Krause, Kritik und Risiko
David Krause hat im vergangenen Jahr den Leonce-und-Lena-Preis erhalten. In der Laudatio auf ihn wurde gelobt, Krause gehe „ein hohes ästhetisches Risiko ein: Er wagt noch einmal wie am ersten Tag unmittelbar sinnlich von den Dingen zu sprechen.“ Nachdem sein lyrisches Debüt „Die Umschreibung des Flusses“ dieses Jahr dann beim Poetenladen Verlag erschienen ist, wiederholte der Rezensent Gerrit Wustmann das Lob vom hohen ästhetischen Risiko (leider ebenfalls, ohne es belegen zu können), und das mit folgendem Zusatz:
„Das ist eine Feststellung, die erschaudern lassen muss. Wenn Sinnlichkeit heute „ein hohes ästhetisches Risiko“ ist, ein Wagnis gar, wie schlecht muss es dann um die Gegenwartslyrik stehen? Sollte das tatsächlich so sein, dann kann man nur wünschen, dass bald wieder viele Dichter dieses Risiko eingehen.“1
Es hat immer etwas von Schnellschuss und Unredlichkeit, wenn eine Kritik nicht ohne Verunglimpfung der Gegenwartsdichtung auskommt. Ein allzu beliebter rhetorischer Trick, um den besprochenen Band als etwas Außergewöhnliches zu präsentieren.2 Besonders unangenehm ist, dass Wustmann hier im Konditionalsatz verbleibt; so kann er alles sagen und muss nichts beweisen. Die Vorstellung von den feigen Gegenwartsdichter_innen, die keine Risiken eingehen, bleibt aber als Lektüre-Eindruck hängen. Ich habe darüber geschimpft. So laut und so öffentlich, dass Fixpoetry mir vor drei Wochen netterweise anbot, eine Gegenkritik zu schreiben. Bisher ist der Gedichtband aber noch nicht bei mir eingetrudelt. Denkbar ist, dass mir „Die Umschreibung des Flusses“ vielleicht aus meinem Briefkasten gemopst wurde (und dass Bücher-Räuberbanden das Land unsicher machen!). Oder, dass das Lyrikdebüt versehentlich an eine falsche Frau K. ausgeliefert wurde, die nun mit gemischten Gefühlen über der rätselhaften Sendung brütet.
Kurzum: die versprochene Kritik zu dem ganzen Gedichtband konnte ich bisher nicht schreiben.
Aber es gibt ein Gedicht von David Krause, das man sich online auf der Verlagsseite anschauen3 kann. Es fungiert quasi als Teaser zum Lyrikband. In Ermangelung des Buches möchte ich mich deshalb ausführlich damit beschäftigen und herausfinden, ob sich daran das hohe ästhetische Risiko beweisen lässt. Das Gedicht trägt den Titel „Wolken“ und ist auch auf Fixpoetry am 15.4.2015 zum Text des Tages4 gekürt worden. Ein Vergleich der beiden Versionen lohnt sich, denn es gibt Unterschiede.
Die ältere Version auf Fixpoetry kommt noch in konsequenter Kleinschreibung daher und mit wesentlich weniger Zeichensetzung aus, als die neuere, aktuellere Version auf der Poetenladen-Seite. Dort folgt das Gedicht nämlich den aktuellen Regeln der Rechtschreibung.
Ich frage mich natürlich, wie diese Veränderung motiviert worden ist. Hat sich der Autor besonnen und an sein Publikum gedacht? Wenn ja, für welche Sorte Publikum sind die Gedichte dann geschrieben? Für eines, das Kleinschreibung und abweichende Zeichensetzung als zu avantgardistisch liest? Oder hat sich vielleicht der Lektor eingemischt und die konventionellere Variante vorgeschlagen? Ich werde es wohl nicht erfahren. Trotzdem kommt in mir der Verdacht auf, dass die vorherige Kleinschreibung poetologisch nicht gut begründet war, wenn sie sich so leicht abschaffen ließ. Zumindest kann man der konventionelleren Schreibweise kein ästhetisches Risiko attestieren. Es gibt sehr viele Autor_innen, die sich an die Rechtschreibung halten.
