Geschrieben am 13. September 2014 von für Bücher, Crimemag

A.S.A. Harrison: Die stille Frau

A.S.A.Harrison_Die_stille_FrauStilles Kleinod, großes Buch

A.S.A. Harrison und ihr übersehener Psychothriller „Die stille Frau“. Eine Rezension von Alf Mayer.

Den Wald vor lauter Bäumen: Natürlich erscheinen zu viele Kriminalromane, natürlich kommen zu viele Filme auf den Markt. Über 500 Filme sind es im Jahr, wer schon schafft es 50 Mal ins Kino? Wie viel liest man von den jährlich rund 1500 (oder so) Krimi-Neuerscheinungen? Ein sich ständig vergrößerndes Bermudadreieck verschlingt unterschiedslos Schrott und Qualität. Gar manche Perle muss ihre Existenz als Nachtschattengewächs fristen, obwohl sie das Scheinwerferlicht verdient hätte.

Das gilt dieses Jahr ganz besonders für einen Solitär, nämlich den im Mai 2014 bei Bloomsbury Berlin erschienenen Roman „Die stille Frau“ (The Silent Wife) der Kanadierin A.S.A. Harrison. Es ist ein Psychothriller, der das Genre transzendiert. Es ist ein Buch, das die Summe eines Autorenlebens enthält. Eine Frau, ein Mann, ein gut situiertes Ehepaar. Er geht fremd, die Affäre weitet sich aus bis zum Verlassen. Eine Welt bricht zusammen, aus Rachegelüsten wird Mord. Das klingt banal, aber diese Charakterstudie ist deutlich mehr als der Run-of-the-mill-Kriminalroman. Kaum jemand bei uns hat das wahrgenommen. Das ist besonders tragisch, weil wir von dieser Schriftstellerin nie wieder hören werden. Sie starb noch vor der Veröffentlichung dieses ihres ersten Romans, 65 Jahre alt, am 14. April 2013.

Neidlose Kollegen, bei uns ein großes Schweigen

Wer im deutschen Sprachraum nach Kritiken googelt, findet kaum eine einzige seriöse Besprechung, nur einige kleine Blogtexte und eine Reihe von „Kundenbewertungen“ bei Amazon und anderen. Exemplarisch ließe sich hier zeigen, WIE sehr zur Oberfläche solche Amateurtexte drängen und auf welche simplen Kriterien sich „Kritik“ dabei beschränkt. (Weiter unten dazu mehr.) Bei der Leserseite goodreads.com hat „The Silent Wife“ 31.885 Ratings und 4.489 Minikritiken.

Im angelsächsischen Raum wurde der ausgefeilte, ausgefuchst ruhig und lakonisch vorgetragene Psychothriller begeistert gefeiert. Kate Atkinson schrieb für die „New York Times“: „What a deliciously wicked pleasure. A very clever, very funny comedy of manners spliced with a domestic thriller.“ S.J. Watson “(Ich.Darf.Nicht.Schlafen.“) meinte: „Beautifully written and deeply unsettling, this darkly funny examination of what happens when you’ve got nothing left to loose is brilliantly addictive. It left me almost breathless as I raced toward the devastating finale.“ Auch der Brite Robert Wilson, Autor der Inspector Falcon und Charles-Boxer-Romane, (zum CM-Interview) die mit einem extrem belastungsfähigem Figurengeflecht glänzen, zeigte sich mir gegenüber im Interview von der Kanadierin beeindruckt: „Dieses Buch bewundere ich sehr.“ Die britische Crime Writers Association (CWA) hat für 2014 „The Silent Wife“ in der Katagorie „New Blood“ als „Best First Novel“ nominiert. Um in diese Auswahl zu kommen, muss ein Erstlingsautor einen nachhaltigen Eindruck gemacht haben und mit seinem Werk das Genre voranbringen. Nicole Kidman übrigens hat sich die Filmrechte gesichert und möchte Jodi spielen.

Leider wird es bei A.S.A. Harrison nur bei diesem einen Beitrag bleiben. Sie hatte einen zweiten Thriller in Arbeit, als sie noch vor Erscheinen ihres Romans an einem Krebsleiden starb. Die ersten Kritiken und einige neidlos anerkennende Reaktionen von Schriftstellerkolleginnen und -kollegen hat sie noch mitbekommen, eine besonders schöne noch am Tag ihres Todes von Susan Swan (Böse Mädchen) (siehe hier).

