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Magazin für Verrisse aller Art    Archiv

Herausgegeben von Dieter Conen & Hadi Eberhard

   



AUSGABE 5




FOCUS - Lesefutter für den Infoabschaum


Ich habe mir zwei Ausgaben dieses 'modernen Nachrichtenmagazins', die Nummern 7 und 8 des laufenden Jahres, zum Zwecke der Rezension zu Gemüte geführt. Ich musste mich, das sage ich gleich, elend hindurch quälen durch den 'Fakten-Fakten- Fakten'-Schmonzes. Am Ende war ich derart erschüttert von der Lektüre, dass ich den Selbstmord erwog. Denn wenn die Welt so ist, dachte ich, wie dieses Magazin sie darstellt, möchte ich keinen Tag länger darin verbringen. Die FOCUS-Welt ist bevölkert von mediengeclonten Zampanos, denen man sich nur auf dem Bauch kriechend nähern darf (siehe etwa das Tom-Wolfe-Interview in Heft 8). Sie wird beherrscht von allmächtigen Entertainment- und Konsumgüterkonzernen, die am Tropf gewaltiger Werbebudgets nur solche Presseorgane, darunter den FOCUS, am Leben erhalten, die willig als publizistische Verlängerung ihrer Marketingabteilungen dienen (siehe die Berichterstattung über den neuen Hannibal Lecter-Film oder das Gefälligkeitsgutachten zu Milan Kunderas jüngstem Opus 'Die Unwissenheit'). Sie, die FOCUS-Welt, besteht des weiteren überwiegend aus erfolgreichen Schönmenschen (B. Becker & Konsorten), die, im Gegensatz zu Hinz und Kunz, aus dem Leben das Maximum an Honig saugen und zwar in Form von Macht oder/und Luxuswaren und -dienstleistungen und/oder einer unbegrenzten Zahl knackfrischer Kopulationspartner. Das Magazin fordert unseren Neid auf diese Sorte Mäuse ein und das inbrünstige Streben, eben dorthin zu gelangen, wo diese Zeitgeistikonen sich tummeln - auf dem Anbetungsolymp. Freilich huldigt das Nachrichtenmagazin den Großen dieser Welt nicht nur, es gibt dann und wann auch Widerworte. Nicht umsonst nennt man sich 'modern'. Allerdings widerwortet man nur dort, wo das gefahrlos machbar ist, das heißt, wo die Redaktion sich in ihrer Aufmüpfigkeit mit 99,9 Prozent ihrer Leseschäfchen einig weiß und garantiert nicht zu befürchten steht, dass von einer schnippischen Wendung eine Inspiration zu einem auch nur entfernt gesellschaftskritischen Gedankengang ausgeht. So nimmt man sich etwa beim umstrittenen Thema 'Klonen' heraus, den Kollegen eines wagemutigen Wissenschaftlers flapsig als 'Klonkumpel' zu bezeichnen, der 'seit 25 Jahren im Befruchtungsbusiness' tätig sei. Oder: In einer Story über jüngst auseinandergebrochene VIP-Partnerschaften gestatten die Autoren sich einen stark missbilligenden Tonfall ob der in Mode gekommenen, schönfärberischen Trennungsstatements der ungetreuen (Ehe-)Männer. Sie biedern sich damit an die moralischen Standards der in sexueller Unterbeschäftigung darbenden schweigenden Mehrheit an und legitimieren die Paarungsspielchen doch zugleich unterschwellig als einen für Erfolgreiche durchaus akzeptablen, ja wünschenswerten, wenn nicht gar obligatorischen Lebensstil. Stinos wie du und ich sind davon ausgeschlossen, dürfen allenfalls einen sehnsüchtigen Blick durch das FOCUS-Fenster in dieses Paradies des Ruhmes, des Geldes und der Lüste werfen. Es ist eine Seuche mit diesem Blatt! Affirmation um jeden Preis, die Verteidigung des Bestehenden mit allen Mittelchen und Tricks, selbst den primitivsten. Und was kann es primitiveres geben, frage ich, als gegen etwas zu sein, gegen das die meisten sind? Und entsprechend für etwas zu sein, was die Mehrheit will, allerdings mutmaßlicherweise nur deshalb will, weil ihr sämtliche Wünsche und das uniforme Weltbild durch Sprachrohre wie den FOCUS unablässig eingesagt werden. Ist doch wahr! Und wessen Sprachrohr ist der FOCUS denn eigentlich? Sind das die legendären Tycoons an den ominösen Schalthebeln der Macht, die die Volksmassen zu konsumwütigen Duckmäusern abrichten wollen, damit sie ihr rauschendes Wohlleben umso zügelloser genießen können? Sind das die angestellten Nadelstreifenmanager, jene Riege sozial-inkompetenter Infantilgemüter, für die Business die Fortsetzung des frühkindlichen Schaufelklauens und Sandwerfens mit anderen Mitteln ist, und die über das Old-Boys-Netzwerk (Redakteursspezln) ein günstiges Absatzklima für ihre überflüssigen Produkte schaffen wollen? Derart infame Strategien hinter einem Blatt wie dem FOCUS zu vermuten, hieße, fürchte ich, demselben zu viel Ehre anzutun. Solche Strategien setzen präzises Denken, kriminelle Energien und skrupellose Manipulierlust voraus - verwerfliche Eigenschaften, die wir, Gott behüte, der armen Wochenzeitschrift nicht unterstellen mögen. Eher schon, denken wir, obwaltet bei dem Magazin das, was man in feiner Umschreibung des kollektiven Bretts vorm Kopf 'konservative Gesinnung' nennt, eine diffuse Melange aus Ignoranz, Machtanbetung und einem Schuss Größenwahn, der den gequirlten Nachrichten-Scheiß, der dort produziert wird, für großartige journalistische Arbeit hält. Es steht aber kein einziger wahrer Satz über das Dasein in den zwei Ausgaben dieser Postille. Nirgends. Nur Gewäsch. Und so kommt dann Woche für Woche ein Machwerk zustande, das dem Publikum, frei von allem Humor und jeglicher Selbstironie, die Welt so präsentiert, wie ich es oben beschrieben habe. Die Lektüre dieses Magazins ist, kann man sagen, eine einzige Einübung ins Untertanentum, in die Unterwerfung unter die Herrschaft des schnöden Mammon und den Fetisch des schönen Scheins und damit letztlich unter den Stumpfsinn und die vollkommene Verblödung. Wer FOCUS regelmäßig liest und darüber seinen Verstand nicht verliert, der hat nie etwas zu verlieren gehabt. Infoelite? Dreimal darf gelacht werden.


Isolde Nöle-Nörgelbein




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