„Wolken“ ist ein sehr melancholischer Text:
Wolken
Es gibt keinen Fluss
neben diesem Haus und in dem Haus
kein Kinderbett, überzogen mit Wolken,
wo der Sohn die Augen schließt
und die Arme ausstreckt bis weit
über den Rand. Es gibt
keinen Schuppen im Garten,
wo der Vater mit dem Messer
zärtlich die Soldaten schnitzt,
und wenn die Wolken donnern,
stellt er sein Heer auf und träumt. Es gibt
kein Wohnzimmer, wo die Mutter
den Schal strickt, groß genug
für alle zusammen, und es ticken
die Nadeln, die Uhren, die Zähne, während
die Fäden zu Mustern verwachsen:
Wolken und Wolken und Wolken. Es gibt
keine Fenster und Türen und Wände.
Das Gras und den Wind und Wellen in Pfützen
gibt es jetzt. Es gibt
die fliehenden Wolken.
Es gibt mich,
den Schal um den Hals,
einen Soldaten in der Hand,
nicht mehr
den Fluss, nur sein Bett, es gibt
mir einen Ort, es gibt
mir einen Ort.
Auffällig sind die immer wiederkehrenden einleitenden Worte „es gibt“. Man könnte das Gedicht so lesen,5 dass in ihm eine Unterscheidung gemacht wird zwischen nicht vorhandenen und vorhandenen Dingen.6 Die Themen Verlust, Einsamkeit und Sehnsucht klingen an. Räume und ihre Innenleben, die verschwunden sind. Dass Vater und Mutter zu jenem Bereich gehören, der nicht (mehr?) existiert, lässt an Nachruf und Trauer denken. Das Herüberretten von Schal und einem geschnitzten Soldaten ins Jetzt. So gelesen, scheint dem Gedicht die Frage „Was bleibt?“ zugrunde zu liegen. Vielleicht wird hier ein Abschied verarbeitet. Die Jury hat Recht, wenn sie behauptet, dass Krause hier unmittelbar von den Dingen spricht. Die Substantive, also „Dingworte“ sind für den Eindruck des Gedichtes zentral.
Für eine Inger-Christensen-Leserin7 ist die Formel „es gibt“ freilich ein wenig vorgeprägt. Ich sage das nur, weil sich solche Assoziationen nunmal in den Kopf drängeln, und dann folgen ihnen auf dem Fuße die bösen Vergleiche, die da flüstern: „Christensen gefällt mir aber besser“.8 Fort, hinfort mit euch, ihr bösen!
Eine gendertheoretisch geschulte Leserin stolpert vielleicht auch ein bisschen über die stereotypen Zuschreibungen, die in dem Gedicht anklingen. Der Handwerker-Vater, der an der frischen Luft mit Werkzeugen hantiert und vom Krieg träumt, demgegenüber die Mutter, die dem häuslich behaglichen Wohnzimmer zugerechnet wird und an einem Schal strickt. Nuja, vielleicht muss man sich die beiden eben genau so vorstellen. Den Vater und die Mutter. Nur haben wir der Stereotype in der Literatur eigentlich schon genug und ich habe ja immer noch das Gerede vom hohen ästhetischen Risiko im Kopf.
