Broch und Buddha
Anneke Brassinga © Freddy Rikken
Bernd Leukert führt auf faustkultur.de ein Gespräch mit der niederländischen Lyrikerin Anneke Brassinga:
Bernd Leukert: Es interessiert mich, wie Sie zu Ihren Gedichten kommen.
Anneke Brassinga: Eines meiner Gedichte mit dem Titel „Kennwörter“ habe ich buchstäblich geträumt: die Worte, nicht die Bilder. Ich bin nachts aufgewacht und habe es ganz schnell aufgeschrieben, denn ich wusste, dass es später schnell verschwindet, wenn man es nicht sofort aufschreibt. Und ich finde das immer noch ein sehr gutes Gedicht, weil ich es nicht geschrieben habe. Es ist mir im Traum gegeben worden. Da habe ich auch nicht gewusst, was kommen würde.
…
Bernd Leukert: Es ist mehrfach erwähnt worden, dass Sie, angeregt durch die Übersetzung der Gedichte von Sylvia Plath, angefangen haben zu schreiben
Anneke Brassinga: Das ist richtig. Da habe ich mein erstes Gedicht geschrieben. Das war sehr theatralisch. Und dann habe ich damit wieder aufgehört. Und erst, als ich Hermann Broch übersetzt habe, bin ich plötzlich in das Dichten hineingefallen. Brochs „Der Tod des Vergil“ ist eine Flut lyrischer Prosa. Da muss man sich wehren, um nicht darin unterzugehen. Ich war in Wien, um meine Broch-Studien zu machen. Da gibt es ein Archiv und ein Museum und die alte industrielle Kolonie Teesdorf, wo Broch die Arbeit in der Spinnfabrik seines Vaters fortsetzen musste, bis 1927. Und ich saß an einem typisch Wienerischen Marmortischchen in einem Café. Und da habe ich mich plötzlich an einen Teich mit Lotosblättern erinnert, auf denen Vögel standen. Die sanken langsam ins Wasser, und ich wartete darauf, dass sie untergehen würden. Aber im letzten Moment machten sie einen Schritt auf das nächste Blatt. Und das geschah den ganzen Tag. Das war in Bodh-Gaya, wo Buddha seine Erleuchtung hatte. Und dann habe ich mit der Erinnerung an diese Lotosblätter an diesem Tisch mein erstes Gedicht geschrieben. Ich fand toll, dass man mit Worten so einen Zeitsprung machen konnte. So bekam ich mit einem Mal eine Leidenschaft für das Gedichteschreiben und habe nicht wieder aufgehört. Aber es ist auch Broch zu danken, glaube ich.
Das ganze Interview auf faustkultur.de
Gedichte von Anneke Brassinga ebenfalls auf faustkultur.de
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