Shere_Hite_Hite_Report„Orgasms“: Zwei Jahre vor Shere Hite

Bevor ich in Harrisons Buch steige, finde ich es wichtig, sie selbst vorzustellen. In Deutschland hat sich dafür niemand die Mühe gemacht, dabei war sie eine äußerst interessante Autorin. Der Toronto „Globe and Mail“ überschrieb ihren Nachruf etwas hemdsärmlig mit „From sexologist to thriller writer“. Der deutsche Klappentext verrät nur: „Hat mehrere Sachbücher verfasst, bevor sie …“ Tatsächlich hat sie mehr als das. Nicht irgendwelche „Sachbücher“, sondern zwei, die Wellen schlugen: „Orgasms“ (Coach House Press, 1974) und „Revelations“, zusammen mit Margaret Dragu (Nightwood Editions, 1987).

Zwei Jahre vor Shere Hites Bestseller „The Hite Report on Female Sexuality“ (Hite-Report. Das sexuelle Leben der Frau) erschien Harrisons Interviewbuch „Orgasms“, für das sie seit den frühen Siebzigern Frauen über ihr Sexleben interviewt hatte. Es ist das radikalere Buch. Schon ironisch, dass Shere Hite als „Mutter des Orgasmus“ gehandelt wird. „Orgasms“ gilt heute als Underground-Klassiker und wird teuer gehandelt. Als Autorenfoto erscheint auf dem Umschlag ein irreführendes der Vokalgruppe The Hummer Sisters, der Autorenname war A.S.A. Harrison.

Susan Angela Ann Harrison, am 7. März 1948 in Toronto geboren, studierte Kunstgeschichte und schloss sich schon als Studentin der Kunstszene von Toronto an, gehörte zum Kunstkollektiv General Idea. In ihren Brotjobs arbeitete sie als Schriftsetzerin, Gestalterin und Redakteurin. Eine ihrer lebenslangen Freundinnen wurde die Performancekünstlerin Margaret Dragu, deren Tanzworkshops sie besuchte. In ihrer Trauerrede errinnerte Dragu daran, dass „A.S.A:“, wie sie ihre Freundin immer nannte, besonders neugierig und engagiert bei der Projektwoche 5 gewesen war: „The Artist and Burlesque“. Die beiden taten sich für eine Perfomance zusammen, die auf einer von Susans im Magazin „Chatelaine“ veröffentlichten Kurzgeschichtenbasierte. Harrison war es, die ihrer neuen Freundin vorschlug: „I think I have an idea for a book for us to write together.” Das war der Beginn eines Projekts über Striptease und Sexualität, für das die beiden viele Frauen interviewten und das dann elf Jahre brauchte: „Revelations: Essays on Striptease and Sexuality“ (Nightwood Editions, 1987). Der Ansatz: Weibliche Sexarbeit gegen den herkömmlichen Feminismus zu verteidigen. Heute ist diese Kurve, lassen wir Alice Schwarzer mal außen vor, längst genommen. A.S.A. Harrison war eine der Pionierinnen.

Ein Hund namens Freud

30 Jahre war sie mit dem bildenden Künstler Jonathan Massey verheiratet, es war eine Achterbahn. Seine Grabrede ist lesenswert. Mit Mitte 50 half sie der Psychotherapeutin Elly Roselle, eine Reihe von Fallstudien in Buchform zu bringen: „Changing the Mind, Healing the Body: Eight Case Studies in Transformational Belief-Change Therapy“ (Ugly Duckling Editions, 2005). Diese Arbeit brachte sie dazu, sich intensiv mit der Psychologie von Alfred Adler zu beschäftigen. Adlers Lehre ist unter anderem der Auffassung, dass der Mensch seine eigene Entwicklung und sein eigenes Glück durch die eigenen Vorstellungen von dem behindert, wozu er fähig und berufen ist.

Die Hauptfigur in „Die Stille Frau“ ist eine Adlersche Psychotherapeurin. Ganz zweifellos hat die Autorin ihre Einsichten ins menschliche Verhalten in ihren Roman einfließen lassen – das Spannende ist, wie sie das nutzt, um all die Hebel und Mechaniken des Suspense zum Schnurren zu bringen. Jodi hat einen Hund, den sie „Freud“ getauft hat, „in froher Erwartung auf den Spaß, den sie sich auf Kosten seines Namensvetters machen konnte, jenem Frauenhasser also, den sie an der Universität so ernstnehmen musste. Freud hat Blähungen, Freud frisst Müll, Freud jagt seinem Schwanz nach. Der Hund ist unendlich gutmütig und es stört ihn überhaupt nicht, dass über ihn gelacht wird.“

US_Ausgabe Silent WifeDas Leben, ein langsamer Fluss?

