzehn Alben hat Rabih Abou-Khalil mittlerweile seit 1991 für Matthias Winkelmanns Enja-Label eingespielt, und das bedeutet wahrlich genug Material, um daraus eine „Selection“ zu ziehen; kein üblicher „Best-of“-Sampler, sondern in der Tat ein Querschnitt durch die verschiedenen künstlerischen Möglichkeiten, die der in München lebende Oud-Virtuose aus dem Libanon draufhat.

Die Kombination arabischer Musik mit so ziemlich allen Idiomen westlicher Musik zwischen Jazz, Soul und Blues, die Khalils Markenzeichen neben seiner unglaublichen Beherrschung des Oud (eine Art Laute) ist, bringt eine extrem organisch klingendes Amalgam hervor, bei dem allerdings die einzelnen Elemente deutlich hörbar und sozusagen „unbeschädigt“ bleiben. Außerdem ist Abou-Khalils Musik an manchen Stellen sehr komisch – auf dieser CD vertreten durch den „Lewinsky March“ (von der CD mit dem auch nicht unwitzigen Titel: „The Cactus of Knowledge“), der sich anhört wie eine orientalische Variante des Art Ensemble of Chicago, oder bei dem skurrilen „Lobotomie Mi Baba Lu“, (von „Morton´s Foot“) bei dem der sardische Weggefährte Gavino Murgia den arg knorzigen Vokalpart übernimmt.

Wunderwelt aus Orient und Okzident

Natürlich sind die Kracher von Abou-Khalils Karriere hier vereinigt – das großartige „The Happy Sheik“ , das berühmte „Blue Camel“ (mit grandiosen Soli von Charlie Mariano und Kenny Wheeler) oder eine frühe Version von „Caravan“ (na klar, Ellington und Tizol kommen, latin tinge hin oder her, immer da vor, wo „Orient“, „Wüste“ und „Kamel“ gebraucht werden – wie genial die Komposition wirklich ist, zeigt sich daran, wie robust sie alle möglichen und unmöglichen Transformationen mitmacht).

Ein besonders gelungenes Teilchen ist „Shrewd Woman“ – eine Trio-Aufname mit Joachim Kühn am Klavier und Jarrod Cagwin an den Drums – ein Stück, das man zurecht „Kleinod“ nennen darf.
Klar, Fans von Rabih Abou-Khalil brauchen diese CD nicht, weil sie alle Originale besitzen werden. Aber als Einstieg in die musikalischen Wunderwelt aus Orient und Okzident und für Freunde kunstfertigen Lautenspiels ist diese midprize-Scheibe ideal. Eine Einstiegsdroge, sozusagen.

Thomas Wörtche

Rabih Abou-Khalil: Selection. Enja.