Gesänge vom Grabmal
Pierre Guyotat (Quelle: diaphanes)
Thomas Laux rezensiert in der NZZ Pierre Guyotats Grabmal für fünfhunderttausend Soldaten:
„Sieben sogenannte «Gesänge» stimmen auf 650 Seiten einen schieren Albtraum des Schreckens an, skandieren ein über weite Strecken kaum enden wollendes Gemetzel mit unvorstellbaren Greueltaten. Der 1940 geborene Pierre Guyotat hat früh in seiner Schriftstellerkarriere mit zwei Werken – neben dem hier vorliegenden «Grabmal für fünfhunderttausend Soldaten» von 1967 vor allem mit «Eden, Eden, Eden» von 1970 – auf sich aufmerksam gemacht und gleich auch die französische Justiz beschäftigt («Grabmal» war von seinem eigenen Verlag, Le Seuil, abgelehnt worden, «Eden» landete direkt nach der Veröffentlichung bei Gallimard für Jahre auf dem Index), selbst wenn namhafte Intellektuelle – unter anderen Michel Foucault, Roland Barthes, Philippe Sollers – sich vehement für den Autor eingesetzt hatten. Aber was in den sechziger Jahren einen Skandal auslöste, dürfte fünfzig Jahre später, mit unseren ganz realen Abscheulichkeiten im Zeichen des Internets, kaum noch der Rede wert sein. Für geschmäcklerische Debatten freilich könnte es reichen.“
Und einigt sich auf den Schlußsatz: „Wer sich auf die Lektüre Guyotats einlässt, der sollte sich auf Zumutungen gefasst machen.“
Pierre Guyotat gilt als Frankreichs letzter »poète maudit«, als geistiger Verwandter von de Sade, Lautréamont, Bataille, Artaud. Seit früher Jugend schriftstellerisch tätig, veröffentlichte er 1960 seinen ersten Roman »Sur un cheval«. Im gleichen Jahr wurde er in den Krieg nach Algerien einberufen, wo er 1962 wegen Aufrufs zur Desertion und der Verbreitung verbotener Schriften in Haft kam. »Grabmal für fünfhunderttausend Soldaten« entstand nach Kriegsende zwischen 1963 und 1965 und erschien, nachdem es bei anderen Verlagen abgelehnt worden war, 1967 bei Gallimard. Das Buch machte seinen Autor auf einen Schlag berühmt und ist nun erstmals in deutscher Sprache zu entdecken.
Pierre Guyotat: Grabmal für fünfhunderttausend Soldaten. Sieben Gesänge. Aus dem Französischen von Holger Fock. Diaphanes, Zürich 2014.
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