Jelängerjelieber-Ranken - eine Krimi Kurzgeschichte
Jelängerjelieber-Ranken häkeln vor den weißen Holunderdolden durch die mittleren von den Fabrikscheiben, die kann man nicht mehr zuklappen, und klappt man diese eine, tötet man die Ranken, auch die vom wilden Hopfen, das passt zu dieser alten Brauerei an der krummen Moldau. Vor dem ...
„Denen sind meine Anzüge zu teuer“ - Jochen Arlt im Gespräch mit Harald Nicolas Stazol
"Du bist mein Land, / ich deine Flut, / die sehnend dich ummeeret; / du bist der Strand,/ dazu mein Blut / ohn Ende wiederkehret. // An dich geschmiegt, / mein Spiegel wiegt / das Licht der tausend Sterne / und leise rollt dein Muschelgold / in meine Meergrundferne." Setze ich dieses Poem von Christian Morgenstern Ihrer Essay-Collage „Ich bin gerne Deutscher – Eine Liebeserklärung“ gleich, bester Herr Stazol, ist das wahres Muschelgold oder bewege ich mich interpretatorisch eher in Meergrundferne?...
Abwesenheitsnotiz
Die Sperre vor dem Farnkraut - Poetologische Betrachtungen der Beiläufigkeit bei Peter Handke
Der Autor Peter Handke ist für überraschende Verwandlungen bekannt. Schon 1970 hatte er mit Die Angst des Torwarts vor dem Elfmeter eine Abkehr vom sprachexperimentellen Frühwerk vollzogen und das scheinbar geordnete Erzählen geübt. Er folgte der neuen Innerlichkeit, die in den 70er Jahren populär wurde. Bald aber sprengte er das implizite Konzept dieser Literatur. Jene neue Innerlichkeit zehrte von einer merkwürdigen Beglaubigung ihrer Fiktion. Der Autor wurde zum intimem Chronisten seiner...
Sound, Modus und produktives Misstrauen - ein Kommentar zur gegenwärtigen (aber nicht neuen) Diskussion
Vor einigen Jahren bemühte Ron Winkler den Begriff des Modus, der innerhalb einer sich entwickelnden Poetik Schwankungen unterliege. Misstrauen gegenüber dem einmal erarbeiteten und nur vermeintlich Eigenen war die Waffe, die er sich und anderen in der Begegnung mit dem eigenen Werk empfahl. Auf der anderen Seite findet sich, etwa an Schreibschulen, aber auch im Bewusstsein von Feuilletonisten, Lektoren und allerlei Multiplikatoren der Begriff vom Ton, oder auch Sound, den ein Autor macht...
Im Kreis der Lieben, Teil 1
Neulich kam meine katholische Freundin auf die Idee, ihren runden, beinah rundlichen Geburtstag, dessen Umfang ich als Kavalier verschweigen möchte, im kleinen Kreis ihrer Familie zu feiern. Nun ist aber der kleine Kreis einer von Kindern gesegneten katholischen Familie immer noch so groß, daß ich, wollte ich eine ähnliche Anzahl von Familienmitgliedern aufbringen...
Frieden im zuckerweißen Mundgeruch/ 28/ August/ agusto/ tamania’auaschrien
Was ist kalt und dampft? Der Sommer in Köln. Und ist Blanka Beirut eine Orientalistin? Das wird sie heute gefragt. Weil sie den Orient beobachtet? Himmel, nein! Sie schaut lediglich auf den Nahen Osten. Der Orient ist doch nur...
Eskapismus - Verwandlung der Welt
Eskapismus in die Hermetik der Kunst ist eine Flucht nach vorn - auf der Suche nach der verlorenen Sprache will der Künstler die Welt ergreifen… Ein Lyriker kann nur so schreiben, wie er verfasst ist. Wenn seine Situation sich immer mehr in Richtung Hermetik entwickelt, wenn er also zum Beispiel materiell und geistig isoliert ist, bringt er eben dies zum Ausdruck. So ist der geschriebene Ausdruck des hermetischen Zustandes ein Ausweg. Kunst hat oftmals diese Genese. - Kunst dient der Befreiung der schrei(b)enden...
Poetische Fragen - Der Blick
Sehe ich, wenn was zu be-schreiben ist, fragt man sich. Habe ich den sogenannten poetischen Blick. Seh ich das, was alle sehen, und seh ich dazu noch irgendwas. Das irgendwie mir sichtbar ist. Und sehenswert, bemerkenswert, hervorhebenswert, ist da was zu besprechen, bedichten, mitzuteilen – anderen, die davon dann auch was haben könnten. Was sie sonst nicht gehabt hätten?, ohne meine spezielle Sicht. Sehe ich da was, das man sonst nicht so sieht, übersieht, in seinem Sichtfeld, „im Normalfall“ nicht erwähnenswert...
Regenblumenkohl Himmel, Herz und Hirn / 27/ Juli/ julio/ saba’auaschrien
Mama Erde ist schwarz, aber keine Sorge, sie mag auch ihre weißen Kinder. Sogar männliche. Und christliche. Das schnattern die Tauben heute von den Dächern, während Blanka Beirut in ihrer Flimmerkiste Wohnung sitzt. Millionen von Buchstaben machen sich...
Wie bei Filmreisen hundert WaldundwiesenKrimis entstanden.
