Geschrieben am 6. September 2015 von für Bücher, Crimemag

James Lee Burke über seinen Roman „Glut und Asche“

Foto (c) Parker McDavid

Foto (c) Parker McDavid

Die große Freiluftkathedrale

James Lee Burke zu seinem Roman „Glut und Asche“

Er selbst hält „Glut und Asche“ (A Feast Day for Fools) für eines seiner besten Bücher und freut sich, dass es nun – am 14. September 2015 – auch in Deutschland erscheint. In einem sehr persönlichen Begleittext, den wir Ihnen hier präsentieren können, erzählt James Lee Burke von seiner besonderen Beziehung zu Deutschland. Das, was einen Gutteil seiner intensiven sprachlichen Wirkungsmacht bestimmt – seine erkennbar tiefe Verwurzelung in Landschaft und Wetter zu aller Jahreszeit sowie seine Fähigkeit, uns die Welt in immer neuen Farben zu malen – erfährt hier eine wohl für viele Leser überraschende Erklärung.

Glut und Asche von James Lee Burke„Glut und Asche“, darauf kann man Wetten abschließen, wird zu den herausragenden Kriminalromanen dieses Jahres gehören. James Lee Burke ist einer der Giganten des Genres. 78 Jahre alt, ist er unermüdlich produktiv. Sein nächster Roman ist in den USA für Dezember 2015 angekündigt: „House of the Rising Sun“, wo er tief in die Geschichte der Familie Holland steigen wird. „Glut und Asche“ stammt aus dem Jahr 2011 und ist der dritte Roman mit dem knorzigen texanischen Sheriff Hackberry Holland. „Ein eins fünfundneunzig großer Witwer… ein schmerzender Rücken, ein kantiges Profil, ein Stetson, ein Thumb-Buster Kaliber .45 und eine Vergangenheit als Trinker und Hurenbock bildeten die Eckpfeiler seines Leumunds, wenn nicht sogar die seines Lebens“, charakterisiert sein Autor ihn zu Beginn dieses Romans. „Glut und Asche“ beginnt mit der Zeugenschaft eines trunkenen, alten Indianers an einem grauenhaften Geschehen. Er sieht, wie die Blitze eines Wetterleuchtens sechs Männer in die Landschaft zeichnen, „wie Figuren auf einem Foto, das gerade erst ins Entwicklerbad gelegt worden war“. Sie tragen Gewehre, verfolgen einen Mann, was sie tun, brennt sich Danny Boy Lorca ein.

Hackberrys Haus: Grau gestrichen, wie ein Kriegsschiff

James Lee Burkes Welt ist nicht friedlich. In seinen Dave-Robicheaux-Romanen ist es die von Louisana, bei Hackberry Holland der amerikanische Westen. „Eine große Freiluftkathedrale“ ist er für ihn, nahe gebracht in jungen Jahren von einem Lehrer und Poeten, über den er hier schreibt, Verfasser des epischen Gedichts „A Cycle of the West“. Hackberry Holland ist dieser Westen. Heute. In „Glut und Asche“ wird sein Zuhause einmal so beschrieben:

„Sein Haus war in einem Grau gestrichen, wie man es von Kriegsschiffen kennt, hatte vorne eine breite Galerie und hinten eine mit Fliegengitter abgeschirmte Veranda… An seinen Pferdetränken hatte er kleine Leitern aus Kaninchendraht angebracht, die über die Kante des Beckens in Wasser ragten, damit kleinere Tiere, die in die Tränke gefallen waren, wieder aus eigener Kraft herausklettern konnten. Auf die eine oder andere Weise war jeder Tag, den er auf seiner Ranch verbrachte, Teil eines anhaltenden Segens.

In seinem Büro standen zwei Waffenkoffer mit einem Henry-Repetiergewehr, einer 1873 Winchester, einem.45-70 Springfield-Trapdoor-Hinterlader, wie ihn die Siebte Kavallerie bei der Schlacht am Little Big Horn eingesetzt hatte, einer Springfield M1903, einer deutschen Luger, einer neun-Millimeter-Beretta, einem Ruger Buntline .22 Magnum und dem modifizierten Navy Colt Kaliber .44, den sein Großvater, Old Hack, an dem Morgen getragen hatte, als er John Wesley Hardin aus dem Sattel fegte, ihn bewusstlos schlug und dann an einem Pferdewagen festkettete, um ihn ins Cuero-Gefängnis zu bringen… Hackberry liebte den Ort, an dem er lebte. Und er liebte es, im weichen Morgenlicht aufzuwachen und, wie schon sein Großvater vor ihm, noch vor dem Frühstück die Tiere zu füttern.“

John Wesley Hardin kommt prominent an anderes Stelle des September-CrimeMags vor, hier aber nun James Lee Burke zu seinem Buch. (AM)

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Foto (c) Frank Veronsky

James Lee Burke: Warum mir Deutschland wichtig ist

„Es freut mich außerordentlich, dass mein Werk wieder in Deutschland verlegt wird. Natürlich ist jeder Schriftsteller dankbar, wenn sich seine Leserschaft vergrößert, aber das deutsche Publikum ist mir noch aus anderen Gründen wichtig.
Kaum jemand hatte so großen Einfluss auf mein Leben und mein Schreiben wie Dr. John Neihardt, der Verfasser von „Black Elk Speaks“. Im Jahr 1957 war Dr. Neihardt mein Dozent für Kreatives Schreiben an der Universität von Missouri. Ich war nicht nur sein Schüler, sondern wurde auch sein Freund. Meine Frau und ich angelten oft an dem See auf seiner Weizenfarm in der Nähe von Columbia/ Missouri. Vor seinem Haus hatte er einen indianischen Gebetsgarten angelegt.

