Geschrieben am 18. Mai 2013 von für Bücher, Crimemag

Roberto Ampuero: Der letzte Tango des Salvador Allende

der_letzte_tango_des_salvador_allende_1200Die Akte Allende

– Bis heute gehen in Chile am 11. September viele Menschen auf die Straße, um des Staatsstreichs von 1973 zu gedenken. Und am Grab des damals von seinem Oberbefehlshaber Augusto Pinochet aus dem Amt gejagten Salvador Allende auf dem Zentralfriedhof von Santiago wird dann dem während des Putsches erschossenen, demokratisch gewählten Präsidenten die Ehre erwiesen.

Erst vor noch nicht einmal zwei Jahren hat die chilenische Justiz die Akte Salvador Allende endgültig geschlossen. Es ist nun erwiesen, dass er während des Staatsstreiches im Präsidentenpalast Selbstmord begangen hat. Angesichts des anhaltenden Interesses für den ehemaligen Präsidenten nimmt es nicht Wunder, dass Roberto Ampueros Roman „Der letzte Tango des Salvador Allende“ in Chile monatelang die Bestsellerlisten angeführt hat.

Ampuero hat jedoch schon überzeugendere Roman geschrieben, so Eva Karnofsky.

In Ampueros neuem Buch begegnen wir dem Arzt und Politiker Allende im Tagebuch des fiktiven Bäckers Rufino, der in den Monaten vor Pinochets Staatsstreich zunächst als Bote und dann als Koch für den sozialistischen Präsidenten gearbeitet hat. Seine Bäckerei hatte Rufino schließen müssen, weil es in den Monaten vor dem Putsch kein Mehl mehr gab. Die Großhändler hielten es zurück, um Allende und seine linke Volksfrontregierung in die Knie zu zwingen.

Sowohl Rufino als auch Allende stammen, wie übrigens auch Roberto Ampuero, aus Valparaíso. Der Bäcker und der Präsident haben sich im Roman in ihrer Jugend kennengelernt, als sie beide in Valparaíso regelmäßig in der Schusterei eines Anarchisten an politischen Schulungen teilnahmen.

Nun kommt Allende Abend für Abend zu Rufino in die Küche, um bei einem guten Whisky und Tangoklängen Schach zu spielen und sich mit ihm über die aktuelle politische Situation zu unterhalten. Die Vereinigten Staaten haben die Kredite gekürzt und finanzieren Streiks, die Sowjetunion ist nicht zu Lebensmittelhilfen bereit, und die Straßen haben sich in Schlachtfelder verwandelt, auf denen sich Rechte und Linke gnadenlos bekämpfen.

Politik und Tango

Ampuero nutzt Rufinos in der Ich-Form geschriebenes Tagebuch nicht nur zur Schilderung der chaotischen Zustände in Chile vor dem Putsch, sondern vor allem auch, um Salvador Allende zu porträtieren, wobei das Bild des ehemaligen Präsidenten zwar von Hochachtung geprägt ist, aber doch durchaus differenziert ausfällt: Einerseits schwelgte Allende, der aus wohlhabendem Hause stammte, gern im Luxus und betrog ständig seine Frau, andererseits bemühte sich der Sozialist und Idealist immer, die einfachen Menschen zu verstehen und politisch für sie Partei zu ergreifen. Er war dafür zu jedem Opfer bereit.

Während sie Tango hören, kommen Allende und sein Koch auch immer wieder auf die Tango-Texte zu sprechen, wobei dem Präsidenten besonders die mit politischem Inhalt gefallen. Auch vielen Kapiteln stellt Ampuero Tangotexte voran, die in einem Zusammenhang mit dem Inhalt stehen.

Auf andere Kapitel wird mit Zitaten aus der englischsprachigen Rock- und Popmusik eingestimmt. Die Rahmenhandlung des von Carsten Regling sauber übersetzten Romans, in die der Autor das Tagebuch Rufinos einbettet, dreht sich nämlich um den Amerikaner David Kurtz, der zu Zeiten Allendes für den US-Geheimdienst CIA in Chile war, mit dem Auftrag, zur weiteren Destabilisierung der Volksfrontregierung beizutragen. Kurtz kehrt Anfang der Neunzigerjahre nach Chile zurück, weil seine Tochter ihm vor ihrem Krebstod nicht nur Rufinos Tagebuch anvertraut, sondern ihn auch damit beauftragt hat, die Urne mit ihrer Asche ihrer großen Liebe in Chile zu übergeben. Die Suche nach diesem Mann führt den Ex-Agenten zurück in die eigene Vergangenheit, aber auch in die Kreise der Ultra-Linken, die damals Allende ebenfalls das Leben schwer gemacht hatten.

An den Haaren herbeigezogen …

Roberto Ampuero ist für spannende Kriminalromane bekannt und auch Ex-Spion Kurtz schlüpft nun in die Rolle eines Detektivs, um den ehemaligen Geliebten der Tochter aufzuspüren.

Ampueros Ermittler reisen in all seinen Büchern in eines oder mehrere Länder, in denen der Autor während seines eigenen Exils nach dem chilenischen Militärputsch gelebt hat. So muss auch David Kurtz nach Leipzig fliegen, wo er sich des Nachts – natürlich am Völkerschlachtdenkmal – mit einem Vertreter des ultralinken Exils trifft.

Auf die reichlich an den Haaren herbeigezogene Leipziger Episode, der einzigen, in der es im Roman zu Gewalt kommt, hätte der Autor durchaus verzichten können, denn sie lenkt nur vom sorgfältig gezeichneten Allende-Porträt ab. Man könnte fast glauben, Ampuero hat sie in den Roman eingebaut, um ein breiteres Publikum zu gewinnen.

Dieser Eindruck drängt sich auch bei der Liebesaffäre von David Kurtz mit einer um Jahrzehnte jüngeren Tarot-Kartenlegerin auf. Sieht man davon ab, ist „Der letzte Tango des Salvador Allende“ eine interessante literarische Reise durch das politische Chile vor dem Putsch. Zumal Autor Roberto Ampuero auch näher darauf eingeht, wie Allende damals durch einen seiner engsten Vertrauten schmählich verraten worden ist: Er hieß General Augusto Pinochet.

Eva Karnofsky

Roberto Ampuero: Der letzte Tango des Salvador Allende (El último tango de Salvador Allende, 2012). Deutsch von Carsten Regling. Belrin: Bloomsbury Berlin 2013. 445 Seiten. 18,99 Euro.

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