Geschrieben am 17. Dezember 2011 von für Bücher, Crimemag

Rita Falk: Schweinskopf al dente

Der Sarrazin-Faktor

– Wenn aus Büchern Bestseller werden, hat das meistens Gründe, auch wenn man sie manchmal schwer benennen kann. Manchmal aber ist es gar nicht schwer: Rita Falk macht in „Schweinskopf al dente“ mit Fremdenfeindlichkeit Kasse. Ulrich Noller seziert den Seller.

Gefühlswallungen in Großmarktdosis, Autor mit Fernsehfresse, magische Wesen samt Zauberkräften, melancholische Skandinavier, Hämorrhoiden vs. Oralsex und manchmal sogar richtig gute Literatur – die Gründe, warum Geschichten zu Büchern und dieselben dann zu Bestsellern werden, sind so verschieden. wie der Lesemarkt vielfältig ist.

Allerdings funktionieren bestimmte Muster zu bestimmten Zeiten schon besonders erfolgreich. So wie zurzeit der provinzielle Pseudokrimi mit Bayerntouch im Stil der Allgäuer Komödianten Klüpfel und Kobr. Deren griesgrämiger Kommissar Kluftinger bekommt in Sachen Chart-Erfolg neuerdings Konkurrenz aus Oberbayern: „Schweinskopf al dente“, der aktuelle „Provinzkrimi“ der Schenkelklopferin Rita Falk, ist direkt nach Erscheinen in die Top Ten der Verkaufslisten geknallt, aus denen sein Vorgänger „Winterkartoffelknödel“ sich eben erst verabschiedet hatte. Eine Erfolgsstory. Aber: was für eine, eigentlich?

Was?

Falks Kluftinger heißt Franz Eberhofer, er ist um die Vierzig, lebt mit Vater und Großmutter auf einem alten Hof, kümmert sich als kleiner Polizist ums alltägliche „Verbrechen“ in einem Kaff namens Niederkaltenkirchen, wird dann regelmäßig in „richtige“ Verbrechen verstrickt, die er schlau und stur zu lösen weiß, immer im Clinch mit dem Bürgermeister und selten ohne gute 200 Seiten lang seinen Senf zur Lage der Welt zum Besten gegeben zu haben.

Diesmal geht’s um den Richter Moratschek, der von einem Psychopathen verfolgt und bedroht wird, was ihm aber keiner glaubt, außer dem gut genährten Franz natürlich, der zentnerweise Schnitzel und Würste und Speck und Fleischpflanzerl und Leberkäs mampfen muss, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein.

Wie?

Ein Konzept, das so wenig inspiriert wie ausnehmend erfolgreich, also: schlau ist. Aber auch eine hölzern konstruierte, unoriginell geplottete Story, deren fassadenhaft agierende Charaktere bloß eine Aufgabe haben: den Kalauern des Ich-Erzählers Eberhofer eine Begleitmusik zu liefern, sodass es letzten Endes über 200 Seiten und zum nächsten, nächsten, nächsten Bestseller reicht.

Was alles an sich ja nicht weiter schlimm wäre – noch so ein pseudobajuwarischer Comedyquark halt –, wäre da nicht die unselige Art, mit der der Ich-Erzähler (und seine Autorin) Minderheiten abkanzeln. Waren es in „Winterkartoffelknödel“ noch die Schwulen und die „Neger“, so kriegen dieses Mal die Italiener und die Türken ihr Fett weg. Nicht dass über sie hergezogen wird ist dabei das Problem, sondern wie: herzlos, hämisch und ohne dramaturgischen Sinn. Hinter dem Deckmäntelchen des Humors schimmert etwas durch, was in keiner Bestsellerliste etwas zu suchen haben sollte: Fremdenfeindlichkeit.

Intelligenter Rassismus?