Und es gibt noch etwas, das mir sofort ins Auge springt. Um es erklären zu können, möchte ich an dieser Stelle auf einen Text von Clemens Schittko hinweisen und zwar: „Ein Gedicht, das immer funktionieren wird“. Es ist in seinem aktuellen Band „Weiter im Text“ beim Ritter Verlag erschienen:
Aus: Weiter im Text, Clemens Schittko, Ritter Verlag 2016
Clemens Schittko hat mir die Entstehungsbedingungen seines Textes verraten, obwohl sie sich eigentlich schon aus der Lektüre ergeben. Er gab er mir sein Einverständnis ihn zu zitieren:
„ich "schrieb" [den Text], nachdem ich ca. 100 (mainstream-)gedichte ausgewertet hatte. ich wollte wissen, welche substantive in der sogenannten zeitgenössischen lyrik am häufigsten gebraucht werden. je größer das wort, desto häufiger seine verwendung. wörter wie "augen", "hände" oder "licht" werden demnach am häufigsten benutzt. die scheinen am poetischsten zu sein und funktionieren offensichtlich seit jahrhunderten.“
Was hat das mit Krause zu tun? Alles. Denn ich habe den Schittko-Test9 gemacht und das „Wolken“-Gedicht auf die Häufigkeit der häufigsten lyrischen Wörter hin überprüft. Und so sieht das Ergebnis aus (die Signalwörter sind hervorgehoben):
Clemens Schittkos Gedicht sollte demnach Recht behalten. Der Text von Krause scheint zu „funktionieren“, jedenfalls in der Weise, dass er dem Autor Leonce-und-Lena-Preise und eine Veröffentlichung in einen renommierten Verlag verschafft.
Allerdings, wenn in Schittkos Text die häufigsten Nomen der Gegenwartslyrik versammelt sind, dann lässt sich für Krause schlussfolgern, dass das Wortmaterial seines Gedichtes (jene „Dinge“, von denen er „wagt zu sprechen“) dem vieler anderer Gedichte ähnelt. Dass er also keineswegs ein „hohes ästhetisches Risiko“ eingeht, oder aus der Gegenwartsdichtung besonders hervorsticht. Im Gegenteil, er scheint eher die Sicherheit des Erfolgsrezepts zu bevorzugen. Wer glaubt, es handele sich bei „Wolken“ um eine Ausnahme, kann ja andere Gedichte von Krause prüfen. Ich zähle beispielsweise bei seinem online einsehbaren Gedicht „farben“10 ganze 13 Treffer (woah!): farben, raum, fenster, jahre, stadt, lichter(farben), körper, finger(kuppen), rücken(figur), blick, bild, augen, papier. Bei seinem Gedicht „wellen“ (direkt darunter) 11 Treffer: tag, wasser, finger, herz(schlag), worte, meer, licht, bilder, luft, räumen, dingen.
Das Fazit lautet also: Stereotype, eine konventionelle Schreibweise und geläufiges Wortmaterial zeichnen Krauses Text aus. Mir ist das zu viel des Immergleichen. Aber es wird Leute geben, die dieses genießen können und mehr davon wollen. Denen sei die Lektüre von „Die Umschreibung des Flusses“ empfohlen. Die anderen finden vielleicht Clemens Schittkos Band interessanter.
- 1. http://www.fixpoetry.com/feuilleton/kritiken/david-krause/die-umschreibung-des-flusses
- 2. Alternativ-Variante für einen Verriss wäre, die Gegenwartsdichtung abzuwerten und den rezensierten Band als Beweis dieser Behauptung zu präsentieren.
- 3. http://www.poetenladen-der-verlag.de/umschreibung.htm
- 4. http://www.fixpoetry.com/texte/text-des-tages/david-krause/wolken
- 5. Andere Lesarten gibt es bestimmt auch!
- 6. Man kann natürlich auch sagen, dass in einem Gedicht alles Benannte gleichviel vorhanden sind, nämlich als jeweilige Vorstellung im Kopf des_der Leser_in. Der Befehl, „Denke nicht an ein Pferd“, macht das klar.
