Geschrieben am 3. Oktober 2015 von für Bücher, Litmag

Aus der Schreibwerkstatt unserer Mitarbeiter

35990Passt in jede Manteltasche

„Lieblingsorte Hamburg“ drücke ich neuerdings all meinen Hamburg-Besuchern in die Hand; und auch gerne Menschen, die schon seit Jahren hier wohnen. Zu entdecken gibt es darin vieles: Den „Nachtmichel“ zum Beispiel (warum bin ich bisher nicht auf die Idee gekommen, nachts auf den Michel zu steigen und den Turmbläser zu hören?). Den besten Backfisch der Stadt, der, jawohl, in Veddel mitten auf einem Parkplatz zu finden ist. Ein Kinovorhang aus Bonbon-Papier. Oder schlicht die Antwort auf die Frage, was die Beatles mit dem „Bambi Kino“verbindet. Die Texte sind randvoll mit Wissensperlen und unerwarteten Assoziationen, die sich in aller Knappheit schon mal zu kleinen Miniaturen zusammenfügen können (wie im Fall der Beatles).

Mit 223 Seiten hat „Lieblingsorte Hamburg“ einen handlichen Umfang und passt in die meisten Manteltaschen. Vor allem aber sieht es mit seinem schmucken Cover, den gezeichneten Möwen und dem blauen Fliesenrand, so gar nicht aus wie ein Städte-Reisebuch. Sondern schlicht wie eine vielschichtig-heitere Lektüre über eine der schönsten Städte Deutschlands – was es ja auch ist. Gehört, finden wir, in jeden gut bestückten Hamburger Haushalt.

Birgit Haustedt: Hamburg – Lieblingsorte . Suhrkamp Insel Verlag, Berlin 2015. 223 Seiten, 12,40 Euro.

9783945465127Von Maus und Mensch

Die Hörminiaturen JOHN & MAUS von Michael und Ben Esser waren ein Jahr lang wöchentlich neu in der Seitenleiste von Culturmag zu finden; nun gibt es zu den Chill-Out-Happen auch den Roman.

Wie es dazu kam, erklärte Michael Esser neulich bei der Buchpräsentation im Passage-Kino: Ben Esser, meinte er, sei Schuld. Der Sohn des Autors und Komponist der schwebenden Klangwelten, die die Gespräche der beiden Hauptfiguren (als Sprecher: der großartige Andreas Fröhlich) begleiten, hatte sich anderen Musikdingen zugewandt, und da saß der Vater nun.

„Um mich loszuwerden, schlug er vor, ich solle doch John & Maus, den Roman, schreiben.“

So oder anders wird’s gewesen sein (es ist ja nicht so, als hätte Herr Esser in seinem Leben sonst nichts zu tun). Der Geschichte bekommt die narrativ-romaneske Erweiterung; die Erzählung behält zwar das elliptische Moment der  Hörstücke, schaut aber über den Horizont ihrer Dialogstrukturen hinaus. Im Zentrum steht nach wie vor der Junge, der von den Bäumen das Wachsen lernen will, und die Maus, die seine Wissbegierde, nicht nur in Baumdingen, stillt.

Nun aber treten auch die Eltern verstärkt in den Vordergrund, (bevor sie entnervt von der Bildfläche verschwinden), eine geltungsssüchtige Forscherin interessiert sich für den Fall John, sein Hauslehrer verbündet sich mit ihr. Den beiden Helden bleibt schließlich nur die Flucht, und so wird aus dem sommerlich-trägen Frage-Antwort-Spiel unversehens ein Roadmovie. Als neuer Spielort tritt der Winterwald in Erscheinung und mit ihm einige bemerkenswerte Gestalten: Wölfe als Ratgeber, Rehe als Heiler, Buchen und Haselnusssträucher. Das Ende ist offen, was sich richtig anfühlt; diese Geschichte ist noch nicht auserzählt.

Gleichzeitig mit dem Roman ist das Hörbuch erschienen, mit Andreas Fröhlich als Sprecher und den Kompositionen Ben Essers in den Kapitelübergängen. Im Passage-Kino wurde am Sonntagmorgen um elf  live daraus vorgelesen, das Ergebnis war, als würden sich die Träume der Nacht im dunklen Kinosaal fantastisch weiterspinnen.

Michael Esser. John & Maus. Auf dem Weg nach Weißnochnichtwo. Klaas Jarchow Media Buchverlag, Hamburg 2015. 310 Seiten, 18 Euro.
Weitere Lesungstermine HIER.
http://www.hamburgparadies.de

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