AUSGABE 1
Editorial
Lit-eX? Noch eine Literaturzeitschrift? Wie ungezählte andere Kulturblätter zuvor,
von chronisch verkannten Jung-Genies hergestellt, die ihre trostlosen Ergüsse auf
reguläre Weise an keinen Mann bringen und nun in Eigendruck und Selbstverlag
respektive Internet den
letzten Weg ins Heil erblicken?
Nun, soviel ist sicher: Die Herausgeber dieser virtuellen Blätter sind nicht mehr gar so arg jung,
können mithin der obigen Spezies schwerlich zugerechnet werden. Das wäre schon mal
klargestellt.
Was wird drinstehen im neuen Periodikum (zweimal im Jahr soll es erscheinen; bei
Bedarf auch seltener)?
Von Erbaulichem oder Verquastem jedweder Art, das sei feierlich gelobt, nehmen wir Abstand.
Dem deutschen Feuilletonwesen fühlen wir uns nicht verbunden und möchten daher auch nicht
dessen Arbeit tun. Unsere Neigung gehört der Invektive, der knappen, nötigenfalls auch
ausschweifenden Beleidigungsrede. Diesem Laster gedenken wir mit einiger Zügellosigkeit
zu frönen. Möge die vorliegende erste Ausgabe Zeugnis davon ablegen.
Habituellen Cholerikern und notorischen Miesepetern wie uns bietet diese Republik
überreichlich Erregungsstoff. Auf den Gebieten der Literatur, bildenden Kunst, Musik,
Filmerei, Politik, Wissenschaft (von Fernsehen, Pressewesen, Werbung und dergleichen ganz
zu schweigen) wird hekatombenweise Zweifelhaftes, ja Hanebüchendes in die Welt gesetzt.
Das können und wollen wir nicht länger schweigend hinnehmen. Schaumschläger, Faselhanse,
Scharlatane jedweder Couleur gehören in die Schranken gewiesen. Dieser Aufgabe wird sich
Lit-eX mit ganzer Kraft und Hingabe widmen.
Warum der Aufwand überhaupt?
Nun, geben wir es freimütig zu: Hehre Motive bewegen uns keine. Die Gemütshygiene steht
im Vordergrund. Wir möchten uns - oben angedeutet - entlasten vom Überdruck des Zorns auf
allen möglichen Unsinn, der uns unablässig zugemutet wird. Wir erklären ausdrücklich nicht,
einen Beitrag zur Kultur der Kritik (oder umgekehrt) leisten zu wollen. Das käme uns zu
kleinkariert großspurig vor.
Wenn aber im Zuge unserer flächendeckend angelegten Nemesis gewisse Läuterungseffekte auf
seiten der Täter einträten und der Blick der Opfer für talmihaften Trug, substanzlose
Aufgeblasenheit, für das 'Nichts im Gewande des Scheins' sich schärfte, so würden wir diesen
Umstand, als Nebenwirkung unserer privaten Gemütspflege gewissermaßen, in Gottes Namen in Kauf
nehmen.
Die Redaktion
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