Geschrieben am 19. April 2010 von für Bücher, Crimemag

Zurdo & Gutiérrez: Janus – Im Zeichen des Sturms

Thriller nach Rezeptur

Weltuntergangsthriller müssen schon ziemlich originell sein, um überhaupt eine Chance bei einigermaßen kompetenten LeserInnen zu haben. Nicht gut, wenn sie aus Standardmodulen zusammengekleistert sind. SUSANNA MENDE hat so ein Teil auseinandergenommen …

Rezepte in einem Kochbuch sind stets so strukturiert, dass man erst einmal eine Auflistung der Zutaten (samt Mengenangaben) hat, der dann die Art der Zubereitung (braten, dünsten, marinieren etc.) folgt. Manche Rezepte sind unglaublich raffiniert, andere hingegen so bodenständig, dass man deren Zutaten stets im Schrank hat. An letztere denkt man schon auf halber Strecke der Lektüre des Thrillers Janus – Im Zeichen des Sturms, dessen Zutatenliste sich folgendermaßen liest:

Handlung:

ein drohender Weltuntergang;

ein allmächtiges Computerprogramm;

eine handfeste Verschwörung, um die chinesische Wirtschaft maßgeblich zu schwächen und somit die Vormachtstellung der USA zu sichern;

ein gottverlassenes Kaff an der kanadischen Grenze, wo in einer ehemaligen Militärbasis schlimme Menschenversuche durchgeführt wurden;

ein veritabler Showdown und die Rettung der Welt in letzter Minute.

Wichtige Personen:

eine ermordete, schwangere Frau, deren Mann, ein integrer, mit moralischen Bedenken versehener Computerwissenschaftler, Rache nehmen will und sich dann zum Wohle der Menschheit besinnt;

eine junge, hartgesottene und zynische FBI-Agentin mit traumatischer Kindheit;

ein bisschen Vietnam-Revival durch einen Erinnerungsstrang ihres Vaters, der ebenfalls beim FBI ist;

ein martialischer General, der den Dienst am Vaterland (USA) über alles stellt;

ein verrückt gewordener Ex-Gefangener der Militärbasis, der sein Unwesen treibt.

Den Tortenboden des Ganzen bildet ein real existierendes Forschungsprojekt an der Princeton University namens „Global Consciousness Project“, das zu zeigen versucht, dass ein „globales Bewusstsein“ durch eine kollektive Reaktion Ereignisse von großer Tragweite messbar vorwegnehmen und so als Früherkennungssystem für Attentate und Katastrophen dienen kann.

Lachesis

Dies ist der Ausgangspunkt der Geschichte: Die – real nicht existierende – Abteilung Lachesis beim FBI empfängt über ihr Computersystem ein Signal, das eindeutig auf eine bevorstehende Katastrophe hinweist. Nachdem Ort und Zeitpunkt des wahrscheinlich schrecklichen Ereignisses festgestellt wurden, wird die junge FBI-Agentin Maia Kensington, genannt Kens, losgeschickt, um herauszufinden, um was für eine Katastrophe es sich handelt und diese zu verhindern; dazu bleiben ihr gerade mal 25 Stunden (Jack Bauer lässt schön grüßen). Auch der Wissenschaftler Ian Moone, der soeben durch einen Anschlag seine junge, schwangere Frau verloren hat, steuert, wenn auch unbewusst, diesen Ort an.

Dieses ungleiche Paar, das aber eindeutig auf der Seite der Guten steht, findet natürlich zusammen und kämpft gemeinsam gegen das drohende Böse. Während Kens Vater, der die Abteilung Lachesis leitet, aus der Ferne über seine Tochter wacht, kämpft diese sowohl gegen die verschrobene Mentalität der Dorfbewohner an als auch gegen die dramatische Wetterlage (Eiseskälte und Schneesturm) und ahnt nicht, dass ihr Mitstreiter der Wissenschaftler ist, der das sogenannte Janus-Programm entwickelt hat, mit dem sich die US-amerikanische Regierung den Zugriff auf sämtliche Computersysteme der Welt sichern möchte und der durch das Einschleusen dieses Programms in ein Computersystem die Büchse der Pandora geöffnet hat, die nur er wieder schließen kann – was ihm schließlich auch in letzter Minute gelingt.

Is` gut

Ein Computerprogramm, das alle anderen Computerprogramme der Welt beherrscht? Ein einzelner Wissenschaftler, der dieses Programm geschrieben hat und steuern kann? Ein globales Bewusstsein? Eine einzelne FBI-Agentin als Vorhut? Eine heimtückische Verschwörung der Amerikaner, um Nordkorea und China zum eigenen Vorteil in einen Krieg zu zwingen? Das sind so grobe Vereinfachungen sowohl technischer als auch politischer und ermittlungstechnischer Rahmenbedingungen und Verhältnisse, dass man sich über einen handwerklich recht ordentlich konstruierten Plot beinahe wundern möchte.

Die Welt ist ein komplexer Ort, und einem guten Thriller gelingt es anhand seines sorgfältig recherchierten Themas und spezifischer literarischer Verfahren zumindest einen Ausschnitt dieser Komplexität spannend und wirklichkeitsgerecht darzustellen. Am Grad des Interesses an dieser Wirklichkeit – und hier will ja hohe Politik verhandelt werden – lässt sich eine der Grundqualitäten dieses Genres bemessen. Janus – im Zeichen des Sturms bedient sich lediglich einer Anzahl Klischees thematischer und psychologischer Natur aus dem Handbuch der Spannungsliteratur. Das lässt sich ohne Verlust vom Speiseplan streichen.

Und noch eine Anmerkung zum Autorenduo bzw. dem, was uns der deutsche Verlag über die Herren im Klappentext verrät: David Zurdo und Ángel Gutiérrez haben Ingenieurwesen und Physik studiert und arbeiten als Journalisten u.a. zu den Themen Grenzwissenschaften und übersinnliche Phänomene. Soweit so gut, aber: Sind die beiden denn Spanier oder Lateinamerikaner? Behauptet wird lediglich, dass sie mit ihrem letzten Mystery-Thriller einen Bestseller gelandet haben sollen. Nur komisch, dass darüber sonst nirgendwo etwas zu finden ist.

Susanna Mende

Zurdo & Gutiérrez: Janus – Im Zeichen des Sturms (La Señal, 2008).
Aus dem Spanischen von Alice Jakubeit.
München: Knaur 2010. 443 Seiten. 14,85 Euro.

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