Der neuronale Mensch
Neu bei Suhrkamp, im Klappentext:
Seit den 1990er Jahren gewinnt eine neue Wissenschaft des menschlichen Verhaltens ungeheuer an Dynamik: die kognitive Neurowissenschaft. Ihr Ziel ist die Erforschung des Gehirns, um geistige Pathologien wie Depressionen oder Schizophrenie zu behandeln, aber auch das Lernen oder die Kontrolle von Emotionen zu verbessern. In seinem Buch geht Alain Ehrenberg der Frage nach, ob diese Wissenschaft das »neue Barometer« unseres Verhaltens und Lebens geworden ist. Hat sie den Platz eingenommen, den früher die Psychoanalyse innehatte? Ersetzt der »neuronale« Mensch nun den »sozialen« Menschen?
Ehrenberg zeigt, dass die kognitive Neurowissenschaft und die mit ihr verbundene Verhaltensökonomie ihre wachsende Autorität nicht nur aus ihren wissenschaftlichen Ergebnissen, sondern auch aus der Einschreibung in ein wichtiges soziales Ideal bezieht: das eines Individuums, das seine Unzulänglichkeiten durch Nutzung seines »verborgenen Potentials« in verwertbare Vermögen umzuwandeln vermag. Diese neue Wissenschaft vom Verhalten ist für Ehrenberg daher die Echokammer unserer zeitgenössischen Ideale der Autonomie.
Zitat aus der Einleitung von Alain Ehrenberg:
„Denn die Neurowissenschaft ist zur sozialen Neurowissenschaft geworden und die Entwicklung auf diesem Gebiet ist so stürmisch, dass Nature Neuroscience kürzlich von »einer Forschungsexplosion« sprach. Biologen haben nachgewiesen, dass das Gehirn ein offenes, sich ständig wandelndes System ist, dessen Funktion in Antizipation oder Rekognition (Wiedererkennen) besteht, ein Handlungssimulator, ein Hypothesenschöpfer, dessen Grundeigenschaft die Entscheidung ist.“
Padauz! Diese Wissensexplosion der Biologen ist ja ungeheuerlich! Das hat bis dato noch kein Mensch geahnt! Wie blind waren unsere Dichter und Philosophen all die Jahrhunderte? (FM)
*
Alain Ehrenberg: Die Mechanik der Leidenschaften - Gehirn, Verhalten, Gesellschaft. Aus dem Französischen von Michael Halfbrodt. Suhrkamp Verlag, 2019.
Neuen Kommentar schreiben