Sternfibel und das Schicksal der Araber / Juni/ junio/ 23/ talata’uaschrien
Blanka Beirut feiert die leibliche Gegenwart des Allmächtigen zwischen Grau und Zeilen und dann unter falschem Nordseewandelhimmel in Köln. Auf der Straße liegen Gekotztes, brötchengroß, und verlorene Schokolade...
Poesie des Untergrunds - Die Literaten- und Künstlerszene Ostberlins 1979 bis 1989
Das Ding war so einfach nicht. Wir hatten zwar eine Ausstellung vor Augen, gingen auch sogleich an die Arbeit, glaubten zunächst unwidersprochen die Sache fest im Griff, schließlich galt es ja nur sich hinreichend zu erinnern - und sahen uns doch gelegentlich im Nebel stochern, klare Grenzziehungen verlieren – Hatte nicht der große Adolf Endler bereits im Frühjahr 1989 in Kontext geschrieben: „ … ALLES IST IM UNTERGRUND OBENAUF; EINMANNFREI … “; Ergänzte nicht Klaus Michael im selben Jahr: „Der Überbau ist...
Wer hat noch gesagt, dass die Männer der Macht lausige Liebhaber sind?
Sommerweiden und darauf ein Landwirt bei der Heuernte, neben dem Mann auf dem Traktor lacht ein Frauengesicht, breiter noch als sein derber Kopf, dabei fragil wie die Porzellanpuppen unserer Urgroßmütter. In ihrer Rüschenbluse über dem Dirndl stakst eine Frau mittleren Alters zu den Raffzähnen des Heuwenders. Schwabenland, Sachsenland, nur die Maschinen der Ernten waren damals anders...
Wäsche und Wortabend / Juni/ / junio/ 22/ tnen’uaschrien
Blanka Beirut steht, wie der Zufall es will, vor einem Unterwäschegeschäft namens Taha. Was bedeutet das gleich? Libanonunterhosen in Tahakleid? Nein! Der Name einer Sure ist das. Dass sie sich nicht schämen,...
Wolkenkratzerin schuld an Regen / Juni/ / junio/ 21/ wahiduaschrien
(Sonja Sekula)
Unruhig weiß wie eine zerknitterte Hostie ist Blankas Gesicht heute Morgen unterwegs. Liegt’s daran dass sie in ein Kloster fährt zum Singen? Nein, nein, nur hört sie Demenz an allen Ecken. Und weint in ihre Hände..
Schlimmer wird es immer...
"Dort droben aufn Berg" haben sie gesungen und ich habe gewusst, du gehörst nicht dazu. Dazugehören, wie alle sein, wie schön muss das sein. Kindertraum von uns allen: den Schwestern, den Brüdern und mir. Bewusst nicht. Nicht mitspielen dürfen. >Privileg der adligen Geburt.< So ein Blödsinn. Was ist die Herrschaft eines einzelnen Königs über alle verglichen mit dem Kommando der Massen gegen einen einzigen, der anders...
Schicksal eines Hustenden
Ich preßte meinen unbekleideten Oberkörper an eine Platte. Sie war Teil eines Röntgenapparats in der Poliklinik am Reileck, kurz, Poli-Reil genannt. In dieser Position wollte ich mir nicht bewußt machen, welches Organ damit schon durchleuchtet worden war. Es ist zu wünschen, daß die Platte nach jeder Aufnahme mit einem antibakteriellen Tuch abgewischt wird. Besonders nach der adipösen Frau, die kurz vor mir dran war. Vorher hatte ich zwei Stunden meines gefährdeten Lebens im Warteraum verbracht und einen...
Europaglocke und Sesambeine / Juni/ / junio/ 20/ aschrien
Blanka Beirut hat Sesambeine. Im Daumen. Jedenfalls meint das der Arzt und zeigt auf das Röntgenbild und findet das nicht so schlimm. Lieber hätte Blanka zwar Kreuzkümmelbeine, aber Empörung ist ja hier fehl am Platz. Die muss man sich ja heute aufsparen für Wichtiges...
Jagdszene aus Steiern
Das vergilbte Zeitungsblatt liegt als Beleg unter vielen alten gelben eingerissenen Schreibmaschinen-Akten mit Tinten- Handschriften: Jagd im Juni. Amtliche Nachrichten der Landeshauptmannschaft Steiermark, Jg. 1937. >Das Schlag- und Heckenbrennen verursacht ganz erhebliche Schäden sowohl an den Gelegen der Waldhühner als auch an den Bruten der kleinen Vogelwelt.< "Verordnungen für den hegenden Waidmann". Umweltschutz der Förster ist durchaus keine neue Einsicht. Gelegen kommt die Jagdsaison solchen...
gebügelte Wiesen, Hahnentrittfluten / Mai/ 19/ tement’aasch
Zwischen den Zeilen wohnt der Altpapierfriseur. Und räumt in den Buchstaben auf, mit Schere und Rasiermesser. Nach Schweizer Vorbild. Blanka Beiruts Reise ist noch nicht beendet. Im Zug sitzt ihr eine Frau mit Hornarmreifen und dem Muster wilder Tiere gegenüber. Ihre Töchter kommen aus Bullerbü mit horizontblauen Augen und I-Pod, ihre Iris schwarz fransig umrandet...