Schräger Einstieg in eine kritische Würdigung. Sei‘s drum. Eines der Vergnügen und Schrecknisse an „Die stille Frau“ ist, wie darin Konventionen bröckeln. Wie die Welt dem eigenen Willen und der eigenen Vorstellung immer mehr entgleitet. Wie Fassaden hochgehalten werden. Auch noch wider besseres Wissen. Wie da gestandenen Personen, die sich in ihrem Leben eingerichtet haben, eben dieses entgleitet. Mehr als entgleitet. Gegen die Wand steuert. Manche von uns kennen das aus dem Bekanntenkreis, nur wenige aus dem eigenen Leben, wir alle aus Filmen und Büchern: Wie einige wenige Handlungen alles bisher Gekannte auf den Kopf und neue Weichen stellen. Wie aus der Realität rasend schnell eine ganz andere wird.

„Die Stille Frau“ zeigt, was geschieht, wenn man sein Leben nicht in Frage stellt, wenn man sich in die Sicherheit wiegt, alles sei klar und geregelt. Das Leben sei und bleibe so, wie es ist. Harrison erzählt das ebenso geschickt wie brillant und simpel. Aus zwei Perspektiven: „Sie“ und „Er“. Mann und Frau, ein etabliertes Chicagoer Ehepaar mit Penthouse im 27. Stock. Im Teil Zwei ist nur noch „Sie“ übrig, aber die Geschichte ist dann längst nicht zu Ende erzählt. Die ersten beiden Kapitel „Sie“ und „Er“ zeigen bereits, wie weit die scheinbar so gemeinsamen Realitäten von Jodi und Todd auseinanderliegen. Als Leser ist man erst amüsiert, dann immer beklommener. Harrison weiß ihre Suspense-Momente treffsicher zu setzen. Bald schon sehen wir da zwei Schicksalszüge aufeinander zurasen. Todd ist ein von seiner Naivität und Feigheit zehrender Schwächling. Am Tag seines Auszugs, als er mit seiner von ihm schwangeren jungen Geliebten zusammen zieht, sagt er zu seiner geschockten Frau, die keines der Zeichen und Fakten lesen wollte: „Ich dachte, du hättest es gewusst.“ Wer Patricia Highsmith für eine kaltblütige Erzählerin hält (was sie ist), kann hier einer erzählerischen Eleganz begegnen, die mich neugierig auf ihre giftspritzende Reaktion gegenüber dieser Konkurrentin gemacht hätte. Harrison seziert hier nicht nur männliches Fehlverhalten und Rollenverständnis, sie schenkt ihrer Geschlechtsgenossin Jodi nichts.

Im zweiten Absatz wird der Mord angekündigt

Eine tiefschürfende, bei allen Sympathien ihren Figuren gegenüber schonungslose Reise sind diese 382 Seiten. Harrisons Thema sind die inneren Paradoxien von Beziehungen, die komplexen Kräfte der Erkenntnisabwehr, die Macht der Wünsche über die der Konventionen, die Überlebenskunst des Vergessens und Verdrängens. Die literarischen Meriten dieser Reise transzendieren hier das Genre des Pychothrillers. Ich will nur zwei Eckpunkte zitieren. Schon im zweiten Absatz des Romans steht, dass Jodi morden wird:

„Mit fünfundvierzig Jahren sieht Jodi sich immer noch als junge Frau. Sie richtet den Blick nicht so sehr auf die Zukunft, sondern lebt ganz im Moment und konzentriert sich auf ihren Alltag. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, geht sie davon aus, dass die Dinge einfach auf unbestimmte Zeit auf ihre unperfekte, jedoch völlig akzeptable Art weitergehen werden. Mit anderen Worten: Sie ist sich absolut nicht der Tatsache bewusst, dass ihr sich ihr Leben gerade auf dem Höhepunkt befindet und ihre jugendliche Unverwüstlichkeit die ihre zwanzigjährige Ehe mit Todd Gilbert langsam erschöpft hat dem endgültigen Verfall entgegen steuert und dass ihre Vorstellung davon, wer sie ist und wie sie sich zu verhalten hat, sehr viel instabiler sind als sie es bisher vermutet hat. Denn es wird nur noch wenige Monate dauern, bis sie zur Mörderin wird.

