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Ausschnitt aus DIE ALTE KATZE UND DAS MEER von Uschi Zietsch

MEERKATZEN
MEERKATZEN

Alisha Bionda (Hrsg.) / Tanya Carpenter (Autor) u.a.
Anthologie / Kurzgeschichten

Arunya-Verlag
Covergrafik: Shikomo
Covergestaltung: Shikomo
Innengrafiken: Shikomo

PFOTEN-REIHE: Band 1
eBook

Jan. 2016, 4.99 EUR
auch als eBook erhältlich

Der alte Mann war pünktlich. Die Glocke der Kirche im Zentrum über dem Hafen schlug drei Uhr, und exakt beim dritten Schlag stellte der alte Mann wie jeden Tag seinen Klappstuhl auf, schöpfte aus dem Hafenbecken Wasser in den Eimer, stellte ihn rechts neben sich, setzte sich hin und steckte die Angel zusammen. Es war nur eine einfache, selbst gebaute Angel, nicht dieses hochmoderne Zeug, das die Touristen draußen auf dem offenen Meer benutzten oder mit dem sie in Flussläufen herumwateten.
Der alte Mann hatte zeitlebens als Fischer gearbeitet und wusste, wie man Fische auch mit einfachem Gerät fing. Auf die Art des Hakens und den richtigen Köder kam es an, und das bekam man nicht mit Fabrikware, sondern nur durch geschickte Hände und Erfahrung zustande. Und dazu gab es noch so einige kleine Geheimnisse, die der alte Mann nicht preisgab.
Für die Fischerei war er längst zu alt, bezog eine bescheidene kleine Rente, mit der er gerade so auskam. Er konnte die Miete für sein kleines Zimmer aufbringen und sich das Nötigste zum Essen kaufen, für Fleisch reichte es meistens nicht. Aber danach stand ihm ohnehin nicht der Sinn. Der Fisch und er, sie beide waren auf einzigartige Weise ein Leben lang miteinander verbunden.
Und das Meer.
Sein Zimmer mochte schäbig sein, seine Kleidung schon bessere Tage gesehen haben, aber jeden Morgen, wenn er die Läden öffnete, öffnete sich auch sein Herz bei dem Anblick des Meeres, über dem gerade die Sonne aufging. Das Glitzern da draußen, die sanfte Wellenbewegung, die Silhouetten der kreisenden Vögel auf der Suche nach todesmutig springenden Fischen. Dann lächelte der alte Mann das einzige Mal am Tag, mit einem warmen Glanz in den Augen, und leise pfeifend ging er zum Waschbecken, machte sich an den täglichen Kampf gegen die rauen Stoppeln, spritzte ein wenig Wasser ins Gesicht und wusch die rauen, groben Hände mit Seife. Danach das Gebiss eingesetzt und mit dem Kamm durch die schütteren grauen Haare gefahren.
Ein kleines Frühstück, anschließend ein paar Einkäufe und dann ein Kaffee mit einer Zigarette in der Bar. Er ließ sich die Sonne ins faltige, dunkel gegerbte Gesicht scheinen und hörte dem leisen Rauschen des Meeres und den Schreien der Möwen zu. Jetzt war es an der Zeit, Lotterie zu spielen, zuletzt kaufte er sich die Tageszeitung und setzte sich, um sie zu lesen, an die Mole.
Zum Mittagessen aß er ein Sandwich, und dann bereitete er sich darauf vor, „an die Arbeit“, wie er es nannte, zu gehen. Um drei Uhr, wenn das Sonnenlicht schon schräg auf das Wasser fiel und die Farben weicher zeichnete, war die beste Zeit.
Natürlich gab es wegen der Verschmutzung und Ausbeutung nicht mehr so viele Fische wie früher, und so richtig gesund waren die, die es noch gab, vermutlich auch nicht. Aber darüber machte sich der alte Mann keine Gedanken. Wozu denn auch? Ob er nun an Lungenkrebs wegen einer gelegentlichen filterlosen Zigarette, oder an Darmkrebs wegen eines quecksilbervergifteten Fisches starb, spielte nun wirklich keine Rolle. Er war alt genug, seinetwegen mochte der Schnitter jeden Tag kommen, vom Leben hatte er nichts mehr zu erwarten.
Außer jenen bewussten Momenten des Morgens, den würde er vermissen.