Nicht direkt, nicht offen, schließlich ist dies hier ein moderner und intelligenter Rassismus. „Die Özdemirs wohnen in einem alten Bungalow, einem Relikt aus den frühen Siebzigern, und sie wohnen zur Miete dort. Den Eigentümer kenn ich, der baut alle zehn Jahre neu, weil ihm das alte Haus immer zu schäbig wird und er es dann eben vermietet. Und weil er das Haus jeweils im Urzustand vermietet, kriegt er halt auch keine gescheiten Mieter, gell. Höchstens Sozialhilfefälle. Oder eben Türken.“

Ja ja, das sagt nicht die Falk, das denkt der Eberhofer, ihr Erzähler. Der ein bayerischer Dorfpolizist ist. Aber – schon klar, oder? Und für alle, die’s da noch nicht ganz kapiert haben, legt die gute Frau Falk mit ihrem Helden halt noch einen drauf:

„Wobei man ja schon sagen muss, den Türken fällt so was ja gar nicht auf, glaub ich. Ich war nämlich schon einmal in der Türkei und weiß genau, wie die dort hausen. Da ist ja dieser grindige Bungalow praktisch das reinste Neuschwanstein dagegen. Das muss man jetzt schon einmal sagen.“

Das muss man jetzt schon mal sagen. Soso. Sagen dürfen. Abgesehen davon trägt der türkische Vater natürlich ein Kleid und raucht Wasserpfeife, lässt sich von seiner verschleierten Frau bedienen, will seine Tochter zwangsverheiraten, hat einen Sohn, der – immerhin – ganz gut Fußball spielen könnte, wäre er nicht – ach, die Türken! – so übergewichtig. Alle zusammen leben in einer Wohnung, die einem Beduinenzelt gleicht, mit Perserteppichen, in denen man versinkt. Und, tja, die Tochter ist sackhässlich, weshalb man es auch irgendwie verstehen kann, dass der Vater ja irgendwie heilfroh sein muss, wenn er sie wenigstens durch eine zwangsweise Verehelichung unter die Haube bekommen kann und so weiter und so fort. Und als die Tochter sich irgendwann befreit, macht sie sich an ihren steinalten Uniprofessor ran, der dafür – als einzige Figur in dieser Geschichte – mit dem Tod bestraft werden muss.  Ja, geht’s noch?

Stinknormal?

Sagen wir so: Klar, ein stinknormaler, bayerischer Dorfpolizist, der kann und darf so denken. Eine Autorin, die ihren bayerischen Dorfpolizisten jenseits des zentralen Plots ihrer Geschichte extra eine – dramaturgisch unnötige – Schleife ziehen lässt, um solche Dummheiten und Klischees zu verbreiten, die muss sich schon fragen lassen, was sie damit eigentlich bezweckt. Und zwar exakt in einer Zeit, in der man fassungslos auf eine Terrorzelle guckt, deren Mitglieder jahrelang unbehelligt durchs Land gezogen sind, um das mit Waffen zu erledigen, was andere mit Worten in Gang gesetzt haben. Immerhin, Türkenfeindlichkeit kann man der Frau Falk nicht unterstellen, auch die Italiener müssen einstecken, und zwar dicke.

Warum?

Interessant zu wissen wäre übrigens, ob „Schweinskopf al dente“ deshalb weggeht wie warme Semmeln, weil die Käufer den Eberhofer und sein Stolpern durch die bayerische Provinzposse so lustig finden – oder aber, weil bei Rita Falk die minderheitenfeindlichen Reflexe, die man so hat, hinter einem Anstrich schenkelklopfender Ironie erwartbar und auf den Punkt bedient werden. Das wäre dann neben den Gefühlswallungen, den Fernsehnasen, den Melancholikern und den Hämorrhoiden noch ein weiterer Aspekt, warum eine Geschichte zum Besteller werden kann: der Sarrazin-Faktor.

Ulrich Noller

Rita Falk: Schweinskopf al dente. Ein Provinzkrimi. Roman. München: dtv Premium 2011. 240 Seiten. 14,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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