Tödliche Kreuzfahrt auf einem trostlosen Narrenschiff
– Slowakische Kriminalliteratur gehört nicht unbedingt zu der bekanntesten des Genres. Umso freudiger wird sie begrüßt, umso gespannter sind wir – und dann das! Stefan Linster is not amused …
Um gleich mit der Schwimmweste an Bord zu springen: Was uns der slowakische Autor Michal Hvorecký mit seiner Geschichte um eine Donaukreuzfahrt und deren Tourmanager tatsächlich erzählen wollte, mochte sich zumindest mir nicht mit Sicherheit erschließen. Und tatsächlich hätte ich den relativ dünnen, gefühlt jedoch nicht endenden Band sicher aus der Hand gelegt, wollte ich nicht, wie die Reise selbst, dann doch bis zum Schwarzen Meer und vielleicht auch noch hinter das »Geheimnis der letzten Schifffahrt« (vorvorletztes Kapitel) gelangen.
Trunksüchtiger Kapitän
So legt also in Regensburg die von einem trunksüchtigen Kapitän gesteuerte MS America mit über hundert amerikanischen Senioren zu einer Luxusreise auf der Donau ab, und mit ihnen Martin Roy, Slowake, Literaturwissenschaftler und eigentlich passionierter Übersetzer, der diese vorwiegend sensationslustigen, teils schon senil-moribunden Kreuzfahrer mittels allerlei Schrullen, überaus strapaziösen Besichtigungstouren und kulinarischen wie spirituosen Mitteln zu bändigen hat. In Wahrheit aber sind etliche seiner Anekdoten und Beschreibungen nur auf das begriffsstutzige Unterhaltungsbedürfnis seiner Gäste zurechtgeschnitten, wenn nicht schlicht erstunken und erlogen; der Luxus auf dem Schiff genauso Blendwerk wie die vielen Besichtigungstouren, bei denen etwa statt authentischer Gastronomie oft Großküchenverfütterung auf dem Plan steht; und die scheinbar so netten dienstbaren Geister des Kutters, zumeist Gestrandete aus den Anrainerstaaten der Donau, die wie Sklaven schuften und hausen müssen.
Eine Leiche, eine Leiche!
Ansonsten aber passiert nichts Nennenswertes, ach doch, Martin Roys Jugendliebe taucht völlig unvermittelt auf, alle 80 bis 90 Seiten geschieht ein Mord (die Leichen werden seemännisch entsorgt, um das Amüsement nicht zu stören) und endlich die Katastrophe schlechthin: Nach einem verheerenden Brand geht die MS America schon beinahe im Mündungsgebiet der Donau mit Mann und Maus unter, wobei gut ein Drittel davon zu Tode kommt.
http://www.youtube.com/watch?v=ESRfp72bom0
Jaja, eine Parabel
Obendrein wirkt das Ganze disparat aneinandergereiht, sprunghaft im Fortgang, nicht organisch zu einer Fabel verwoben, die Schilderungen des Tourmanagers bzw. des Erzählers sollen sicher eine Art Geo-Bio-Grafie der Donau, der zwischen altem Glanz und gesichtslosem Modernismus dümpelnden Flussstädte und mithin des südöstlichen Teils unseres Kontinents ergeben, also eine Parabel über das Verschwinden des Alten Europa sein, kommen jedoch lediglich wie mäßige Reiseführerprosa und den Medien entnommene Erkenntnisse über diese Vielvölkerregion einher, welche offenbar wieder an dumpfem Nationalismus, altem Schlendrian und neuem Mafiatum krankt. Wenn auch all dies stimmen mag, so gerät es hier genauso spröde, ja stereotyp wie die sich ständig wiederholenden Passagen über die tumben, immerzu »verwirrten« Amis und ihren noch stupideren Tourismus – was der Klappentext tatsächlich als »Satire« preist; wie die unmögliche Liebesgeschichte zwischen Martin und Mona … Und selbst als Entwicklungsroman leckt die Geschichte, denn zwar findet Martin nach der Katastrophe zu seinem wahren Leben als Übersetzer und sogar zu seiner wahren Bestimmung als Vater, doch eben nicht in Form einer Entwicklung, sondern sagen wir eher akzidentell. Schade eigentlich, dass soviel Potenzial Schiffbruch erleidet.
Aua!
Ein Wort noch zum Text selbst: Wie soll man es ausdrücken, auch hier wären havaristische Metaphern angebracht. Von den eigenartigen bis unnötigen Austriazismen (»Pensionisten«, »Kassier«) mal abgesehen, stolpert der Leser häufig über begriffliche Unschärfen – eine »Schwarzseeflotte« findet sich, der Kapitän nennt »Zertifikate« sein eigen statt der in der Schifffahrt üblichen Patente oder lässt die Maschinen »bremsen«, aber auch über waschechte grammatikalische Fehler. Und manche Sätze bleiben schlichtweg kryptisch, wie auch für die meisten von uns der exotisch-geheimnisvoll anmutende Fluss »Mohan«, welcher einfach nur unser hier slowakisch benamster Weißwurstäquator Main ist.
Schade, wie gesagt …
Stefan Linster
Michal Hvorecký: Tod auf der Donau (Dunaj v Amerike). Roman. Deutsch von Michael Stavarič. Stuttgart: Tropen bei Klett-Cotta 2012. 271 Seiten. 19,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.