Aber das konnte er vom Himmel aus auch haben. Oder wo man so hinging nach dem Tod. Da gab es viele gescheite Wissenschaftler überall in der Welt, doch von diesen Dingen hatten sie keine Ahnung. Deshalb interessierte es den alten Mann ebenfalls nicht sonderlich. Früher oder später würde er es herausfinden. Und sein Wissen für sich behalten, wie alle anderen auch.
Mit routinierten, geradezu automatischen Handgriffen öffnete er an der linken Seite die kleine Tasche, in der er ein wenig Brot und eine Flasche Wasser mit sich führte, und außerdem die Dose mit den Ködern.
Während er den Angelhaken bestückte, murmelte er leise vor sich hin, rhythmisch wie ein Gebet oder Mantra, es war für Außenstehende unverständlich. Er bat das Meer höflich um eine Spende.
So, wie er es von seinem Vater gelernt hatte und der von seinem Vater davor.
Das Meer war hart und unnachgiebig, es nahm sehr viel. Aber es gab auch sehr viel, irgendwie kam es stets zu einem Ausgleich. Das Meer war die wahre Macht, nicht irgendein unsichtbarer Gott im Himmel.
Und falls er doch mächtiger war, schnell ein Kreuz geschlagen und kurz zum Himmel geblickt, verzeih mir, alter Mann, du kannst mich gern dafür tadeln, wenn ich demnächst vor deinem Tor zum Himmelreich stehe.
Zuletzt warf er die Schnur aus und ließ sich auf dem Klappschemel nieder. Den Hut schob er aus der Stirn und blinzelte in die Sonne. Die Temperaturen waren jetzt erträglich, und seinen alten Knochen tat diese sanfte Nachmittagswärme gut. Während die Angel für ihn nach Beute lauerte, lauschte der alte Mann auf die Geräusche hinter ihm.
Die Urlauber kamen von den Stränden zurück, mit oder ohne Kinder, um zu duschen und sich umzuziehen, einen Spaziergang an der Promenade entlang zu unternehmen oder einen Aperitif zu genießen, bevor sie nach einem Restaurant suchten.
Diese reihten sich hier alle entlang, und die ersten Kellner waren schon dabei, die Türen zu öffnen, Tische und Stühle aufzustellen und einzudecken. Kleine Ausflugsboote kamen zurück und fuhren an dem alten Mann, der an der Rinne saß, vorbei in den angrenzenden, stets vollgestopften kleinen Hafen. Segler trafen ein, auf der Suche nach einem Anlegeplatz, die viel zu selten und daher immer heiß begehrt waren.
Der alte Mann saß mitten in diesen Geschehnissen und war dadurch nie allein. Er nahm Anteil, ohne dass er ein Wort reden oder gar seine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Person richten musste.
Die Fische bissen trotz des Trubels, darüber machte er sich keine Gedanken. Sie waren hier geboren und hatten gelernt, dass viele Menschen zumeist Futter bedeuteten. Deswegen war auch diese Uhrzeit so günstig, denn ab dem Nachmittag bis zum Abend wurde häufig gefüttert oder Abfälle von den Schiffen ins Wasser geworfen. Das Angebot war reichhaltig, sodass die Fische schnell wuchsen. Damit blieb für alle etwas übrig, für die Möwen wie den alten Mann. Vor allem an dieser Stelle. Er kannte alle Plätze, und dieser hier war der beste.
Um vier Uhr wurde es wieder ein wenig ruhiger, denn die Touristen zogen sich in die Hotels zurück, die Kellner waren jetzt drinnen beschäftigt.
Für eine Stunde machte sich eine träge, entspannte Stimmung breit, mit ruhigen, gleichmäßigen Hintergrundgeräuschen.
Der Eimer des alten Mannes füllte sich. Heute war ein guter, ein sehr guter Tag. Mit diesem Fang würde er sich etwas dazuverdienen können, indem er einige Fische an den Händler in seiner Straße verkaufte. Das brachte ein paar Zigaretten, kleine Süßigkeiten, eine Flasche Wein, vielleicht sogar ein Hühnchen.
Da hörte er das Miauen.

Shikomo
Shikomo
© http://www.shikomo.de

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