- 7. Es heißt „alphabet“, hier ein kleiner Auszug: http://www.zeit.de/2009/03/KA-Gedicht
- 8. Das ist selbstverständlich mein persönlicher Geschmack. Für mich ist Christensens Langedicht eine einzige Liebeserklärung an die Welt. Quasi das dichterische Äquivalent zu „What a Wonderful World“, von Louis Armstrong gesungen. Eine große, große Versöhnung mit dem Leben.
- 9. Lasst uns den Schittko-Test für Gegenwartsgedichte einführen! So wie es den Bechdel-Test für Filme gibt! Wer mehr als 7 häufigste Gedichtwörter im Text verwendet, ist kein_e originelle_r Dichter_in! Oder andersrum? Wer mehr als 7 häufigste Wörter verwendet, kann sich einer zukünftigen Veröffentlichung sicher sein? Na, das muss noch zu Ende gedacht werden.
- 10. http://www.poetenladen.de/david-krause-gedichte2.php
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Kommentare
"Die Schittko-Methode" ist,
"Die Schittko-Methode" ist, in Bezug auf Gedichte, sicherlich ganz witzig (wobei sie im Druckbild jeder 0815 Agentur-Präsentation beim Kunden aufs Haar gleicht - das vielleicht zur Originalität des Gedankens, der dahintersteht), aber dennoch vermisse ich an ihr den entscheidenden Punkt. Nämlich die Kontextualisierung der Wörter. Beziehungsweise die Einordnung der Kontextualisierung der Wörter im Ursprungstext, d.h. im jeweils spezifischen Gedicht.
Ohne diese Einordnung lässt sich ja gar kein Bild gewinnen. Die Erkenntnis beschränkt sich dann folglich nur auf bloßes Konstatieren. "Diese Wörter stehen in diesem Gedicht. Und sie stehen auch in ganz vielen anderen Gedichten." Mir ist das ein bisschen zu wenig Mehrwert.
Das wollte ich nur kurz loswerden. Zur Diskussion an sich kann ich leider gar nichts beitragen, denn Krauses Texte sind mir vollkommen unbekannt. :-)
Was will der Text
Der Wert von Kiesows Text besteht darin, dass er die notorische Schutzbehauptung unterläuft, es gehe in den Gesprächen um dies Buch um einen Richtungsstreit zwischen einer via antiqua und einer via nova, indem er Krause mit dem Üblichen (dieses Übliche mit sich selbst?) vergleicht.
Eine umfassendere Untersuchung dazu, wie die Worte sich in üblichen Assoziationsbahnen fügen, findet sich hier.
Sicherlich wird man immer finden können, dass ein so klares Urteil noch weiterer Begründungen bedürfte. Aber wenn man den engen Rahmen einer Rezension nicht sprengen möchte, scheinen mir hier wesentliche Schnitte gelegt. http://www.signaturen-magazin.de/david-krause--die-umschreibung-des-flus...
Ich glaube nicht, dass es Schittko auf eine "heiße" grafisch künstlerische Darbietung ankam, sondern genau auf eine Wiedererinnerung an die Textwolken z.B. werblicher Präsentationen. Das Konventionelle als Konventionelles im konventionellen Kleid zeigen ... auf unkonventionelle Weise, (hatte ich z.B. so noch nicht gesehen).
Muss der Text etwas wollen?
Danke für die Verlinkung der Rezension. Hat meinen Krause-Horizont erweitert.
Inwiefern aber unterläuft der vorliegende Text die - offenbar allgemeine - Diskussion, bzw. die darin vorgebrachten Schutzbehauptungen, über Krauses Buch? Ich sehe in Kiesows Ansatz, den ich durchaus sympathisch und wichtig finde, eher einen kleinen, ersten Schritt in Richtung einer Analyse. Selbstverständlich würde so einen Analyse den gegebenen Rahmen sprengen. Ich möchte sie an dieser Stelle ja auch gar nicht einfordern. Allerdings finde ich, dass der Text (Kiesows) an eben jener Stelle abbricht, an der es beginnt spannend zu werden.
