Geschrieben am 25. Mai 2013 von für Bücher, Crimemag

Claudia Piñeiro: Betibú

3293004539Wenig überzeugend

– Die Argentinierin Claudia Piñeiro hat in Deutschland vor allem mit ihrem Roman „Elena weiß Bescheid“ reüssiert, in dem sie sich beeindruckend mit der Parkinson’schen Krankheit auseinandersetzte. In ihrer Heimat zählt sie seit Erscheinen von „Die Donnerstagswitwenim Jahr 2005 zu den beliebtesten Schriftstellerinnen, weil sie den Kriminalroman in einer geschlossenen Wohnanlage angesiedelt hat. Die sind in Argentinien sehr beliebt. An die erfolgreichen „Donnerstagswitwen“ anknüpfend, spielt Piñeiros neuester Roman wieder in einer solchen Wohnanlage. Doch „Betibúist längst nicht so spannend geraten, findet Eva Karnofsky.

Ein Hausmädchen in einer dieser auch als gated communities bekannten Wohnanlagen findet beim Putzen ihren Arbeitgeber Chazarreta – erstochen. Man könnte an Selbstmord glauben, wäre nicht drei Jahre zuvor schon die Ehefrau des Unternehmers ermordet worden.

Die Tageszeitung El Tribuno schickt einen unerfahrenen, jungen Reporter an den Tatort, aber auch Nurit Iscar. Sie soll den Fall schriftstellerisch begleiten. Die einst erfolgreiche Krimiautorin, vom Chefredakteur von El Tribuno nach einer Comicfigur nur Betibú genannt, will damit ihr durch einen Liebesroman bei der Kritik angeschlagenes Image aufpolieren. Und Jaime Brena, jahrzehntelang Polizeireporter des Blattes und kürzlich auf einen unwichtigen Posten abgeschoben, ermittelt auf eigene Faust, weil er es nicht ertragen kann, ersetzt worden zu sein. Ein allwissender Erzähler berichtet chronologisch von den Ereignissen.

Wandelnde Klischees

Um es gleich vorweg zu sagen: „Betibú“ ist Piñeiros bislang am wenigsten überzeugender Roman. Man spürt, dass es der Autorin vor allem um die Vermittlung von Botschaften ging, und das kommt weder den Figuren noch dem Plot zugute. Die Figuren kommen als wandelnde Klischees daher und der Plot mutet allzu konstruiert an.

Die erste Botschaft: Übertriebene Sicherheit schränkt unbotmäßig Freiheiten ein, schützt aber nicht vor Verbrechen. Wer in „Betibú Zutritt zu einer Wohnanlage haben möchte, muss jeden Tag absurdere Regeln befolgen. Nachts etwa müssen ankommende Fahrzeuge wie unter der argentinischen Militärdiktatur die Außenbeleuchtung aus- und die Innenbeleuchtung einschalten, damit der diensthabende Wachmann besser erkennen kann, wie viele Personen sich im Innern des Fahrzeuges befinden.

Zudem rechnet Claudia Piñeiro mit der Literaturkritik ab, die Nurit Iscars Karriere als Schriftstellerin jäh unterbrochen hat. Die Kritikerin von Nurits Liebesroman hat diesen weder gelesen noch die Rezension selbst geschrieben. Sie stammt aus der Feder der rachsüchtigen Gattin des Chefredakteurs, mit dem Nurit ein Verhältnis hatte.

Medienschelte

Es sei erwähnt, dass Piñeiro sich auch über die Schriftstellerin lustig macht, die sich die Kritik zu sehr zu Herzen nimmt. Literaturkritik sollte man nicht allzu ernst nehmen, so also die nächste Botschaft, und dem, was die Medien schreiben, sollte man generell nicht allzu viel Wahrheitsgehalt zutrauen. Piñeiros Medienschelte mag bei argentinischen Lesern auf große Resonanz stoßen, als bezahlte Artikel im Kundenauftrag dort ebenso üblich sind wie inhaltliche Rücksichtnahme auf Werbekunden. Hier wirkt sie weniger witzig, weil die Realität eine andere ist.

Journalisten-Posten werden in dem Roman nicht nach Können besetzt, sondern nach Laune des Chefredakteurs. Das soll es allerdings auch in Deutschland schon gegeben haben.

Man muss „Betibú“ als Satire auf den Medienbetrieb sowie auf die geschlossenen Wohnanlagen lesen, denn dem Mörder, den alte Wunden zu Rache antreiben, kommen Nurit Iscar und Jaime Brena fast im Vorbeigehen auf die Spur. Doch so recht trägt die satirische Absicht nicht über fast 350 Seiten und so werden die zum Teil belanglosen und sich wiederholenden Gesprächsinhalte der Protagonisten auf die Dauer langweilig.

Eva Karnofsky

Claudia Piñeiro: Betibú(Betibú, 2011). Deutsch von Peter Kultzen. Zürich: Unionsverlag metro 2013. 349 Seiten. 21,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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