Zeit des Umbruchs
Sie sind die Urväter des Avantgarderocks, und auch mit ihrem mittlerweile gefühlt 48. Album machen The Residents natürlich nicht business as usual. Inspiriert von mehreren Reportagen über Zugunglücke um die Jahrhundertwende haben sich The Residents auf „The Ghost Of Hope“ dem übergreifenden Thema in Form eines Konzeptalbums zugewandt. Jede Generation hat die technischen Moloche, von denen sie sich gleichzeitig angezogen wie bedroht fühlt, und für die Amerikaner um 1900 herum war das die Eisenbahn. Nicht zu unrecht zeigen auch die ersten Filmdokumente überhaupt Züge in Bewegung.
The Residents nun verbeugen sich vor dieser Zeit des Umbruchs. Sie tun dies mit rekonstruierten Tondokumenten, gruseligen Stimmen und einer musikalischen Mischung aus Vaudeville, musique concrète und Artrock. Eine Mutter erzählt beispielsweise, wie sie ein Zugunglück im Traum immer wieder durchlebt, wie sie nach ihrem Sohn ruft und die beiden dem Unglück entrinnen. Eine andere Geschichte wiederum wird von einem Clown erzählt, oder man wird Zeuge des katastrophalen Endes eines Picknicks. Die Songs heißen wie das, was sie erzählen – „Horrors Of The Night“, „Shroud Of Flames“, „Death Harvest“ oder „Train Vs Elephant“ (Spoiler: der Zug gewinnt). Insgesamt sind diese Stücke aber musikalisch zu schwach auf der Brust. Sie kommen nicht auf den Punkt, zu beliebig wechseln sich hier die Genres ab, ohne einen roten Faden zu entwickeln. Es entwickelt sich, huch, eine gewisse Langeweile, denn The Residents verlieren sich ein wenig zu sehr in der Rekonstruktion von Feldaufnahmen. Das ist beileibe kein schlechtes Al um – hey, es sind The Residents! -, aber „The Ghost Of Hope“ wirkt ein bisschen so vor wie der Horrorfilm, bei dem man das Ende schon kennt und bei dem man schon immer den blöden Clown besonders nervig fand.
The Residents: The Ghost Of Hope. Cherry Red Records.
Tina Manske