Nämlich bei der Frage, wie sich die gewissermaßen durch zu häufigen Gebrauch kontaminierten Wörter in den konkreten Gedichten verhalten.
Wenn man nicht auf das einzelne Gedicht schaut, um zu einer Erkenntnis (vulgo: Meinung) zu gelangen, dann stellt man doch nur ein allgemeines Regelwerk auf, das den spezifischen, individuellen Ausprägungen einer Kunstform niemals gerecht werden kann. Es kann freilich als Stütze dienen, als Prothese auf dem weiteren Analyseweg. Als solche macht die Schittko-Methode ja auch einen passable Figur.
Vielleicht sollte ich den Krause-Band aber wirklich mal lesen, bevor ich mich hier auf allzu dünnes Eis begebe.
Der verlorene Faden
...und jetzt, da ich die Überschrift des vorangegangenen Kommentars lese, weiß ich auch wieder, was ich eigentlich sagen wollte.
Ich finde es nämlich recht problematisch, wenn ein Text, der sich mit einem Kunstwerk im weitesten Sinne beschäftigt, schon von vornherein etwas will, also von einer Absicht getragen ist.
Als Leser muss ich dann davon ausgehen, dass der Autor des Textes seinen Meinung an den Gegenstand herangetragen hat, schon bevor er überhaupt zur Untersuchung geschritten ist. Er hat den zweiten Schritt vor dem ersten vollzogen.
Mir fehlt da, wieder einmal, der Wille zur Entfaltung der Gedanken, die durch die Beschäftigung mit einem Gegenstand ja durchaus entstehen kann und die im Text nachzuvollziehen ich als Leser fast am reizvollsten finde.
Es geht mir gar nicht so sehr um das Urteil, sondern um die Frage, wie ist der Autor zu seinem Urteil gekommen. Wenn das Urteil aber schon vor der Auseinandersetzung feststeht, kann ich diese Bewegung nicht mehr mitgehen.
Wollen nicht wollen wie unterlaufen
Nun ja, ich finde es eigentlich den normalen Fall, wenn es sich um einen eher theoretischen Text wie eine Rezension handelt, dass man sich seine Gedanken macht und dann will der Text diese Gedanken möglichst gut ausdrücken. Bei einem künstlerischen Text kann man vielleicht dann eher so schauen, was der Text einem zurückspricht und sich davon treiben lassen usw. Ich will nicht sagen, dass das nicht auch in einer Kritik geht, ich kann mir sogar vorstellen, das es hier auch so war, ich will hier nur meine Formulierung von einem Textwillen rechtfertigen.
Wie funktioniert nun dieses unterlaufen: In der Diskussion der Hansenrezension und auch im Text von Wustmann wurde gefordert, dass Texte "endlich" wieder sinnlich würden. Christiane zeigt hier am Beispiel des Vokabulars, dass dieses "endlich wieder" schlankweg hier nicht zutrifft, Krauses Texte sind im Schnitt offenbar nicht sinnlicher, sondern genauso sinnlich wie eben das durchschnittliche Gedicht. (Und ebenfalls nicht riskanter.) Es ist vielleicht als eine Einladung an die zu verstehen, die z.B. seit letztem Frühjahr Drawerts Sentenz stereotyp wiederholen, mal zu sagen, warum sie diese Aussage so richtig finden. Mir ist bislang auch nicht klar, was sie damit denn wohl meinen. Auch Ihre Winke helfen mir da nicht weiter. Ich habe mir auch die Bilder im Zusammenhang angesehen usw. Vielleicht mögen Sie mir mit Einzelheiten helfen, wenn Sie die These überzeugt?
ach ja, auch verfranselt
Und: Dass es auf der Ebene der Substantive hier gezeigt wird, ist kein zufälliger Aspekt, sondern einer der besonders wichtig ist, bei einem Text, der mit der Evokation von Dingen arbeitet, bei dem die Nomen also den zentralen Teil der "poetischen Arbeit" leisten müssen, zumal sie ja auch für die Arbeit mit dem Hilfsverb einen Krause ähnlichen Ansatz aufruft. (Es ließen sich mehr benennen, von der konkreten Poesie bis Wüstenfeld.)
