Geschrieben am 6. April 2013 von für Bücher, Crimemag

James M. Cain: Abserviert

James_M._CainMaishülsenblond

– Neues vom Klassiker: James M. Cain: „Abserviert“, aus dem Nachlass ausgegraben, und dem Härtetest der Jetzt-Zeit unterzogen. Klaus Kamberger ist begeistert.

Keine Frage: Ein Glücksfall! Eine Trouvaille erster Ordnung! Na gut, eh wir jetzt noch den fälligen Jubelchor in C-Dur anstimmen, hier erst einmal der Grund: Mal endlich keine seriellen Leichenfunde, keine abgedrehten Psychopathen, nekrophilen Wiedergänger, lecteroiden Schreckfiguren und was sonst noch an Mystery-Absonderungen eine Krimiszene bevölkert, in der den Machern partout nichts mehr einfällt … Stattdessen: eine Story mit Hand und Fuß, so schnörkellos heruntererzählt, wie das eben nur die ganz Großen gekonnt haben. Und wenn einer dazugehört hat, dann war das doch wohl dieser James M. Cain, oder?
covercain300-1
The Postman Always Rings Twice„, „Mildred Pierce„, „Double Indemnity“, das sind ja längst echte „Klassiker“. Und nun dürfte noch einer dazu gekommen sein. Aus Cains Nachlass hat man ihn gerade ausgegraben. In den USA hat er prompt eingeschlagen, und jetzt gibt es ihn auch in deutscher Übersetzung: „The Cocktail Waitress“ bzw. „Abserviert“.

Joan ist eine verdammt attraktive Frau, katzenhaft, „maishülsenblond“, grüne Augen. Nachdem ihr Mann sich im Suff totgefahren hat, muss sie nun selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Als Kellnerin in einer Cocktail-Bar. Dort sorgen ihre weiblichen Reize für die nötigen Trinkgelder. Doch die Polizei lässt die arme Witwe leider nicht in Ruhe. Könnte sie ihren angetrauten Trunkenbold nicht in diesen tödlichen Unfall hineingetrieben haben? Und was war das dann mit ihrem zweiten, enorm reichen Ehemann, der sie in der Bar auftut, ihr total verfällt und sie zur Erbin seines Vermögens einsetzt? Sie hatte doch von seinen nicht mehr so recht belastbaren Herzkranzgefäßen gewusst, vor allem, wenn es um den Vollzug der Ehe geht. Auch wenn es kein Liebesakt mit ihr, seiner Frau, war, denn das wäre ja aufgefallen, dafür mit einer Liebesdienerin, die sie ihm ins Haus geholt hatte.

Nicht genug damit. Gefahr droht der armen, nun aber nicht mehr ganz so armen Joan auch noch von der eigenen Schwägerin. Die hat nämlich an ihrem Sohn aus erster Ehe einen Narren gefressen, sähe Joan nur zu gerne hinter Gittern und sich selbst als neue Mutter des kleinen Tad. Intrigiert sie nun nur herum, oder hat sie mit ihren Unterstellungen am Ende nicht ein bisschen Recht?

Der Schluss dieser raffinierten Story hat es dann noch einmal in sich. Unsere Ex-Cocktail-Kellnerin hat nämlich auch noch einen Freund, den sie, im Unterschied zu ihren Ex-Ehemännern, wirklich liebt. Und der ist am Ende auch noch tot. Kein Wunder, dass man sie nur zu gern für eine dreifache Mörderin hält. Zu Recht?

Cain erzählt Joans Geschichte aus ihrer Perspektive und in der Ich-Form (für Cain erst- und einmalig). Aber was er/sie uns da im Einzelnen zu erzählen hat, das lassen wir hier denn doch lieber mal offen.

Ym4wODg0Apropos

Dafür lieber noch zwei Apropos.

#1: Übersetzer sind gewöhnlich nur dann an der Reihe, wenn sie eins auf die Mütze bekommen müssen. Was ja leider viel zu oft der Fall ist. Das Duo (Simone Salitter und Gunter Blank), das hier am Werk war, darf dafür mal richtig gelobt werden. Die beiden treffen Cains Ton genau. (Viel genauer jedenfalls als diese Oberdeppen, die seinerzeit plötzlich bei der – zweiten – Verfilmung von Cains „Postman“ schon beim Titel praktisch alles falsch machten. Wo in Deutschland nennt man denn den Kerl, der die Briefe ins Haus bringt, den Postmann, und seit wann heißt „always“ auf Deutsch „wenn“? „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ – wer da nicht die Krise kriegt, gehört zurück in die Klippschule. Und wer auch nur ein wenig Englisch kann, weiß, dass diese Sprache voller Redewendungen ist, randvoll. Cains Original-Titel war und ist eine in den USA sehr geläufige Redewendung. Seit wann übersetzt man die wörtlich? Beispiel gefällig? Im Anglo-Raum regnet es bekanntlich Katzen und Hunde, bei uns Bindfäden. So einfach ist das. Der deutsche Titel der ersten Hollywood-Verfilmung des „Postman“ von 1946, noch vor dem Erscheinen der deutschen Ausgabe des Romans, hat es gar nicht erst versucht mit der Redewendung. Er hieß ganz banal „Im Netz der Leidenschaft“. Aber als das Buch dann bei uns herauskam, trug es schon einen besseren Titel: „Die Rechnung ohne den Wirt“; das ist zwar etwas um die Ecke gedacht, trifft aber den Sinn. Doch dann kam die Zweitverfilmung mit diesem Einheits-Dauer-Grimassenschneider namens Nicholson in der männlichen Hauptrolle heraus, und dem deutschen Verleih fiel nichts anderes ein als „Wenn der Postmann …“  Prompt entblödete sich der Heyne-Verlag nicht, das „Buch zum Film“ – das er eh schon im Programm hatte – nun plötzlich auch unter diesem idiotischen Titel neu herauszubringen. Gesetz der Vermarktung nennt man das. Leider blieb es nicht allein dabei. Auch die Neuübersetzung von 2011 bei Festa hat diesen Quatsch leider nicht mehr korrigiert.)

#2: In seinem Nachwort zur „Cocktail Waitress“ schildert Charles Ardai, der Verleger der amerikanischen Ausgabe, die abenteuerliche Geschichte der Ausgrabung dieses wunderbaren Fundstücks und seiner Rekonstruktion aus den Papieren, die in Cains Schubladen lagen. Man kann ihn nicht genug dafür loben.

Klaus Kamberger

James M. Cain: Abserviert (The Cocktail Waitress). Roman. Mit einem Nachwort von Charles Ardai. Deutsch von Simone Salitter und Gunter Blank. Berlin: Metrolit. 351 Seiten. 22,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

Foto Cain: wikimedia commons, gemeinfrei

Tags : , , ,