Geschrieben am 19. September 2017 von für Bücher, Crimemag

Roman: Graham Norton: Ein irischer Dorfpolizist

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Grüner wird’s nicht

von Frank Schorneck

„Es war in der Einwohnerschaft von Duneen weitgehend akzeptiert, dass, sollte ein Verbrechen geschehen und es Sergeant Collins gelingen, den Täter festzunehmen, dieser Verhaftung wohl kaum eine Verfolgung zu Fuß vorausginge.“ – Sergeant PJ Collins war schon dick, bevor er seinen Dienst in Duneen antrat, einem südirischen Kaff, das verschlafen zu nennen noch ein Euphemismus wäre. Ein Polizeialltag, der zwischen den reichhaltigen, von der fürsorglichen Haushälterin zubereiteten Mahlzeiten noch so manche zusätzliche Leckerei bereit hält und ansonsten weder geistige noch körperliche Beweglichkeit erfordert, hat ein Übriges getan. Als auf einer Baustelle menschliche Knochen gefunden werden, soll sich PJs Leben jedoch schlagartig ändern.

Auch wenn der erste Satz des Romans diese Richtung vorzugeben scheint, macht sich Graham Norton keinesfalls lustig über seinen ungewöhnlichen Ermittler – vielmehr wächst einem diese unförmige, in eine Uniform gezwängte Gestalt schnell ans Herz. Am Fundort des Skelettes wirkt er unbeholfen und dem großspurig auftretenden Kriminalbeamten aus Cork hat er zunächst nur wenig entgegenzusetzen. Fast kommt da beim Leser ein wenig Mitleid auf.

PJ war stets ein Außenseiter in der Dorfgemeinschaft. Nicht nur seine Fettleibigkeit und seine Uniform haben dazu beigetragen – sondern vor allem die Tatsache, dass er stets der „Zugezogene“ war. In die dunklen Geheimnisse des Dorfes war er nie eingeweiht, sonst hätte er seine eigenen Schlüsse ziehen können, als sich herausstellt, dass die Knochen bereits vor zwanzig Jahren verscharrt wurden. Und dass ihm die Ermittlungsarbeit gleich die Aufmerksamkeit zweier Frauen beschert, ist für PJ eine gänzlich neue Situation …

Graham Norton ist ein in seiner irischen Heimat angesehener Schauspieler, Fernsehmoderator und Comedian. Die komische Ader pulsiert auch in seinem Romandebüt, wenn er das Provinzleben vorführt. Der Irland-Urlauber kennt diese Dörfer, die es geschafft haben, „dem Internet durch die Maschen zu schlüpfen“ und die das Smartphone zu einem nutzlosen Gegenstand machen. Er kennt die kleinen Läden, die sich mit Dorfklatsch am Verkaufstresen gegen den nächstgelegenen SuperValue aufbäumen. Norton spielt mit diesen Irland-Klischees, ohne sie ins Groteske abgleiten zu lassen. Was die wahre Qualität des Romans ausmacht, sind aber die feinen Psychogramme der diversen Charaktere, die durch den Leichenfund aus der Bahn geworfen werden. Norton schmückt die Schicksale seiner Protagonisten detailverliebt aus, sein auktorialer Erzähler schlüpft abwechselnd in das Seelenleben der Figuren, taucht ein in Depressionen und Alkoholismus.

Als Krimi funktioniert der „Dorfpolizist“ hingegen nur bedingt, denn die Spannung bleibt leider schnell auf der Strecke. Weit vor den handelnden Personen sind dem Leser einige Zusammenhänge klar und der Showdown enttäuscht geradezu. „Ein irischer Dorfpolizist“ kommt eher altbacken und sehr behäbig im Stil eines „Inspektor Barnaby“ daher – Irland-Fans werden jedoch sicherlich ihre Freude haben. Eine nette und kurzweilige Urlaubslektüre ist der Roman allemal.

Frank Schorneck

Graham Norton: Ein irischer Dorfpolizist. Deutsch von Karolina Fell. Kindler Verlag, München 2017. 336 Seiten, 19,95 Euro.

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