Wenn ihr das jemand jetzt erzählt, würde sie ihm nicht glauben. Mord ist in ihrem Vokabular bloß ein Wort, ein Konzept ohne Bedeutung, ein Thema aus den Nachrichten, das nur Leute betrifft, die sie nicht kennt und denen sie nie begegnen wird. Häusliche Gewalt ist ihr besonders fremd. Dass die alltägliche Reibung in einer Familie sich so heftig entlädt? Es gibt gute Gründe für ihr Unverständnis, selbst wenn man über ihre gewohnte Selbstkontrolle hinwegsieht. Sie ist keine Idealistin und glaubt daran, gute wie schlechte Zeiten hinnehmen zu müssen; sie lässt sich nicht zum Streit provozieren und nicht ködern.“

Und dann, nach all dem Scheitern, auch dem unabwendbaren des Selbstbetrugs, nach der Ermordung ihres Mannes, wenn auch nicht durch ihre eigene Hand, sondern während ihrer Abwesenheit, brutal und plötzlich an einer Straßenkreuzung, ein Kongress als Alibi, Jodi sich ihrer Verantwortung für diesen Mord niemals sicher, ganz am Ende des Buches sitzt diese kluge Frau, die so viel von Psychologie und Verhalten weiß, von den Truggebilden anderer Menschen, vor den Scherben ihres früheren Lebens und richtet sich sogleich in einem neuen ein:

„Jodi hingegen hat keine Probleme damit, die Tatsachen zu verschleiern. Das hat Vorteile, und manche Dinge sollte man sich lieber nicht zu genau anschauen. Kein Grund, der Realität ins Gesicht zu schauen, wenn es einen angenehmeren, ruhigeren Weg gibt. Kein Grund, so fürchterlich streng zu sein.“ (No need for all that grim urgency – im Original.)

Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Nicht einmal der Tod ihres Ex-Mannes, erfahren wir auf einige Seiten vor Schluss, ist für sie eine eindeutige Tatsache. Ein Teil von ihr scheint sich dessen einfach nicht bewusst zu sein oder sich schlicht zu weigern, es zu glauben. Bei einer Gelegenheit, als sie sich durch den Nebel zwischen Schlafen und Wachen bewegt, beschließt sie sogar, ihn anzurufen und direkt zu fragen, ob er lebt oder tot ist. „Sag mir die Wahrheit“, will sie sagen. „Ich muss es wissen.“

Wie viel wissen und begreifen wir von unserem Leben? Und wie viel davon entspricht der Realität? Das ist eine der vielen Fragen, mit denen einen „Die stille Frau“ konfrontiert. Jodi, als sie beim Fernsehen bemerkt, dass sie eine Serienfolge schon gesehen, aber längst wieder vergessen hat, denkt darüber folgendermaßen: „In letzter Zeit geht es ihr auch mit Filmen so. Ein oder zwei Jahre vergehen und es ist fast, als hätte sie eine Amnesie. Das bringt sie auf einen Gedanken. Wenn sie ihr ganzes Leben noch einmal leben müsste – das identische Leben mit den Ereignissen, die sich in derselben Reihenfolge vor ihr erstrecken -, würde das meiste davon sie vermutlich überraschen.“

Solch eine Charakterstudie, solch einen Roman schreibt man nicht, ohne mit sich selbst ins Gericht zu gehen, ohne schonungslos mit sich selbst zu sein. Selbsterkenntnis ist ein langer, anstrengender Weg. Kein Gipfel, auf dem es sich ausruhen lässt. „The heart is deceitful above all things.“ In Harrisons Roman steckt die Arbeit eines ganzen Lebens. Viel harte, ungemütliche Arbeit. Das braucht Ausdauer. Das braucht Mut Alleine dafür verdient diese Schriftstellerin Respekt. Ihre Freundin Beth Kapusta sagte dazu: „A.S.A. war eine disziplinierte, fokussierte und kundige Autorin, die mir immer wieder sagte: „Schreiben ist eine Sache des Denkens. Wenn dein Denken klar ist, ist dein Schreiben klar.“

Kein Wunder, dass andere Autoren das erkennen.

