Geschrieben am 11. Dezember 2010 von für Bücher, Crimemag

Daniel Ammann: King of Oil – Marc Rich

Ein gefallener König

– Sie gelten als verschwiegen und pressescheu und sind die Strippenzieher im weltweiten Kampf um wertvolle Ressourcen wie Erdöl, Bauxit und das immer begehrtere Koltan: Rohstoffhändler. Wie wertvoll deren Marktkenntnisse, Analysen und Beziehungen zu den jeweiligen Ländern sind, mit denen sie Handel treiben, zeigt die von dem Schweizer Journalisten Daniel Ammann spannend geschriebene und hervorragend recherchierte Biografie über Marc Rich, der wohl schillerndsten Figur der Branche im 20. Jahrhundert. Aus der Grauzone von big business und organized crime berichtet Susanna Mende.

Rich kam mit seinen Eltern 1944 als jüdisches Flüchtlingskind Marcel Reich in die USA, nachdem die Familie auf einer Monate dauernden Odyssee von Europa über Nordafrika schließlich doch noch ein rettendes Schiff gefunden hatte. Nach einem abgebrochenen Studium trat Rich in die Firma Philipp Brothers ein und lernte dort das Händlergeschäft von der Pike auf, bis er schließlich nach einem Streit mit der Firmenleitung 1974 sein eigenes Unternehmen in der Schweiz gründete und im Ölgeschäft nicht nur als Händler erfolgreich war, sondern den Sektor durch die Erfindung des sogenannten Spotmarktes revolutionierte.

Noch´n Irangate

Zu Beginn der 80er Jahre dann erlangte dieser von allen Kollegen und Partnern als hochtalentiert beschriebene, wortkarge Mann Berühmtheit als einer der angeblich größten Steuerhinterzieher der USA und gilt außerdem bis zum heutigen Tag so manchem als Protoyp des moralisch verkommenen Kapitalisten, der mit Regimen jeglicher Couleur und ohne irgendwelche Skrupel seine Geschäften machte. Vor allem betrachten ihn viele Amerikaner nach wie vor als Landesverräter, weil im Zuge der Ermittlungen in Sachen Steuerhinterziehung seine Geschäfte mit dem Iran ans Tageslicht kamen und einen Aufschrei der Empörung auslösten, hatte Rich doch mit Khomeneis Regime im Jahr 1979 Geschäfte getätigt, als in Teheran extremistische Studenten die amerikanische Botschaft stürmten und zahlreiche Geiseln nahmen, um die Auslieferung des Schah aus den USA zu erzwingen.

Für Rich droht die Situation zu eskalieren, als ein junger, ehrgeiziger Assistenz-Staatsanwalt den Fall übernimmt und die Chance sieht, sich damit zu profilieren, vor allem, weil auch der damals zuständige Bundesstaatsanwalt namens Rudolph W. Guiliani in die gleiche Kerbe haut und die schwersten zur Verfügung stehenden juristischen Geschütze auffährt:

Anklage nicht nur wegen Steuerhinterziehung, sondern auch wegen organisierter Kriminalität, was die Justiz in den USA aufgrund des sogenannten „Racketeering and Corrupt Organizations Act“ (RICO) berechtigt, die Vermögenswerte eines Verdächtigen zu beschlagnahmen. Rich, der sich in der Zwischenzeit bereits in die Schweiz abgesetzt hat, kapituliert und zahlt in einem ausgehandelten Vergleich eine dreistellige Millionensumme, allerdings bleiben die Anklagepunkte gegen ihn und seinen Partner Pincus Green als Personen weiter bestehen, bis Bill Clinton die beiden als eine seiner letzten Amtshandlungen als Präsident der Vereinigten Staaten siebzehn Jahre später begnadigt.

Diese Begnadigung lässt sich nur vor dem Hintergrund der besonderen Beziehungen zwischen Israel und Marc Rich verstehen, und der ganz zentralen Rolle, sie seine Händlertätigkeit für die überlebensnotwendige Versorgung Israels mit Öl bereits Ende der 60er Jahre und zur Zeit der Ölkrise gespielt hat. Ein großes Verdienst dieses Buches ist es, dass Ammann diese Verquickung zwischen politischen Verhältnissen und Krisen und den Voraussetzungen für den ökonomischen Erfolg eines Händlers unter solchen wechselhaften Bedingungen in ihrer ganzen Komplexität zeigt, die Ammann, der ökonomischen Theorie folgend, so zusammenfasst:„Geschickten Rohstoffhändlern geht es dann gut, wenn das Handelsrisiko hoch und die Versorgung wegen Krisen gefährdet ist. Dann nämlich können sie ihren Wettbewerbsvorsprung am besten nutzen.“

Der Kunde ist König – oder Tyrann …

Daniel Ammann

Neben dem Iran und Israel hat Rich noch mit zahlreichen Ländern Deals gemacht, die aufgrund ihrer politischen Situation als moralisch fragwürdig gelten können. Schon als junger Mann war Rich von seiner Firma Philipp Brothers nach dem Sturz von Batista auf Kuba als Unterhändler zu Fidel Castro geschickt worden, weil man an einer Fortsetzung der Geschäfte mit einem kommunistischen Regime im selben Maße interessiert war. Später dann, als eigener Firmenchef, waren es Geschäfte mit Jamaika, Angola und Südafrika, wo, wie Ammann zeigt, die politischen Führer ihre öffentlich vorgetragenen Grundüberzeugungen über Bord warfen und zu jeder Art von Pakt bereit waren, sofern es bestimmten ökonomischen Interessen und damit ihrem Machterhalt diente. Mit einem Händler wie Marc Rich, der seinen Fokus stur auf seine Tätigkeit und die Befriedigung der Bedürfnisse seiner Kunden richtete, war das möglich.

Man merkt Daniel Ammann seine Faszination für Marc Rich an, trotzdem gelingt es ihm, ausreichend Distanz zu wahren und aus dem akribisch zusammengetragenen Material und zahlreichen Gesprächen mit Marc Rich eine Person in ihrer ganzen Komplexität, Widersprüchlichkeit und historischen Bedeutung darzustellen. Ein lebendiges Lehrstück der Politik, (Un-)Moral, Handelsgeschichte und Globalisierung. Sehr empfehlenswert!

Susanna Mende

Daniel Ammann: King of Oil – Marc Rich – Vom mächtigsten Rohstoffhändler der Welt zum Gejagten der USA. Zürich: Orell Füssli Verlag AG. 317 Seiten. 24,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.
Zur Rezension des Films „Let´s make money“ bei culturmag.