Erwachsenensprache
Helmut Ploebst bespricht im STANDARD das neue Buch von Robert Pfaller:
„In Erwachsenensprache, wo die Kunst nur am Rande auftaucht, nutzt der Autor einen erlesenen Referenzapparat. Er argumentiert mit Werken von Philosophiegrößen wie Élisabeth Badinter und Slavoj Zizek, Feministinnen wie Nancy Fraser und Laura Kipnis, weiters mit Louis Althussers Ideologieanalyse, Chantal Mouffes Politikdiagnostik, Robert Hughes' früher Untersuchung der amerikanischen Political Correctness Culture of Complaint sowie psychoanalytischen Perspektiven von Freud über Lacan bis Octave Mannoni.
Mit diesem Treibstoff steuert Pfaller gegen einen anschwellenden Mainstream aus Neoliberalismus und Rechtskonservativismus, Postmoderne und Political Correctness. Am Beginn steht des Autors Protest gegen Warnungen vor "adult language" etwa bei Michael Hanekes Film Amour: So verbräme ein System die von ihm verantwortete "Brutalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse" im Westen mit infantilisierender Bevormundung von Erwachsenen.“
"Neoliberale Austeritätspolitik hat in den letzten Jahren nicht nur reiche westliche Staaten in den Ruin getrieben und allein in Europa Millionen von Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut gestürzt. Sie hat auch vieles, was bislang an zivilisatorischen Standards, Formen erfüllender Arbeit und guten Lebens selbstverständlich war und zum Gemeineigentum zählte, zerstört: Plötzlich fuhren Eisenbahnen in die Irre, Pensionsvorsorge geriet zum Spekulationsgegenstand, Gesundheit und Bildung verfielen einem irrationalen Ökonomisierungsdruck, Arbeiten verwandelten sich in Bullshit-Jobs, Produkte zerfielen vorzeitig dank geplanter Obsoleszenz oder entzogen sich in die Undurchschaubarkeit ihrer ständig wechselnden Benutzeroberflächen, Bürgerrechte fielen umstandslos der Überwachung durch die Geheimdienste (mitunter sogar durch fremde Geheimdienste) zum Opfer, menschliche Grundrechte (wie zum Beispiel die Versorgung mit Trinkwasser) wurden verhandelbar, demokratische Selbstbestimmung opferte man für Freihandelsverträge, und Universitäten wurden zu stressigen, überregulierten Lernanstalten für Menschen, die nur noch tun durften, was man ihnen vorschrieb – und was anhand von Punkten, Zertifikaten und Kennzahlen bürokratisch darstellbar war."
Robert Pfaller
Robert Pfaller, "Erwachsenensprache. Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur". Fischer, Frankfurt 2017.
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