Geschrieben am 26. Mai 2012 von für Bücher, Crimemag

Stephan Ludwig: Zorn – Tod und Regen

Die unendliche Geschichte gottlosen Gemetzels

– Hämmern, quälen, schlachten, ja, was für eine Gaudi! Und was für ein Hype um „Zorn – Tod und Regen“ von Stephan Ludwig. Unser Rezensent Stefan Linster hat sich einen Wolf geärgert …

Zugegeben, ich bin selbst schuld, hätte ich nach den ersten Seiten, genauer gesagt nach Kapitel Eins doch auf mein Gefühl gehört und das Ding in die Ecke geknallt. Splattergesudel und krude Psychopathentaten sind schließlich meine Sache nicht. Allerdings bestand im zweiten ja noch die vage Hoffnung, es würde sich alles irgendwie fügen, das Ermittlergespann Claudius Zorn und „der dicke Schröder“ (wie heißt der Kerl eigentlich mit Vornamen?) könnte zumindest so kurzweilig ermitteln, dass ich doch noch leidlich unterhalten würde. Erster Kriminalhauptkommissar Zorn ist nämlich ein stinkfauler Chaot und Kampfraucher, oft erfrischend zynisch, hat im Grunde von nichts Ahnung, wie auch keinen Schimmer, warum er überhaupt Polizist geworden ist, und hasst so ziemlich alles, was andere Leute mögen (Sushi etwa) oder wenn nicht erfreulich, so doch praktisch finden wie öffentliche Verkehrsmittel oder Augengläser. Schröder, ebenfalls KHK, besticht hinwiederum durch ein brillantes Gedächtnis und trockene Genialität, die unerschütterliche Freundlichkeit und Treue gegenüber seinem Vorgesetzten und den unbändigen Drang zur Wahrheitsfindung. Dass die beiden nicht nur vom Wesen her Antonyme ihrer Namen sind, sondern sich auch sonst (der eine stattlich und gutaussehend, der andere klein, dick eben und unscheinbar) wie Pat und Patachon oder Don Quijote und Sancho Pansa ergänzen, versteht sich. Und mit Ticks, Marotten und Selbstgesprächen kann dieses Komikerduo auch noch aufwarten.

Die große Trommel

Auf solch bewährten Pfaden, mit derart erprobten, lieb gewonnenen Klischees hätte sich doch was machen lassen … aber nein, Stephan Ludwig musste ja unbedingt die große Trommel schlagen und die hundertste Geschichte um einen serbischen, Pardon, kroatischen Kriegsverbrecher konstruieren, welcher dazu noch kraft ausnehmender Brutalität und blutigster Morde ins Walhall der Menschenverachtung scheint eingehen zu wollen. Wer mit leichter Hand solche Sätze wie

Es dauerte drei Stunden, bis sie den Verstand verlor, und weitere zwei, bis sie endlich sterben durfte. (S. 13)

zu Papier bringt und anscheinend nichts dabei findet, wenn seine Übeltäter obige „sie“ mithilfe allerlei spitzer und scharfer Gerätschaften so lange traktieren, bis diese verblutet (klar, die Bedauernswerte war gnädig mit stärksten Schmerzmitteln bedient) oder einer anderen Frau mit rund einem Dutzend Hämmer nicht ganz sämtliche 206 bis 212 Knochen im Leib zertrümmern, dafür aber die meisten mehrfach und ohne Sedativum, der darf, der muss sich von der Kritik schon fragen lassen, wie weit so was noch getrieben werden kann und wo es denn endet. Zumal der balkanische Unhold, abgesehen von seiner – nach Dafürhalten des Autors doch hoffentlich nicht genuinen? – Lust am Töten natürlich, all dies und Schreckliches mehr nur deshalb unternimmt, weil er den Unfalltod seines Sohnes rächen will, von dessen Existenz er bis zu dem Unglück gar nichts wusste, geschweige denn sich um selbige geschert hätte.

Überflüssig

Vieles in diesem Roman gerät völlig übertrieben, unnötig blutrünstig, fragwürdig im Fortgang, wäre höchstens noch erträglich in einem 90-Minuten-Fernsehkrimi, bei dem eine barmherzige und gescheite Regie plausibel gestrafft, abgeblendet, optimiert hätte.

Stattdessen bedarf es einer geradezu apokalyptischen Sintflut (der Titel ließ es befürchten, es regnet gar viel) und der Selbsttötung eines durch gewiss übelste Erpressung genötigten Handlangers, wobei dieser sich selbst, den Kroaten als auch den alten riesigen Gasometer der ungenannten „mitteldeutschen Großstadt“ unseres Krimis höchst fachmännisch und spektakulär in die Luft sprengt, um dem Furor, dem ganzen Schlamassel schließlich ein Ende zu setzen.

Welch Drohung!

Und da Schröder in all der Konfusion bestialisch abgestochen wird, wähnt man die Abenteuer des Duos hiermit für beendet, doch weit gefehlt, der Mann genest! Eine zuvorkommend angehängte Leseprobe verheißt uns nämlich: „Claudius Zorn und der dicke Schröder ermitteln weiter.“ Sicher ohne mich, sollte da nicht grundlegende Besserung eintreten. Noch einmal stehe ich solche Gemetzel wirklich nicht durch.

Eins noch: Recht ärgerlich könnte es diesbezüglich empfindlichen Lesern aufstoßen, dass sie gleich auf U1 mit dem holographischen Aufkleber „Unbedingt lesen!“ behelligt und auf dem beigefügten Lesezeichen darüber belehrt werden, dies sei der neue Bestseller, obwohl das Machwerk gerade mal ein paar Tage heraus und der Autor bislang unbekannt ist. Werbung ist alles … oder doch nicht?

Stefan Linster

Stephan Ludwig: Zorn – Tod und Regen. Krimi. Frankfurt am Main (Fischer) 2012. 368 Seiten. 8,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch .

 

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