Crime und Musik – zwei Abende
Die Freunde laden ein. Ein langes Wochenende in Hamburg.
Crime und Musik stehen auf dem Programm.
Los geht es am Freitagabend beim Krimifestival auf Kampnagel.
Jazz & Crime:
Frank Göhre, Hannes Hellmann und Alf Mayer lesen aus Cops in the City und führen uns direkt in Ed McBains 87. Polizeirevier. Auch wenn Hannes Hellmann nicht singt – seine Stimme passt einfach perfekt zu den Ed McBain-Texten. Und wie das Buggy-Braune-Trio das Gelesene in Musik verwandelt – besser geht es wirklich nicht. Diese drei Lesestimmen und das Trio erzeugen einen Groove, der die Zuschauer kaum auf den Sitzen hält. Das 87. Revier tanzt. Klasse!
Zur Musik: Zweimal Blues.
Und zwei doch sehr verschiedene Abende. Ein Blues-Sonntag und ein Montag.
Hoch im Norden….
gibt es nicht nur ganz viele Fische, Möwengeschrei und Meeresrauschen (Udo Lindenberg).
Es gibt auch den Blues. An Orten, an denen man nicht unbedingt damit rechnet. Zum Beispiel in einer Fabrikationsstätte, die man sonst gewiss nicht eines Konzert wegens aufsuchen würde. Aber es funktioniert. Ist großartig. Der Veranstalter hat uns händeringend gebeten, den Ort nicht an die übergroße Glocke zu hängen. Er hat sein Publikum, die Konzerte sind rappelvoll – und ich als Mitgenommener kann mich glücklich schätzen, ein Hamburger Blues-Urgestein in Kombination mit einem Mundharmonikaspieler vom Feinsten zu erleben: Abi Wallenstein & Dieter Kropp. Mit ‚Good Night Irene‘, im Chor mit den Zuhörern gesungen, werden wir in die Nacht geschickt… Ein wunderbarer Abend.
Am nächsten Abend dann: Tony Joe White im Downtown Bluesclub in Hamburg.
Der König des Swamp Rock/Blues 2016 nur für zwei Konzerte in Deutschland. Legende! Ausverkauft!
Freund Frank Göhre hat schon vor langer Zeit Karten besorgt. Super – wir sind dabei. Was liegt näher, als über das Konzert für das Culturmag bzw. Musikmag zu berichten? Hat doch Frank schon in seiner Kolumne „Gelesen, Gehört, Gesehen“ (9) über Tony Joe White berichtet: „Undercover Agent for the Blues“. Der Mann, der James Lee Burkes Romane in Musik verwandelt.
Am Eingang Probleme mit der Security wegen der mitgeführten Kamera. Keine Fotos, streng verboten. Die Kamera darf nur mit dem Versprechen, keine Fotos zu machen, mit rein.
Wir suchen den Chef, wollen um Fotoerlaubnis bitten. Der Chef, endlich gefunden, ist im Streß.
Hat gar keine Zeit für uns. Geduld ist angesagt. Endlich: „Wir sind von der Presse, haben uns nicht akkreditiert, sorry. Sind Fotos möglich?“
Presse?! Wie seid ihr denn reingekommen? Das gibt jetzt Ärger für die Leute am Eingang. Ich habe strenge Vorgaben vom Management: Keinerlei Presse! Keine Ausnahme! – Wir machen klar, dass wir ganz regulär Eintritt bezahlt haben. O.k., Fotos sind jetzt erlaubt.
Zurück zur Security. „ Wir dürfen Fotos machen“. Mit welchen Chef wir denn gesprochen haben. Es gibt angeblich zwei. Und Fotos nur während der ersten drei Stücke! Sonst droht der Rausschmiß. Was der Security-Mensch auch hinterher eifrig kontrolliert. Da kommt doch richtig Freude auf. Das alles vor dem Hintergrund, dass nun ja fast jeder Besucher ein Smartphone in der Tasche hat und es beim Konzert auch benutzt. Minutenlange Mitschnitte, Schnappschüsse ohne Ende.
Eigentlich wäre doch konsequent: Ein schwarzes Foto – als Text nur diese Vorgeschichte…..
Nein – jetzt erst recht. Aber wir machen es kurz (genauso wie Tony Joe White – nach knapp 1,5 Stunden ( & Zugabe) ist das Konzert leider vorbei).
Tony Joe White, vocals, guitar, harmonica – den großen Hut tief im Gesicht, dunkle Brille, nimmt die Zuhörer in Minutenschnelle mit nach Louisiana. Ab in die Sümpfe, an den Mississippi.
Der ‚Undercover Agent for the Blues‘ spielt heute Abend eher den Swamp Blues als Rock. Die Stimme im Alter immer schwärzer und tiefer. ‚Rainy Night in Georgia‘ oder ‚Polk Salad Annie‘, bei fast allen Stücken das Tempo rausgenommen. ‚Tunica Motel‚, in hypnotischen Dosen schleicht die Musik sich in die Ohren. Auch wenn White die Gitarre immer wieder kreischen läßt – die Alligatoren kriechen unter die Bettdecke.
Bei den Ansagen verstehe ich kein Wort. Hat der Mann einen zuviel getrunken oder nuschelt er wirklich so? (Fest steht: Hier kann der andere Mann mit Hut und Brille aus Hamburg noch was lernen…). Der Musik tut das allerdings keinen Abbruch.
‚You’re Gonna Look Good in Blues‚, Mister White.
Dazu Bryan Owings am Schlagzeug. Owings begleitet White schon über Jahre. Ich finde sein Schlagzeugspiel allerdings zum Teil stinklangweilig und extrem monoton. Darf der Mann nicht mehr oder kann er nicht mehr? Vielleicht entgeht mir bei ihm aber auch die Trance und Magie, die ich bei White spüre.
Die Zeit in Louisiana vergeht leider viel zu schnell. Die Zugabe endet mit ‚Steamy Windows‘.
Wir sind zurück in Hamburg. Beim Heimweg durch den dunklen Stadtpark: viel unheimliche Geräusche, aber keine Alligatoren zu sehen…
Mit ausdrücklichen Dank an das Tony Joe White Managemant für: Keinerlei Presse erwünscht.
Mit ausdrücklichem Dank an Dowtown Bluesclub für: Nur Fotos bei den ersten drei Stücken.
Eine Lesung von James Lee Burke – musikalische Begleitung Tony Joe White…
Wünsche in der Vorweihnachtszeit sind erlaubt, oder?
Rolf Barkowski
(Alle Fotos: (c) Rolf Barkowski, 2016)