Unsinnlich vergeigt
– Wynton Marsalis und Willie Nelson vertonen mit Hilfe von Norah Jones Stücke von Ray Charles – da sollte doch was Sympathisches bei rauskommen, dachte sich Thomas Wörtche. Denkste…
Zuerst mal: Ich mag Willie Nelson und Norah Jones, ich verehre Ray Charles und kann mit dem Trompeter Wynton Marsalis gut leben. Also könnte bei einer Produktion der drei Lebenden, die den Toten ehren, durchaus etwas rauskommen, was man zumindest sympathisch finden könnte. Allerdings war schon die erste Co-Produktion von Nelson und Marsalis („Two Men With The Blues“, 2008) eher von gutem Willen und allerbesten Absichten durchtränkt denn von richtig guter Musik.
Jetzt also Ray Charles, was zumindest die Qualitätssicherung des Materials bedeutet, wie man sich beruhigend einredet. Aber – boing – man kann sogar ein altes Schlachtross wie „Hallelujah I love Her So“ ziemlich runterreißen, so wie Nelson mit seiner Gitarre in ein schauderhaftes Solo reinstolpert und -stochert. Okay, Probleme beim Aufwärmen. Dann „Come Rain Come Shine“, Einstieg von Norah Jones, die sowieso viel besser ist als ihr Image bei Hardcore-Puristen; völlig okay hier. Spitze sind Nelson und Marsalis im besten Titel der Produktion: „Losing Hand“, vermutlich kommt der auch gut rüber, weil er zu den eher unbekannteren (oder nicht so oft gespielten) Ray-Charles-Titeln gehört – das ist sehr schön schmutzig, atmosphärisch stimmig, un-perfekt im besten Sinne.
The Making of „Here we go again“
Gar nicht geht dann „Hit the Road Jack“ – Norah Jones als Margi Hendrix, neeee, die Gegenstimme zu dem alten Arsch Jack, der sich endlich verpissen soll und bloß rumjault und -nölt, das ist eine entschlossene Energie-Kreische und nicht ein stimmlich gepflegtes Girlie, das nicht mal ein Meerschweinchen aussetzen kann. Und warum man diesen schnellen Klassiker mit dem harten Beat und dem bösen Text mit einem bombastischem Vorspiel und dann mit einem netten, ausführlichen, gar länglichen Mundharmonika-Solo (by Mickey Raphael) garnieren muss, das weiß man wirklich nicht genau. Genauso wenig wie Wnyton Marsalis dann weiß, wie er aus seinem Trompeten-Solo – auch unnütz wie ein Kropf an der Stelle – wieder rauskommen soll und sich – erstaunlich bei einem Virtuosen seiner Qualität – aufs Tuten verlegen muss …. Oh neee, was auch für „What I´d say“ gilt oder das völlig missratene „Busted“, bei dem niemand glaubhaft pleite ist, sondern nur ideenlos. Das allfällige Argument, man wolle aber neue Funken aus altem Material schlagen, geht nicht auf. Eher kippt man Wasser auf die guten alten Flammen.
Und so ist die ganze Produktion: Ein paar Evergreens, zwei, dreimal ganz gelungen rübergebracht – das Duett von Nelson und Jones und das Saxophon von Walter Blending bei „Cryin´ Time“ gehört sicher auch noch dazu -, der Rest so was von unsinnlich vergeigt, dass man gar nicht glauben mag, dass die Beteiligten wirklich so viel Spaß daran hatten, wie die Paratexte es uns glauben machen wollen.
Thomas Wörtche
Willie Nelson & Wynton Marsalis feat. Norah Jones: Here We Go Again. Celebrating the Genius of Ray Charles. Blue Note (EMI).