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Magazin für Verrisse aller Art    Archiv

Herausgegeben von Dieter Conen & Hadi Eberhard

   



AUSGABE 5




Bemerkung über die BUNTE


Wer nicht von Gott und seiner kreatürlichen Neugier verlassen ist, den interessieren Nachrichten aus den Kreisen der Reichen, Schönen und Berühmten. Man will doch wissen, wie das Leben in der Society-Stratosphäre funktioniert, also jenseits aller Beschränkungen, denen der Normalmensch unterliegt: Grenzenlos Geld, Annerkennung und Begehrtsein beim anderen (gleichen) Geschlecht.

Wie wird einer damit fertig?
Steigt ihm sein Vorzugslos zu Kopf? Schlägt es ihn nieder? Bringt es ihn auf die schiefe Bahn eines nimmerendenden Partyzirkus', auf dem im Kreis immergleicher Kumpane ein Glück abgefeiert wird, das längst keines mehr ist, weil, wer alles hat oder kriegen kann, der sehnt sich nicht mehr. Und ohne Sehnsucht ist das Leben ein toter Fisch. Ja, das ist es: Im Grunde wollen wir sehen, dass diese Glückskinder unglücklich sind, damit wir unser eigenes kümmerliches Dasein ertragen können, uns aus demselben nicht immer und mit aller Macht wegzuwünschen brauchen.

Wir wollen sehen, wie ein Adelsfrüchtchen (Maja von Hohenzollern) in der Blüte seiner Jahre einen herrlichen Bräuross-Hintern in die Kamera hält und mit Blendax-Lächeln unterm Federhut in eine Zukunft geht, die neurotische Lüstlinge von prinzlichem Geblüt in Serie bringen wird, bis der Achtersteven in Falten liegt.

Wir wollen sehen, wie Szene-Girlies (Ariane Sommer) in rastloser Self-Promotion peu à peu zur Party-Mumie vertrocknen.

Wir wollen sehen, wie stockfischige Ex-Topmodels (Nadja Auermann) an der Seite eines Pippi-Bubis von Ehemann dem dutzendfachen Betrogenwerden entgegen dämmern.

Wir wollen sehen, wie in den Mienen von alternden Weltstars (Michael Douglas), die blutjunge Starlets (Catherine Zeta-Jones) geehelicht haben, die Erschöpfung über das ewige Jungseinmüssen nistet und die Enttäuschung überlaut plärrt: 'So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt'.

Wir wollen sehen, wie sich deutsche Musikproduzententöchter (Giulia Siegel) mit farbigen Strähnchen im Haar für die Meute der Fashion-Einfaltspinsel zum Trendaffen machen.

Wir wollen sehen, wie es die Adelsproletinnen aus Monaco (z.B. Caroline) dermaßen vor ihrer Operettenexistenz graust, daß sie selbst welfische Prügelprinzen für eine Erlösung aus ihrer Daseinsqual halten.

Wir wollen sehen, wie Modeschöpferinnen und Prominentenarzt-Gattinnen (Karin Müller-Wohlfahrt) in Sackkleider gewickelt mit schreckensgeweiteten Augen in die Kamera starren. Und der Schrecken heißt: die ewige Jugendlichkeit des Gatten, neben der sie wie eine frisch geliftete Frühgreisin wirkt.

Wir wollen schließlich sehen, daß eine portugiesische Jetsetdame (Tasha de Vasconcelos) so unfaßbar edel und schön ist, daß man sie sich nur mehr als krönenden Einrichtungsgegenstand eines mit allen Schikanen ausgestatteten Fürstensitzes vorstellen kann, nicht als Menschenweib, das so was Unedles tut wie Beine breit machen, schwitzen oder gar furzen; so wird ihr armer Teigkopf von Prinz für eine heiße Nummer doch wieder nach den Kammerzofen haschen müssen.

Das alles wollen wir sehen. Und die BUNTE zeigt ein bißl was davon. Deshalb ist sie uns lieber als zum Beispiel hundert faktenschwangere FOCUS-Ausgaben. Was wir aber nicht sehen wollen - und weshalb wir die BUNTE letztlich ablehnen müssen - ist einen gewissen Herrn Ulrich Kaiser, von Beruf offenbar Oberpharisäer, der mit Schaum vor dem Maul über den armen Fußballlehrer und Freizeitkokser Christoph Daum herfällt als sei er der Nuntius des Jüngsten Gerichts. Kein einziger vernünftiger Gedanke zum Thema Drogen findet sich in dieser geifernden Abhandlung*), nur wüstes, moralinsaures Fingergefuchtel, das offenbart, dass diese Zeitschrift mitnichten ein subtil subversives Zersetzungsorgan ist, wie ich freudig schon fast anzunehmen geneigt war, sondern aus der dumm-konservativen, stupid staatserhaltenden Ecke kommt, einem Biotop, das sich offenbar unversehrt aus den miefigen Fünfzigern in die Jetzt-Zeit gerettet hat und nun ganz neue, eklige Blüten treibt. Pfui Teufel, Frau Riekel!

*) Man könnte zum Beispiel erwägen, jedem erwachsenen Menschen selbst die Entscheidung darüber zu überlassen, was er mit seinem Körper und seinen Hirn anstellen will. Man könnte auch auf den Gedanken kommen, dass der Appeal, den Drogen haben, zum Gutteil aus ihrer gesellschaftlichen Ächtung stammt. Mit ein paar Prisen Koks in der Nase kann jedes hergelaufene Millionärstöchterlein für eine Weile die schicke Rolle des Outcasts spielen - nur mal so ins Blaue gedacht.


Rita Rundschlag




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