Geschrieben am 2. August 2014 von für Bücher, Crimemag

Olen Steinhauer: Die Kairo-Affäre

Die Kairo Affaere von Olen SteinhauerWir müssen draußen bleiben …

– Die schärfsten Kritiker der Amis sind oft die Amis selbst. Gerade im Politthriller hat diese Haltung eine lange und großartige Tradition – denken wir an Autoren wie Ross Thomas, James Grady oder Robert Littell. Natürlich steht auf deren Büchern nicht „US-Kritik“ drauf … ihr kritischer Ansatz sitzt tiefer und funktioniert auf mehreren Ebenen. Und genau deswegen ist Olen Steinhauer dieser Tradition zuzurechnen. Das belegt auch sein neues Buch „Die Kairo Affäre“. Thomas Wörtche hat es gelesen.

Eine wesentliche Qualität von Olen Steinhauers Politthrillern lag schon immer darin, den zunehmenden Bedeutungsverlust der USA im „großen Spiel“ um die globale Macht als Subtext mitlaufen zu lassen. Das war in der Trilogie um den ausgebrannten Agenten Milo Weaver so – dort wurden die Chinesen als Weltmacht immer sichtbarer, bis zu dem Punkt, dass innerchinesische Querelen und Machtkämpfe direkte Konsequenzen für die Funktionstüchtigkeit der amerikanischen Geheimdienste hatten.

In seinem neuen Roman, „Die Kairo Affäre“, fährt Steinhauer mit seiner subtilen Demontage amerikanischer Omnipotenzvorstellungen fort. Ein Langley-Analyst bemerkt, dass während der libyschen Revolution 2011 (da spielt der Roman) ein alter CIA-Plan zur Unterstützung der Anti-Gaddafi-Fraktion umgesetzt wird, den die USA allerdings schon längst auf Eis gelegt hatten, um sich in der Region nicht noch unbeliebter zu machen, als sie es sowieso schon sind. Als der Analyst merkt, dass da etwas ganz Gegenteiliges umgesetzt wird – nämlich überall auf der Welt libysche Oppositionelle anscheinend von Schergen Gaddafis umgebracht werden – fällt der Verdacht auf einen Maulwurf innerhalb der CIA. Und somit wäre die Dramaturgie eines klassischen John-Le-Carré-Thrillers aus dem Kalten Krieg erwartbar.

Blutiger Idealismus

Aber nicht von Steinhauer. Natürlich spielt er virtuos mit dem Maulwurf-Klischee und seziert ganz nebenbei die Karriere eines amerikanischen Ehepaares: Beide möchten voller Idealismus in der Weltpolitik mitmischen, beide lassen sich bald manipulieren und korrumpieren (am Anfang zusammen, später ein jeglicher auf verschiedenen Wegen) und am Ende geht es darum, wer überlebt. Raffiniert baut Steinhauer neben diesen zwar brillant erzählten, aber durchaus konventionellen Szenen einer Ehe eine zweite Ebene auf: Während die CIA sozusagen geheimdienstliche Nabelschau auf der Maulwurfsuche betreibt, sind die ägyptischen Kollegen schon längst weiter. Sie wittern den arabischen Frühling auch für ihr Land, falls sich Gaddafi nicht halten kann, und bauen Sicherheitsreißleinen ein. Die CIA und die USA sind dabei nur unwesentliche Spielklötzchen, die schon im Balkan-Krieg der 1990er gepfuscht haben, was ihnen jetzt wie ein Bumerang auf die Füße fällt.

Der methodische Zweifel …

Steinhauer erzählt wie immer ausgefuchst, mit Zeit- und Ortsprüngen, mit allen Perspektivwechseln die einer starken auktorialen Position zur Verfügung stehen. Die „Kairo-Affäre“ ist deswegen in erster Linie ein literarisch sehr gelungener „psychologischer Spionage-Roman“ und weniger ein Thesenroman über die Region, in der er spielt. Die Brisanz und die Sprengkraft des Buches liegen dennoch in seinen Implikationen. Das macht die Lektüre erheblich erfreulicher, als es eine sensationalistische Dramaturgie mit einfacher Message geschafft hätte. Dass die Welt ein undurchsichtiger, gefährlicher, von Zufällen und von gleichgültigem, wechselhaftem Kalkül dominierter Ort ist, spielt Steinhauer auf allen Ebenen menschlichen Zusammenlebens durch. Das Private ist sowieso politisch und deswegen extrem prekär und kann jederzeit tödlich werden. In Kairo und anderswo.

Thomas Wörtche

Olen Steinhauer: Die Kairo-Affäre (The Cairo Affair, 2014). Roman. Deutsch von Rudolf Hermstein. München: Blessing 2014. 494 Seiten 19,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch die Website des Autors.
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