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Magazin für Verrisse aller Art     Archiv

Herausgegeben von Dieter Conen & Hadi Eberhard

   



AUSGABE 1



Schreiberhack III



J. v. Westphalen

Fangen wir mit den erfreulichen Dingen an: Die sogenannte Duckwitz-Trilogie des vorstehend genannten Autors ist mit Erscheinen des Bandes 'Die bösen Frauen' abgeschlossen. Von der Sorte wird so bald nichts nachkommen. Vielen Dank. Sind uns bei der Lektüre des ersten Bandes 'Im diplomatischen Dienst' noch die Füße eingeschlafen ob der saharahaften Ödnis der Story (und haben wir daraufhin den zweiten Band geflissentlich übergangen), so verhält sich die Sache beim nunmehr vorliegenden Abschlußwerk, (auf dessen Lektüre zu verzichten wir aus dienstlichen Gründen uns haben versagen müssen) doch etwas anders. Der Autor hat dazugelernt, was bei derart fleißigem Training nicht ausbleiben kann. Aus der überanstrengten, nahezu ungenießbaren 'Hey-hier-versucht-sich-der-Verfasser-neckischer-Essaydutzendware-auch-einmal-an-einem-veritablen-Roman-und-boah-ey!-der-ist-sowas-von-schwierig-hinzukriegen-und-wenn-ich-nicht-Brötchen-verdienen-respektive-Schreiberruhm-mehren-müßte-würde-ich-die-Finger-von-dieser-bescheuerten-Sache-lassen'-Sprache ist beim dritten Versuch ein durchaus flotter Plauderton geworden. Lesewiderstand tendiert gegen Null. Auch scheint neuerdings Blut in den Adern seiner Romangestalten zu zirkulieren, nicht bloß dünnflüssige Tinte. Jedenfalls soweit es Männerfiguren betrifft. Der Möbelimporteur van Instetten, das indonesische Schlitzohr Risal, später auch Hugo, das Gewissen der französischen Nation, sind Typen, die so recht (oder doch einigermaßen) aus dem Leben gegriffen erscheinen. Phasenweise hört man tatsächlich die Figuren-Konstruiermaschine nicht hämmern und nieten. Bei den Frauen allerdings rattert das Ding zum Gotterbarmen und es spuckt, wenn ich recht sehe, durchgehend Abziehbilder aus: Zicken, Tussies oder steile Zähne. Unter Weibsleuten gibt es offenbar keine vernünftigen Menschen, solche also, die einen chronischen Vögelsüchtling (und das sind wir im Grunde ja alle) ohne Heckmeck an die Buletten lassen. Malheurdicaque! So sehr der Macho in uns mitfühlt mit dieser Klage (und gern noch eins draufgesetzt sähe), so sehr bringt sie doch den besseren Teil in uns, den heimlichen Feministen, auf die Palme. Egal. Wir fragen uns: Warum diese überzeichnete Beinahe-Groteske? Haut der Autor die Damenwelt vollabsichtlich in die Pfanne? Mit welchem Motiv? Oder mißrät ihm die Sache mit den Frauen wider Willen zum Comic-Strip? Und worin läge der Grund dafür? Hypothese: Letzteres ist der Fall, und der Grund für das Mißlingen ist in des Verfassers fatalem Hang zu griffigen, überpointierten, 'brillant' formulierten Wendungen zu suchen. Diese Marotte, ja, Obsession hat apodiktischen, wirklichkeitsverkürzenden Charakter und führt unweigerlich zu Stereotypen, die den Text sofort wertlos machen. Zur Daseinserhellung taugt er nicht mehr, allenfalls noch zur Unterhaltung auf Seifenopern-Niveau. Ein paar Beispiele zum Beleg:

"(Die Frauen) hörten gern zu, wenn man von der Bedeutung der Liebe sprach, aber sie glaubten einem nicht. Kaum hatte man ausgeschwärmt, wandten sie sich den runden Geburtstagen ihrer Freundinnen und der Planung des nächsten Urlaubs zu. Man mußte sich umbringen, damit sie an die Macht der Liebe glaubten." ... "Trau keinem Intellektuellen und vor allem keiner Intellektuellen, sagte er laut zu sich. Trau keinem Philosophen und vor allem keiner Philosophin." ... "Rita und Ines waren beide auf unterschiedliche Art unintellektuell. Sie nahmen ihr Leben ernst. Intellektuelle nehmen nichts ernst." ... "Die Sinnlichkeit intellektueller Frauen war Harry suspekt geworden." ... "(Sie hatte) ihn daran erinnert, daß Liebe und Würde nichts miteinander zu tun haben" ... "Ob das Leben das allerletzte war oder doch schön, hing jetzt von Roberta ab. Sie konnte ihm den Glauben an die Frauen endgültig nehmen oder wiedergeben." ... "Während er in wenigen Sätzen möglichst lässig und selbstironisch sein Liebesleben der letzten vier Jahre wiedergab, erschrak er, zu welchem Kleingeld sich große Gefühle herunterinterpretieren ließen."

Dieses Potpourri von Sentenzen (das sich beliebig erweitern ließe) klingt hier und da durchaus nach großen Gedanken. Manchmal will man gar aufjubeln: Jawoll! Bingo! Voll getroffen! Doch schnappt hier nur der allerseichteste Alltagsverstand begierig nach den lutschbonbonhaften, sofortverständlichen Sätzlein. Eine Sekunde innegehalten und hingedacht, und es wird klar, daß das, was uns hier auf über 400 Seiten geboten wird, nur eine durch sprachlichen Schliff veredelte Untermenge jenes unsäglichen Halbschlaumeier-Gequatsches ist, das uns aus allen Kanälen, Life-Style-Postillen usw. tagaus, tagein entgegenschlägt. Der Autor weiß es selbst, das spürt man zwischen den Zeilen: Im Grunde taugt das alles zu nichts, als ein paar unbedarften Jüngerinnen im Verlauf eines Dichterauftritts ("Der arme, trostbedürftige Mann!") die Höschen feuchtzulesen. Und es würde mich nicht wundern, wenn J.v.W., der mutmaßliche Schwerenöter und Fuchs, die gesamte Trilogie allein zu nämlichem Behufe verfaßt hätte. Gut Holz, wünschen wir diesigenfalls.

Rita Rundschlag




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