Geschrieben am 12. Februar 2011 von für Bücher, Crimemag

Charles Portis: True Grit

„True Grit“ ist ein lustiger Kriminalroman. Auch wenn Western draufsteht. Oder umgekehrt. Thomas Wörtche hat sich auf  jeden Fall mit einem schrägen Buch amüsiert.

Ist schon okay, wenn erst die Coen-Brüder kommen müssen, damit ein gut eingestaubter Klassiker wie „True Grit“ nach Jahrzehnten wieder ein wenig aufpoliert ans Licht der Öffentlichkeit kommt. Denn die Coen-Brüder haben bekanntlich ein Remake des alten John-Wayne-Western „Der Marshal“ von Henry Hathaway vorgelegt und damit stapelweise Dollarmillionen eingespielt.

Wenn die Coens so etwas machen, stürzt sich alle Welt auf die Vorlage – neulich auf Cormac McCarthy, jetzt also auf Charles Portis, von dem die Romanvorlage stammt. Na denn, uns soll´s recht sein, Rezeptionsgeschichte kennt viele Wege und Schliche …

Uns interessieren allerdings weniger solche Garnituren, sondern uns interessiert die Geschichte der 14-jährigen Mattie Ross, die mit Hilfe des von ihr gedungenen, leicht verkommenen und arg versoffenen Marshals Reuben „Rooster“ Cogburn und des sturen Texas Rangers La Bœuf den Mörder ihres Vaters verfolgt, aufspürt und zur Strecke bringt. Koste es, was es wolle. Und diese Kosten liegen schon ein klein wenig im noir-Bereich.

Der Roman von Charles Portis, stilistisch irgendwo sehr beabsichtigt zwischen Mark Twains „Tom Sawyer & Huckleberry Finn“ und Robert Glovers „Kitten“-Trilogie oszillierend, trifft beängstigend präzise die Mentalität eines zwar erfreulich selbstbewussten bis altklug megalomanen Girlies. Dessen gnadenlos handfester Menschenverstand gepaart mit ulkigen christlichen und anderen abergläubischen Doktrinen und pragmatisch rassistischen und weltweisen Robustheiten wirken als individuelle Eigenschaften dieser colt-bewehrten, coolen, rhetorisch ausgefuchsten Lolita bezaubernd. In Politik umgesetzt werfen diese sehr WASP-amerikanischen Tugenden allerdings schon die Schatten künftiger, nicht so toleranter Entwicklungen voraus. Ob Portis das wirklich so gemeint hat und gar ein wenig visionär war? Vermutlich nicht, obwohl …

Kriminalroman und Western werden ja oft in einem wie auch immer gearteten  Zusammenhang stehend verstanden (der Privatdetektiv als moderne Variante des Lone Rangers und so weiter und so fort), aber solche Konstrukte sind höchstens als Smalltalk und zur schnellen Verständigung über Texte sinnvoll. Weder Kriminalroman noch Western sind literarische „Formen“ per se, beide definieren sich über ihre Sujets und ihre Kon- und Paratexte: In „True Grit“ wird gemordet, der Mörder wird verfolgt und der Gerechtigkeit zugeführt, wobei nebenbei auch noch Bandenkriminalität und andere Formen des Raubens und Mordens ins Spiel kommen. Insofern ist „True Grit“ ein Kriminalroman, der im Wilden Westen spielt. Und zwar ein ziemlich komischer Kriminalroman, weil er alle hehren Abstrakta (Recht, Gesetz, Legalität, Legitimität usw.) aufs Vergnüglichste vermischt, verquirlt und verdreht. Am Ende zählt nur „grit“, true grit, eben.

Thomas Wörtche

Charles Portis: True Grit (True Grit, 1968). Roman. Deutsch von Richard K. Flesch. Überarbeitete Neuausgabe. Reinbek bei Hamburg: rororo 2010.  219 Seiten. 8,99 Euro.

Reinbek bei Hamburg: rororo 2010

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