AUSGABE 5
Bemerkung über die BUNTE
Wer nicht von Gott und seiner kreatürlichen Neugier verlassen ist, den
interessieren Nachrichten aus den Kreisen der Reichen, Schönen und
Berühmten. Man will doch wissen, wie das Leben in der
Society-Stratosphäre funktioniert, also jenseits aller Beschränkungen,
denen der Normalmensch unterliegt: Grenzenlos Geld, Annerkennung und
Begehrtsein beim anderen (gleichen) Geschlecht.
Wie wird einer damit fertig?
Steigt ihm sein Vorzugslos zu Kopf? Schlägt es ihn nieder? Bringt es
ihn auf die schiefe Bahn eines nimmerendenden Partyzirkus', auf dem im
Kreis immergleicher Kumpane ein Glück abgefeiert wird, das längst
keines mehr ist, weil, wer alles hat oder kriegen kann, der sehnt sich
nicht mehr. Und ohne Sehnsucht ist das Leben ein toter Fisch. Ja, das
ist es: Im Grunde wollen wir sehen, dass diese Glückskinder
unglücklich sind, damit wir unser eigenes kümmerliches Dasein ertragen
können, uns aus demselben nicht immer und mit aller Macht
wegzuwünschen brauchen.
Wir wollen sehen, wie ein Adelsfrüchtchen (Maja von Hohenzollern) in
der Blüte seiner Jahre einen herrlichen Bräuross-Hintern in die Kamera
hält und mit Blendax-Lächeln unterm Federhut in eine Zukunft geht, die
neurotische Lüstlinge von prinzlichem Geblüt in Serie bringen wird,
bis der Achtersteven in Falten liegt.
Wir wollen sehen, wie Szene-Girlies (Ariane Sommer) in rastloser
Self-Promotion peu à peu zur Party-Mumie vertrocknen.
Wir wollen sehen, wie stockfischige Ex-Topmodels (Nadja Auermann) an der
Seite eines Pippi-Bubis von Ehemann dem dutzendfachen Betrogenwerden
entgegen dämmern.
Wir wollen sehen, wie in den Mienen von alternden Weltstars (Michael
Douglas), die blutjunge Starlets (Catherine Zeta-Jones) geehelicht
haben, die Erschöpfung über das ewige Jungseinmüssen nistet und die
Enttäuschung überlaut plärrt: 'So hatte ich mir das alles nicht
vorgestellt'.
Wir wollen sehen, wie sich deutsche Musikproduzententöchter (Giulia
Siegel) mit farbigen Strähnchen im Haar für die Meute der
Fashion-Einfaltspinsel zum Trendaffen machen.
Wir wollen sehen, wie es die Adelsproletinnen aus Monaco (z.B. Caroline)
dermaßen vor ihrer Operettenexistenz graust, daß sie selbst welfische
Prügelprinzen für eine Erlösung aus ihrer Daseinsqual halten.
Wir wollen sehen, wie Modeschöpferinnen und Prominentenarzt-Gattinnen
(Karin Müller-Wohlfahrt) in Sackkleider gewickelt mit
schreckensgeweiteten Augen in die Kamera starren. Und der Schrecken
heißt: die ewige Jugendlichkeit des Gatten, neben der sie wie eine
frisch geliftete Frühgreisin wirkt.
Wir wollen schließlich sehen, daß eine portugiesische Jetsetdame (Tasha
de Vasconcelos) so unfaßbar edel und schön ist, daß man sie sich nur
mehr als krönenden Einrichtungsgegenstand eines mit allen Schikanen
ausgestatteten Fürstensitzes vorstellen kann, nicht als
Menschenweib, das so was Unedles tut wie Beine breit machen, schwitzen oder
gar furzen; so wird ihr armer Teigkopf von Prinz für eine heiße Nummer
doch wieder nach den Kammerzofen haschen müssen.
Das alles wollen wir sehen. Und die BUNTE zeigt ein bißl was davon.
Deshalb ist sie uns lieber als zum Beispiel hundert faktenschwangere
FOCUS-Ausgaben. Was wir aber nicht sehen wollen - und weshalb wir die BUNTE letztlich
ablehnen müssen - ist einen gewissen Herrn Ulrich Kaiser, von
Beruf offenbar Oberpharisäer, der mit Schaum vor dem Maul über den
armen Fußballlehrer und Freizeitkokser Christoph Daum herfällt als sei
er der Nuntius des Jüngsten Gerichts. Kein einziger vernünftiger
Gedanke zum Thema Drogen findet sich in dieser geifernden Abhandlung*),
nur wüstes, moralinsaures Fingergefuchtel, das offenbart, dass diese
Zeitschrift mitnichten ein subtil subversives Zersetzungsorgan ist, wie
ich freudig schon fast anzunehmen geneigt war, sondern aus der
dumm-konservativen, stupid staatserhaltenden Ecke kommt, einem Biotop,
das sich offenbar unversehrt aus den miefigen Fünfzigern in die
Jetzt-Zeit gerettet hat und nun ganz neue, eklige Blüten treibt. Pfui
Teufel, Frau Riekel!
*) Man könnte zum Beispiel erwägen, jedem erwachsenen Menschen selbst
die Entscheidung darüber zu überlassen, was er mit seinem Körper und
seinen Hirn anstellen will. Man könnte auch auf den Gedanken kommen,
dass der Appeal, den Drogen haben, zum Gutteil aus ihrer
gesellschaftlichen Ächtung stammt. Mit ein paar Prisen Koks in der Nase
kann jedes hergelaufene Millionärstöchterlein für eine Weile die
schicke Rolle des Outcasts spielen - nur mal so ins Blaue gedacht.
Rita Rundschlag
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