Geschrieben am 6. April 2013 von für Bücher, Crimemag

Hanna Jameson: Kalter Schmerz

056509677-kalter-schmerzWohin die Reise geht

– Eine neue Autorin – Hanna Jameson, ein Erstlings-Titel, der auf hart macht: „Kalter Schmerz“ und ein toter Vogel auf dem Cover (die Verkaufsbremse par excellence) – Henrike Heiland ist ein wenig ratlos.

Natürlich zuckt man bei einem Buch, in dem es um Sex und Drogen und Gewalt gehen soll und das dazu von einer Anfang Zwanzigjährigen geschrieben wurde, immer etwas zurück und denkt sich: Nun, für das Alter … Sollte man aber eigentlich nicht, Welpenschutz hin oder her. Hanna Jameson hätte ja genauso gut einen Teenie-Roman über Liebesleid schreiben können. Und das hat sie nicht.

„Kalter Schmerz“ handelt also von Sex, Drogen und Gewalt. Vor allem aber von Nic, dem Ich-Erzähler und Auftragskiller. Nic ist dreißig, lebt im Londoner West End zusammen mit seinem schwulen Kollegen Mark, verdient sehr viel Geld und gilt als einer der Besten. Laut Klappentext verliebt er sich in die Frau eines Auftraggebers, und ein tödliches Spiel beginnt. Hier ist es gut, dass es den Klappentext gibt, denn ohne diesen wüsste man gar nicht, dass ein tödliches Spiel beginnt. Um nicht zu sagen: Der Klappentext ist mal wieder so nichtssagend wie der Titel „Kalter Schmerz“, und die Kurzbio der jungen Autorin liest sich eher wie die schlechte Erfindung eines noch schlechteren Werbetexters. Aber nun, das soll uns nicht vom eigentlichen Text – Roman, nicht Thriller, nicht Kriminalroman, nicht Irgendwas, sondern schlicht Roman kategorisiert – ablenken.

Der Beste?

Nic also bekommt einen Auftrag von einem Waffenhändler. Dem ist die Tochter abhandengekommen, Nic soll sie suchen, findet nur ihre Leiche, und nun soll er den Mörder des Mädchens ausfindig machen und eliminieren. Er ist schließlich einer der Besten. Man erfährt nur leider nie so genau, wie es kommt, dass er einer der Besten sein soll, aber was soll‘s. Bei seinem Auftrag also gerät Nic an die Frau des Waffenhändlers, sie heißt Clare, ist sehr schön und sehr seltsam, Ex-Model und Ballettlehrerin, und irgendwie findet er sie spannend, obwohl – oder weil – sie ihn nicht leiden kann. Nic sucht nicht nur nach dem Mörder der Tochter, sondern hat noch den ein- oder anderen weiteren Auftrag zu erledigen, und dazu ergeben sich noch familiäre Spannungen, denen er sich nicht ganz so gewachsen fühlt: eine drogenabhängige Schwester, ein Bruder in Afghanistan, der als Kriegsheld stirbt, und Eltern, die sich Nic gegenüber nicht sehr liebevoll benehmen.

Das ist ein recht solider Grundriss für einen Roman, die Frage ist üblicherweise, was daraus gemacht wird. Hanna Jameson hat, das merkt man immer wieder, sicherlich Talent, was Szenenaufbau angeht, und sie erklärt auch nicht jede Situation tot, was schon mal sehr schön, sehr angenehm ist.

Immer wieder gern genommen: „Tiefe“

Was allerdings fehlt, sind schlüssige Figuren. Nic soll irgendwie ein netter Kerl sein, der zwar Leute zusammenschlägt und/oder umbringt, und das möglichst ohne Gewissen, aber irgendwie hat er doch ein Gewissen, und diesen seinen Job macht er auch gerne, aber irgendwie dann doch nicht so gerne. Er ist eine harte Sau, heult und zittert dafür aber doch etwas zu oft, und im weiteren Verlauf lässt er mehr als einmal seinen Kollegen die Schweinerei (also Blut, Gehirn und Sonstiges) aufwischen. Eine Backstory wird aufgerufen, die erklären soll, wie diese Ambivalenz zustande kommt, was dem Charakter sicherlich Tiefe geben soll, ihn allerdings nur fremd und wenig nachvollziehbar wirken lässt. Auch Clare, die Frau des Auftraggebers, die ihn so zu faszinieren scheint, soll wenig durchschaubar sein, um gegen Ende hin mit ein paar Überraschungen für den Leser aufzuwarten, aber auch da klemmt die Figurenzeichnung. Zu statisch wird sie gezeigt, zu sehr misslingt die Gratwanderung zwischen Hassobjekt und Verführerin.

Was schaudert?

Und ohne allzu sehr zu spoilern: Am Ende, wenn das Blut seitenweise verspritzt wurde, wenn jeder seinen Drogenrausch durchgemacht hat und die Hauptfigur Nic endlich mehrmals Sex hatte (anfangs scheint er sich nicht so sehr für Sex zu interessieren, wie das eben bei dreißigjährigen Männern so üblich ist), winkt die Autorin mit einer Art Happy End, das zwar kaputt, aber doch auf unpassende Weise versöhnlich sein soll. Ein letzter Satz wird nachgeschoben, der andeutet: Es ist doch noch nicht vorbei. Aber der geht, offen gesagt, unter, weil von dem Generalbösewicht, der zwischendurch eingeführt wurde, nicht sehr viel Boshaftigkeit ausgeht. Er taucht erst sehr spät in echt auf, vorher wurde die Angst vor ihm mehr behauptet als tatsächlich nachvollziehbar gestaltet, und bei seinen Auftritten ist er auch eher, nun ja, mäßig albern bis ein bisschen schurkig, aber es reicht nicht. Das Schaudern hält sich durchweg in Grenzen.

Wird das was mit der jungen Autorin? Könnte sein. Vielleicht muss sie sich warm schreiben. „Kalter Schmerz“ wird LeserInnen finden, reicht aber längst nicht aus, um einen signifikant bleibenden Eindruck zu hinterlassen, und bietet absolut nichts Neues. Aber wer weiß, was noch kommt.

Henrike Heiland

Hanna Jameson: Kalter Schmerz. (Something You Are, 2012.) Deutsch von Andrea Fischer. 380 Seiten. 14,99 Euro. Berlin: Suhrkamp 2013. Verlagsinformationen zum Buch.

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