Dilemma
Je nun, wie Arno Schmidt sagen würde, unser heimeliges Zweigespräch driftet ins leider Unerkundbare ab, da ich ja gar nicht Krause sprechen kann, wie schon mehrfach angemerkt, sondern nur über die normative gesetzte Methode gestolperte bin, die der Kiesow-Text an das Gedicht legt.
Mehr war es nicht, mehr soll es nicht sein. Ich müsste, wie gesagt, erst Krause lesen, um weiter mitreden zu können.
das abgedruckte
Naja, ich bezog mich im letzten Post auf das in der Rezi behandelte Gedicht, mit dem der Velag für den Band wirbt, es mag andere Gedichte geben, bei denen man nochmal neu schauen könnte.
Material
Der Hinweis auf die Schittko-Begriffswolke ist toll. Danke dafür. Das ist eine ernstgemeinte Spielerei – und diese häufigen Wörter, die weniger kontaminiert als vielmehr so weit verwässert sind, dass sie eben nur noch bedeuten: Hallo, hier Poesie, sie sind trotzdem nicht ganz tot: Es gibt (!) ja nun die Möglichkeit, immer mehr der noch nicht verbrauchten Wörter abzunutzen oder die alten, wie oben gesagt, in der Verwendung neu oder anders aufzuladen. Auch Thomas Klings Gedichte nutzen Liebe, Schönheit, Tod als Themen. Er, der wilde Meister, machte was draus. Und die wunderbare Dänin beweist, wie kraftvoll konventionelle Begriffe sein können. Das ist dann Kunst. Alles in allem hoffe ich, dass David Krause dazu kommt, sein Schreiben zu entwickeln. Die Hürde ist heavy. Für mich selbst war es wichtig, jahrelang alle Fehler machen zu können (um mich einerseits damit abzufinden und andererseits um Raum zu schaffen für neue, frische Fehler). Das hat mir auch die Kraft gegeben, mich von fehlgeleiteten Gönnern zu lösen. Die Umschreibung hat er zumindest schon im Programm und das Bett, in dem der Fluss einmal verlief, gibt ihm einen, entwässerten, Ort, so der Bezug. Was das für ein Ort ist, Wadi David, wird zu sehen sein. So der Wunsch (kein häufiges Wort).
Christensen und Co.
Ich habe mich offenbar ebenso gefreut, wie Hendrik, aber das Tuch, von Christiane Kiesow vorsichtig angehoben, deckt er doch (vielleicht unwillentlich) wieder über die Sache drüber: Ich gehe mit ihm ja konform, aber es ist vielleicht doch nicht das Geheimnis von Christensens Genie, wenn ihr Text irgendwie mehr funzt, sondern sie hat auch ein Vokabular, das weiter weg liegt, von den poetischen Hauptwörtern (die sie ebenfalls nicht gezielt vermeidet) "Die Aprikosenbäume gibt es" Hätte sie hier auf Absicherung durch poetisch vorbereitete Begriffe setzen wollen, hätte sie wohl "Die Apfelbäume gibt es" oder "Die Holderbüsche gibt es" einsetzen müssen. Wir haben auf FB mal ein wenig Beispiele durchgeturnt: Sobald sich Trakl auf Evokationen stark verlässt faltet er sein Vokabular auf, das ja sonst auch gern am Hauptstrom poetisch vorbereiteter Wörter arbeitet (Nähe zum Symbolismus). (Von Eichs Inventur im Vergleich zum Vokabular seiner sonstigen Gedichte derselben Zeit, reden wir lieber gar nicht erst.)
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