Alles ist noch da – nur ein wenig poppiger
– Dass ich das neue Album von Rufus Wainwright besprechen darf, sein siebtes Studioalbum, hat damit zu tun, dass ich seine Musik seit Jahren rauf- und runterhöre. Und mit jedem neuen Album muss man sich bei ihm erst einmal ein Stück weit umgewöhnen, macht er doch gerne immer wieder was ganz was anderes als vorher. Von Henrike Heiland
2007 erst opulent und überorchestriert „Release The Stars“, drei Jahre später nur ein Mann und sein Piano mit „All Days Are Nights: Songs For Lulu“, jetzt der erklärte Wille, eine breitere Masse anzusprechen und die Charts zu entern mit „Out Of The Game“. Dabei geholfen hat ihm Mark Ronson, der insgesamt wohl dafür gesorgt hat, dass bei aller Experimentierfreude Wainwrights nicht zu dick aufgetragen wird und ein Sound gefunden wird, der zwar immer noch ‚Rufus‘ sagt, aber doch, nennen wir es mal, gefälliger ist. Gefälliger? Geht das gut? Ganz ehrlich, ich hatte Angst vor diesem Album nach dieser Ansage.
Gewöhnungsbedürftig gleich zu Anfang, und programmatisch könnte man sagen für den Rest, die 70er-Jahre-Popklänge, die einem bei „Out Of The Game“ entgegenwehen, im Folgenden noch ein wenig Soul und R’n’B, die Instrumentierung entsprechend. Hat man sich da erst einmal reingewöhnt, knallt eine Mitsingmelodie nach der nächsten. Jeder Song mitwipp- und mitschnippbar, dank Ronson, klar. Und wer jetzt denkt, verdammt, wo ist er hin, unser Rufus, mit seinen Tempiwechseln, seinen komplexen Kompositionen? Keine Sorge, alles ist noch da, die oft exaltierten Backing Vocals und der Einsatz klassischer Instrumente, nur nicht ganz so verspielt wie auf einigen Vorgängeralben. Ich vermute, man könnte ihn auch nicht dahingehend verpoppen, dass alle Schnörkel und Rüschen weg wären, schließlich schreibt er seine Songs nach wie vor selbst, und dass er einer der Besten und Vielseitigsten ist, zeigt sich weiterhin.
Auch, dass er nach wie vor um sich selbst kreist, wie die Texte zeigen. Keine großen Themen, nicht mal aus der schwulenpolitische Ecke, aber auch keine sinnfreien Allgemeinplätze, eben der Künstler in all seinen Lebenslagen und Befindlichkeiten. Und was ihm sehr am Herzen liegt, zeigt sich denn auch musikalisch und textlich in der Umsetzung als wohl am gelungensten: „Candles“, ein fast achtminütiges Stück, das den Abschluss des Albums macht, verabschiedet seine verstorbene Mutter mit funeral drums und Dudelsack. „Montauk“ ist seiner im letzten Jahr geborenen Tochter gewidmet, schlicht aber effektvoll instrumentiert führt es von ironischer Leichtigkeit zu nachdenklicher Sinn-des-Lebens-Lyrik. „Perfect Man“, funky im Anfang und der Anlage, letztlich gesanglich das schönste und vielseitigste Stück, beschreibt die lebenslange Suche nach, ja, der Titel sagt es.
Die Bandbreite reicht von leichten, partytauglichen Songs („Out Of the Game“) über melancholische, stillere Stücke („Sometimes You Need“) bis zu großen revueartigen Nummern („Welcome To The Ball“). Er ist also definitiv noch da, unser Rufus, wie auf dem Cover: eitel, selbstverliebt, selbstironisch, barock, schwul und – neuerdings – ein bisschen poppiger. Und es ist letztlich, nach allem, was sich anfänglich in mir gegen „Out Of The Game“ sträubte, ein match made in heaven, dass Ronson und Wainwright hier zusammengearbeitet haben, dass Ronson Wainwright zu viel Kitsch, zu viel Opulenz austrieb, dass Wainwright Ronson abholte und mitnahm auf seine riesige, endlose Spielwiese der Kompositionsmöglichkeiten, die er wie kaum ein anderer beherrscht. Zwei der Besten in der Musikszene gegenwärtig, beide haben ihre Handschrift deutlich hinterlassen, und wenn diese beiden zusammenarbeiten, kann man sich letztlich darauf verlassen, dass genau das herauskommt, was sie vorhatten. Gute Sache, das.
Henrike Heiland
Rufus Wainwright: Out Of the Game. Decca (Universal). Zur Homepage.