Marder auf der Terrasse
Buchcover
Thorsten Schulte bespricht heute auf literaturkritik.de den Band „Nachtgeschichte für die Teetasse“ von Ludwig Steinherr:
„Weshalb erkennt sich das Ich nicht mehr wieder? Nach dem Rausch, den Fantasiewelten und den Gedankensprüngen ist es das Altern, das dem lyrischen Ich die größten Sorgen bereitet. Es scheint das eigene Alter nicht annehmen zu wollen. „Altert in Würde! / rufe ich ihnen zu“, erklärt es – um sich dann der letzten zwei morschen Backenzähne im eigenen Mund bewusst zu werden. Ungewöhnliche Sichtweisen und erschreckende Pointen gehören zu den größten Stärken des Gedichtbandes. Es ist Steinherrs dialektische Sicht, die den Leser immer wieder um neue Ecken führt und Vieles neu und anders erscheinen lässt als gewohnt. Ludwig Steinherr provoziert, indem er den Leser in Albträume führt und an ungewöhnlichen Orten stakkatohafte Thesen in Gedankenstrichen aufstellt. Schließlich stößt er ihn auf Fragen, die nachwirken. Es wird nach dem Sinn des Alterns gesucht, ohne Antworten zu erhalten; aber vielleicht hat nicht alles einen Sinn. Allem einen Sinn und eine Ordnung zusprechen zu wollen, ist nicht zielführend: Wer „rastlos / zwischen meinen Versen“ stöbert, ruft das Ich wütend aus, benimmt sich „wie eine Fegefeuerseele / auf Marderjagd“.“
Ludwig Steinherr: Nachtgeschichte für die Teetasse. Gedichte. Lyrikedition 2000, München 2014.
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