Die Hunde wurden immer lauter - Thomas Hummitzsch im Gespräch mit Leonardo Padura
Herr Padura, Sie erzählen in ihrem neuen Roman "Der Mann, der Hunde liebte" die Geschichte des Attentats auf Leo Trotzki durch den spanischen Kommunisten Ramon Mercader aus drei verschiedenen Perspektiven. Zum einen entfalten Sie vor dem Leser das Leben Leo Trotzkis im Exil, zum zweiten zeigen Sie Ramon Mercaders Weg zum Attentat und zum dritten erfinden Sie den Erzähler, Ivan Maturell, der Mercader an dessen Lebensende begegnet und für den Leser die beiden Geschichten aufgezeichnet hat...
Heinrich Heine - Erfinder der modernen Liebe
Über Heinrich Heines erste Liebe gehen die Ansichten weit auseinander; einig sind sich alle Forscher mit dem Dichter, dass sie unglücklich war. Dass es überhaupt zu näherem Kontakt mit Kusine Amalie kam, ist unwahrscheinlich; gesehen haben sich die beiden nur über wenige Wochen. Der Neunzehnjährige warb in Hamburg vergeblich um die reiche Erbin. Das soziale Elend, das diese unglückliche Liebe auch ausmachte, taucht in immer neuen Bildern des buchstäblich,räumlich Ausgeschlossenen auf, der im...
Wehe! Schwarze Schafe in Sankt Gallen! / Mai/ 18/ tissaa’taasch
Lichtflecken glitzern am Satzhang. Blanka Beirut ist in der Schweiz. Heile Welt in grau und braun und müde. Blanka ist böse, denn das sind wirklich keine Sommerfarben. Aber es ist ja nur einen Tag lang, murmelt der Nymphensittich...
Dichter dran - Slamburg Hamburg
„Es war mal wieder einer dieser verkackten Abende, wo es zu früh dunkel wurde und zu spät hell…“ So könnte ein Poetry-Slam-Text beginnen. So etwa irgendwie. Oder auch anders. Also: „Es war irgendwie mal wieder so in etwa einer dieser irgendwie verkackten Abende“ oder so. Auf jeden Fall gehört das Irgendwie irgendwie zum Slam dazu und es fragt sich, ob damit die Freiheit des Autors oder die Freiwilligkeit des Zuhörens angedeutet sein will. Egal – auch dieses kleine Wort gehört zum Vokabular der Performer, dem Outspoken...
Der Aspektraum der Arroganz
Manchmal reichen fünf Minuten, während derer man sich den Meldungen des Tages aussetzt, um als Mensch in ein Loch wegzusacken und sich zutiefst unwohl zu fühlen. Nicht als persönlicher Mensch, sondern als Teil einer Gattung, die bei allem was sie tut, scheinbar nur eines im Sinn hat – den eigenen Vorteil. Ein gut entwickeltes Gehirn ist dabei eine Trumpfkarte der Evolution, die den Spieler siegessicher macht. Und stolz. Als hätte er sich selbst erfunden. Der Mensch strotzt vor Arroganz, „hochmuth ists, wodurch die engel fielen“, wußte...
stimmenlätzchen, nachricht hoffnung/ Mai/ 17/ sabaa’tasch
Spargelgeschichten kann man essen, dass behauptet zumindest die Frau mit der eisweißen Bluse. Mit ihr isst Blanka Beirut gerade zu Mittag. Eben Spargelgeschichten und Tofu in Aspik.
Die Sonne scheint endlich und nun gleich maßlos, knallt auf Blankas Kopf, doch das ist nicht schlimm...
Hallescher Bildungsabend. Ein Mitläufer berichtet
Sabine Trauder (auch zu ihrem Schutz habe ich wie üblich alle Namen in der Kolumne bis zur Unkenntlichkeit verändert), die uns zu diesem Abend überredet hatte, weil ich etwas von dem Thema des Abends verstünde – ich fühlte mich geschmeichelt und konnte ihr doch nur recht geben in dieser Annahme – wollte mich als Joker im Publikum sitzen haben, falls sie als Podiumsdiskutantin bei einer Frage nicht mehr weiterkäme. Die Veranstaltung hieß nicht „Wer wird Millionär“, sondern „Utopie – schwarz auf weiß“...
Birkenkindertod / Mai / 16 / sitaasch
Ein gigantischer Dill steht vor Blankas Beiruts Haus. Es ist die Weide, die geschüttelt wird vom Lärm grausamer Dacharbeiten gegenüber. Kurz vorher war alles still nur die Tauben wieder, sie spielten Gespenst, bis auch das Dach wach.
Mainacht Grenze
Nach der Maiennacht an der Grünen Grenze folgt für Jahrzehnte Gedächtnis-Loch, wie kamen wir von Helmstedt nach Bielefeld, irgendwas mit Eisenbahn, grauen Bahnhof, Trümmerfelder Leipzig und Bielefeld nicht zu unterscheiden, Unruhe und Angst ... Aufatmen. Helle Bilder. Haus weiß, Kartoffelgarten, Name Tiemann, Mädchen mit Korkenzieherlocken...
Osteramsel, deutscher Mundgeruch / April/ 15/ chamestasch
Blanka Beirut schreibt auf und zwischen Linien unter einer Lampe die aussieht wie Raumschiff und schwebt davon. In der Wohnung ist es still, nur der Stift macht Mucken und Mückentöne. Dawischen: Fliegenkamikaze. Deshalb bricht sie kurze Zeit später nach Nordhessen auf. Im ersten Regionalexpress sind Alkoholkonsumenten...
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