Béziers am Canal du Midi in Südfrankreich. Flussfischer und Frachtschiffer sind auch in Frankreich selten geworden; was zu König Ludwigs XIV. Zeiten 'groß' bedeutet hat, ist heute klein; die Kanäle sind für moderne Frachtkähne nicht breit und nicht tief genug. Sie gleiten auf Rhône und Sâone und Rhin oder Rhein. Lichtblicke für ein Kamera-Auge sind die liebevoll zu Wohnbooten umfunktionierten ausgedienten Frachter...
Wilhelm Reich, das Schreiben, meine Neurose und ich
Das Schreiben entspringt einem neurotischen Bedürfnis, daran besteht gar kein Zweifel. Wer völlig ausgeglichen durch die Welt geht − und das ist doch ein wünschenswerter Zustand − wird nicht zu Papier und Feder greifen, um seine inneren Konflikte auszugleichen. Dass Schreiben heute im Kontext einer für neurotische Zustände anfälligen Gesellschaft stattfindet, macht das Schreibbedürfnis nicht schlechter oder besser. Es richtet sich nicht primär nach der jeweiligen Gesellschaft, in der es stattfindet, eher sucht es...
krankes Geld und abadan - niemals / Juli/ julio/ 26/ sittauaschrien
abadan- niemals! Ein gutes Motto für den Tag und keine Urheberechtsverletzung, denkt Blanka Beirut als sie am frühen Morgen aufsteht. Sogleich stellt sie fest, dass sie für die ungebückten Stunden mit Gesang von flügelfrisch Vogelvolk zu kurz ist...
Nervöse Fata Morganas? Ach was; bitte! - Über die anhaltende Liebe zum unsterblichen Dampfradio
Die Karawanserei des intergalaktischen Multimedia-Gewimmels mache sie total nervös, mittlerweile gar apathisch, höre ich aus zeitgenössischen Kreisen in regelmäßigen Abständen. Wir zappen uns dement, wird geklagt. online-Radio- wie TV-Progammangebote seien kaum mehr verdaulich. Außerdem würden wir zugemüllt von herkömmlichen Medienofferten bis hinein in die längst unüberschaubar gewordene Hörbuchwüste. Das Schwarzbrennen von Musik(-Filmen) mache wunschlos satt mit Clapton und Dylan...
Sternfibel und das Schicksal der Araber 3 / Juli/ julio/ 25/ chamsa’a’uaschrien
Ein kroatischer Abendvogel lockt Nymphensittich und Blanka Beirut mit entschiedenen Staccatopfiffen; ruhiges Tempo, andante, abertausend Mal wiederholt. Viervierteltakt, drei Schläge Nachtpause. Nachtpause auch am...
>www. PLOWDIW.bulgaria.com< -ein Mail-Gespräch zwischen Plowdiw und Frankfurt am Main
Am braunen Fluss, trüb wie Linsensuppe und mit ekligen Abfällen statt Würsten darin, ist eine nackte Puppe geschwommen, aufgetaucht und verschwunden, hat wie ein Neugeborenes ausgesehen. Auf der Kaimauer saß ein Mädchen mit Papagei, zwischen Taille und Hals hat das grüne Vieh an ihrer violetten Häkelweste geklammert...
Frankfurt, 6. Mai 2002: Lieber Djoro Gergitzow, guten Morgen, Danke für die Einladung zum Symposion >Überleben der Sprache<. Danke für Ihr Buch, das Grundlage wird...
Unanständig Schreiben
Vielleicht hätte ich Fleischer werden sollen. Sobald in unserer Küche ein Stück Tier auftaucht, das zurechtgeschnitten gehört, schneide ich es, worüber meine katholische Freundin sehr froh ist. Rohes Fleisch mag sie nämlich nicht so gerne anfassen. Ich versuchte eine Konfrontationstherapie. Das Fleisch blieb jedoch unberührt, als ich mich heute nacht mal wieder mit großer...
Sternfibel und das Schicksal der Araber 2 / Juli/ julio/ 24/ arba’a’uaschrien
Blanka Beirut muss immer an den aufwühlenden arabischen Frühling denken. Auch hierzulande gibt’s Revolution. Nur viel bequemer für das Volk. Man muss nur neue Geschirrspültabletten kaufen und schon wird die Revolution mitgeliefert. Steht jedenfalls auf der Packung..
Juri Elperin - ein Leben für die russische und die deutsche Literatur
Herzlich lächelnd kommt Juri Elperin, der 93jährige Übersetzer und Schriftsteller, dem Besucher aus seiner Wohnung in der Berliner Uhlandstraße entgegen. Ein Ort der Ruhe, ein Ort der Erinnerungen. Übersetzte Bücher aus über 60 Jahren Berufstätigkeit, Fotos, Gemälde, die er bei der Übersiedlung aus Russland mitgebracht hat. Juri Elperin hat ein helles Arbeitszimmer, Fenster zu einem kleinen Dachgarten hin, in der Ferne gerade noch der Stumpf der Gedächtniskirche, der über die Dächer hinausragt. Er beschäftige...
Fluchtpunkte auf Song, Text und Gedicht - Lutz Steinbrück im Gespräch mit Kristoffer Cornils
Kristoffer Cornils: In deinem zweiten Band Blickdicht scheinen mir im Vergleich zu Fluchtpunkt:Perspektiven gesellschaftliche Themen wesentlich mehr in den Vordergrund zu treten. Wie würdest du das erklären?
Lutz Steinbrück: Im Gegensatz zum ersten Band gibt es kaum intime Gedichte, die sich auf Zweier-Konstellationen konzentrieren. Deshalb drängt sich dieser Eindruck wahrscheinlich auf. Gesellschaftliche Themen sind in beiden Büchern stark vertreten, weil sie...
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