Ehrlich schmal
Christian Chappelow bespricht aktuell auf literaturkritik.de den Band minimal von Takinawa Shuntaro:
„Der neugierige Blick auf die zeitgenössische japanische Lyrik mag lohnend sein, wenn man einen der – in der letzten Zeit zahlreicher gewordenen – übersetzten Gedichtbände Tanikawas sowie insbesondere die im Mai dieses Jahres beim Schweizer Secession Verlag für Literatur erschienene Gedichtanthologie minimal in den Händen hält. Kurz vorweggenommen: Das Bild der japanischen Literatur der letzten Jahrzehnte wäre ohne das Werk Tanikawas nicht nur unvollständig, sondern auch ein ganzes Stück ärmer an Sprachkunst, Intelligenz und Humor. Tanikawa muss sich nicht verstecken, auch nicht hinter literarischen Größen wie Mishima, Ôe oder Haruki Murakami.
Die 30 Gedichte in minimal sind in ihrer inhaltlichen und motivischen Bandbreite vielfältig und sind geprägt durch kurz angeschnittene Sprachbilder: deskriptiv, impressionistisch und „ehrlich“.“
Takinawa Shuntaro: minimal. 30 Gedichte. Deutsch und Japanisch.
Übersetzt aus dem Japanischen von Eduard Klopfenstein. Secession Verlag für Literatur, Zürich 2015.
Das Lumpengewand der Dichtung
Vor Tagesanbruch
kam
das Gedichtin schäbige
Wörter
gehülltes gibt nichts
was ich ihm schenken könnte
werde nur selbst beschenktsein nackter Körper
flüchtig erspäht
durch die gerissenes Nahtwieder und wieder
flicke ich
an seinem Lumpengewand
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