Einige Zitate aus der Originalfassung:

„Life has a way of taking its toll on the person you thought you were.“

„She didn’t know then that life has a way of backing you into a corner. You make your choices when you’re far too young to understand their implications, and with each choice you make the field of possibility narrows. You choose a career and other careers are lost to you. You choose a mate and commit to loving no other.“

„There are lots of reasons why a woman stays with a man, even when she’s given up on changing him and can predict with certainty the shape that the rest of her life with him is going to take.“

„Acceptance is supposed to be a good thing – Grant me the serenity to accept the things I cannot change. Also compromise, as every couples therapist will tell you. But the cost was high – the damping of expectation, the dwindling of spirit, the resignation that comes to replace enthusiasm, the cynicism that supplants hope. The mouldering that goes unnoticed and unchecked.“

„Every shrink knows that it’s not the event itself but how you respond to it that tells the story. Take ten assorted individuals, expose them all to the same life trial, and they will each suffuse it with exquisite personal detail and meaning.“

„We are all mediums for our own basic truths. All we really have in life is the primal force that moves us through our days–our unvarnished, untutored, ever-present, inborn agency.“

„The experience you’ve had may be unwanted, may amount to nothing but damage and waste, but experience has substance, is factual, authoritative, lives on in your past and affects your present, whatever you attempt to do about it.“

„Even if you forget that´s not the same as if it never happened. The slate is not entirely wiped clean; you can´t reclaim the person you were beforehand; your state of innocence is not there to be retrieved.“

PS: Susan Harrison war Vegetarierin und eine leidenschaftliche Tierschützerin, kämpfte für verschärfte Gesetze gegen Tierquälerei, fand Kanada in dieser Hinsicht rückständig. Sie schrieb zwei Kriminalromane mit einem Animal-Rights-Aktivisten als Detektivfigur, hielt beide Manuskripte für unbrauchbar, aber war von der sich selbst entwickelnden Psychologie der Figuren fasziniert, wollte das ausbauen. So kam es zur „Stillen Frau“. Tierschutz und vegetarische Ernährung spielen darin keine Rolle – es geht um weit, weit mehr.

PPS: Den Wald vor lauter Bäumen, setzte Christoph Martin Wieland (1733–1813), Dichter und Übersetzer alter Werke, in die Welt, lehnte sich dabei an lateinische Vorbilder an. Neben Lessing und Lichtenberg war er einer der wichtigsten Dichter und Denker der Aufklärung, auch dieser Satz eine Aufforderung zum Tragen einer Fackel: „Die Herren dieser Art blendt oft zu vieles Licht, Sie sehn den Wald vor lauter Bäumen nicht“, heißt es in seinem „Musarion“.

PPPS: Natürlich kann man über Harrisons Buch auch folgendermaßen reden, doof nur und ungerecht, wenn das die einzigen Stimmen sind. Cecilie zum Beispiel meinte: „Ohne Zweifel ist A.S. A. Harrison eine großartige Erzählerin und weiß sich sprachlich auszudrücken, doch die Hauptakteure der Handlung bleiben dem Leser stets fremd.“ Isegrimm befindet: „Gut durchdacht, aber emotionslos.“, Susanne K. urteilt: „Uninteressant für mich“, Uta bekundet: „Anfangs liest sich das Buch wie ein ganz normaler Beziehungsroman. Das Thema kennt man schon und gab mir nichts Neues… Der 2. Teil des Buches ist eher ein Psychokrimi. Hier macht es spaß zu lesen. Die Spannung steigt und man fiebert selbst mit.“ Und „lesezimmerchen“ meint: „Wenn ich ehrlich bin, empfand ich das Buch weder als besonders spannend oder fesselnd noch als so psychologisch spannend, wie man es erwartet, wenn man den begeisterten Stimmen folgt.“ Nur TrollMutti ist da positiver: „Was ein absoluter Genuss bei dem Buch ist, ist eindeutig die Sprache. Diese ruhige und unglaublich einfühlsame Art zu schreiben, dazu die emotionalen Aspekte – einfach unglaublich! Sprachlich und stilistisch ist das Buch also absolut im Bereich der anspruchsvollen Literatur angesiedelt.Insgesamt kann ich von dem Schreibstil nur träumen und allein schon deshalb das Buch weiterempfehlen. Die Story ist nicht so ganz meins, aber schlecht ist sie definitiv auch nicht. Ein überraschendes und lesenswertes Buch.“

Alf Mayer

A.S.A. Harrison: Die stille Frau (The Silent Wife, Penguin New York, 2013). Deutsch von Juliane Pahnke. Berlin: Bloomsbury 2014. 383 Seiten. 14, 99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Zur Website der Autorin. Nachrufe hier und hier.

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