Geschrieben am 30. Mai 2009 von für Bücher, Crimemag

Christine Grän: Jedermanns Gier

Von eitlen Männern und bösen Frauen

Geld macht schön, sexy und jung und überhaupt ist alles käuflich. Sogar die Liebe. Wer dem noch Glauben schenkt, sollte schleunigst zu Jedermanns Gier greifen, dem neuesten Werk von Krimi-Lady Christine Grän, empfiehlt zumindest Eva Karnofsky.

Anton hat Glück. Denkt er. Und das mit über 80. Victoria ist rothaarig, grünäugig, wunderbar gerundet und sie könnte seine Enkeltochter sein. Er kennt sie drei Monate, zwölf Abende und sieben Nächte und eigentlich weiß er über sie nur, dass sie im Bett ein Jungbrunnen für ihn ist. Doch in der achten Nacht begeht er den größten Fehler seines langen, arbeitsreichen Lebens. Er verrät ihr, dass er sie in seinem Testament üppig bedacht hat.

Der Professor, mit seinen 72 im Vergleich zu Anton fast noch ein junger Spund, stellt den Totenschein aus und tröstet Victoria, während sie Antons kalte Hand streichelt. Der Professor hat alles erreicht im Leben und widmet sich nun dem Kampf gegen die Langeweile. Und Victoria ist nicht langweilig, sondern sexy, witzig und offen. „Sie macht keinen Hehl aus ihrer Geldgier, ihrer Lebensgier, der Gier überhaupt“, und das fasziniert ihn. Er redet sich ein, dass sie ältere Männer interessanter findet, weil sie mehr wissen und mehr besitzen. Letzteres wird auch ihm zum Verhängnis. Er wird noch ein paar Jahre arbeiten müssen, um Victoria zu verschmerzen.

Bei Kaliber .64, der vor ein paar Jahren aus der Taufe gehobenen Krimi-Reihe des Nautilus Verlages, muss alles auf 64 Seiten gesagt sein. Christine Grän erfand einst Anna Marx, die ewig mit Pfunden und Männern hadernde Detektivin wider Willen, und geleitete sie witzig und spannend durch zahlreiche Kriminalfälle. Sie reüssierte als leidenschaftliche Schreiberin von kurzen, tiefschwarzen Geschichten wie Das fette Herz (in: Liebe ist nur ein Mord, Goldmann, 2000) und sie geht auch souverän mit diesem eher ungewöhnlichen, für das leichte Gepäck gedachten Format um. In Jedermanns Gier kommt Grän wieder mit schwarzem Humor daher.

Diesmal modelliert die Österreicherin einen Reigen von Prototypen, jeder steht für eine „Sorte“ Mann. Anton, der Naive, glaubt, eine junge Frau könne sich in Altersflecken verlieben. Der Professor, der Arrogante, hält sich für unwiderstehlich und unglaublich clever. Karl will beneidet werden und sucht obendrein eine Krankenschwester. Und Mark versucht das Alter zu überlisten – eine erheblich jüngere Frau ist eines der Wundermittel aus seiner Trickkiste. Mitleid kommt kaum auf, wenn sie Victoria auf den Leim gehen. Die Autorin gibt die durchweg eitlen Kerle – mit der ihren Krimis eigenen Boshaftigkeit – der Lächerlichkeit preis.

Typisch Feministin, mag man(n) jetzt einwenden, doch weit gefehlt, denn auch frau kommt nicht ungeschoren davon. Schließlich ist die Protagonistin Victoria alles andere als eine Lichtgestalt, sondern eine kaltblütige Mörderin, der es schwer fällt, auch nur ein Minimum an Sympathie für ihre Opfer zu entwickeln. Und auch sie, das sei verraten, kommt nicht ungeschoren davon. Am Ende verkalkuliert sie sich und geht einem Mann auf dem Leim. Doch damit siegt keinesfalls das Gute.

Grän bedient sich eines omnipräsenten Erzählers, der sowohl den Männern als auch Victoria in die Gedanken schaut. Es ist die übertriebene Ernsthaftigkeit, mit der die Autorin ihn berichten lässt, der die Figuren allesamt dem Spott aussetzt. Der dem Action-Kino entlehnte Showdown unterstreicht dies noch. Jedermanns Gier besticht obendrein durch eine exakte Sprache. Die Sex-Szenen kommen plastisch, aber ohne jede Vulgarität daher, der sanft-kultivierte Umgangston kontrastiert mit dem grausamen Geschehen und treibt die Ironie auf die Spitze. Klein aber fein, dieses Buch. Und vielleicht auch ein kleines bisschen lehrreich.

Eva Karnofsky

Christine Grän: Jedermanns Gier. Erzählung.
Hamburg: Nautilus Kaliber 64 2009. 64 Seiten. 4,90 Euro.