Dieser Gebetsgarten bestand aus einer Linie von schwarzen und einer Linie von roten Steinen, die von einem Kreis aus unbemalten Steinen umgeben waren. Der »rote Weg« symbolisierte das Gute, der »schwarze Weg« das Böse. Dort, wo sich die beiden Linien kreuzten, stand der Baum des Lebens.

Die Kreuzung der beiden Linien stellte eine Nachbildung der vier Quadranten des Universums dar, ganz im Einklang mit der heiligen Vision von Black Elk, der sowohl an der Schlacht um Little Big Horn teilgenommen hatte (wo General Custer den Tod fand) als auch beim Massaker von Wounded Knee zu gegen war, wo die Siebte Kavallerie im Jahre 1890 die Oglala Sioux niedermetzelte.

burke_Blak elkÜberall vergriffen, nur in Deutschland nicht

Die Symbole in diesem Garten repräsentierten die Wahl, vor die jeder gestellt wird – sowohl was die Verantwortung für das eigene Leben als auch für die physische Welt angeht, die ihrerseits nur eine Verlängerung der spirituellen ist. John Neihardt war ein herausragender Poet, Romanautor, Historiker und ein großer Mann. Ich habe viel von ihm gelernt, zum Beispiel auch, weshalb er seine deutschen Leser so sehr bewunderte. Während der Weltwirtschaftskrise in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren, so erzählte er, waren seine Bücher überall vergriffen – außer in Deutschland, wo die Mystik und Philosophie in seinen Werken sowie seine Schilderung des amerikanischen Westens großen Anklang fanden.

Genau wie ich glaubte auch John Neihardt, dass der amerikanische Westen eine große Freiluftkathedrale ist. Diese Verehrung für und die Ehrfurcht vor dem Westen wird von vielen deutschen Lesern geteilt. Und wer den Westen mit seinen Bergen, Wüsten und Flusslandschaften liebt, der liebt auch die Erde. Die Erhaltung und der Schutz der Erde ist die große Aufgabe, vor der wir heute stehen – es ist eine Schlacht, die wir nicht verlieren dürfen. Das zumindest ist die Botschaft, die ich in meinem Werk verkünden will. Es gibt viele verbrecherische Konzerne, die für ein paar Dollar die Erde in eine Wüste verwandeln würden. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass sich alle Menschen, die guten Willens sind, die Hände reichen und gemeinsam für die Rettung der Erde kämpfen. Deshalb bin ich so froh, dass meine Romane ins Deutsche übersetzt werden.

In der Bibel steht, dass die Erde ewiglich bleibt. Aber das ist nur möglich, wenn wir uns mit ganzer Hingabe um sie kümmern.

Ich hoffe, dass Ihnen „Glut und Asche“ gefallen wird. Ich persönlich glaube, dass es eines meiner besten Bücher ist, genau wie ich Sheriff Hackberry Holland für eine meiner besten Figuren und Preacher Jack Collins, den Antagonisten des Romans, für einen meiner faszinierendsten Bösewichte halte. Denn obwohl er zwischen zwei Buchdeckeln eingesperrt ist, macht er mir eine Heidenangst.

Mit den besten Wünschen,

James Lee Burke

(Nachwort für die deutsche Ausgabe, mit freundlicher Erlaubnis von JLB, Heyne Hardcore und Markus Nägele.)
(Fotos: JLB zwischen zwei Pferden: Parker McDavid; JLB sitzend: Frank Veronsky)

Regengoetter von James Lee BurkeJames Lee Burke: Glut und Asche (A Feast Day for Fools, 2011). Roman. Aus dem Amerikanischen von Daniel Müller. München, Heyne Hardcore 2015. Klappenbroschur, 704 Seiten. 17,99 Euro. Verlagsinformationen zu Buch und Webseite des Autors.

John G. Neihardt: Schwarzer Hirsch – Ich rufe mein Volk. Leben, Visionen und Vermächtnis des letzten großen Sehers der Ogalalla-Sioux. Authentische Aufzeichnung des Indianer-Forschers John Neihardt. (Black Elk Speaks: Being the Life Story of a Holy Man of the Oglala Sioux as told to John G. Neihardt, 1932). Göttingen, Lamuv Verlag, 13. Aufl. 2007.

John G. Neihardt: A Cycle of the West. The Song of Three Friends, The Song of Hugh Glass, The Song of Jed Smith, The Song of the Indian Wars, The Song of the Messiah. University of Nebraska Press, 544 Seiten, zuletzt 1992.

John G. Neihardt: A Cycle of the West. The Song of Three Friends, The Song of Hugh Glass, The Song of Jed Smith, The Song of the Indian Wars, The Song of the Messiah. University of Nebraska Press, 544 Seiten, zuletzt 1992.

Informationen zu John Neihardt hier und zu Häupting Black Elk.

Siehe auch das CM-Exclusive James Lee Burke über Charles Willeford. Zu den CM-Besprechungen von „Regengötter“ und „Sturm über New Orleans“.

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