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Ausschnitt aus CARLOS KATZENHERZ von Tanja Bern
Die Grillen zirpten und das Gras unter meinen Pfoten fühlte sich an wie ein nasser Teppich. Der Mond spendete kaum Licht, aber es reichte mir, um sie zu sehen die Maus, die durch die Halme huschte. ![]() Ich lief die Erhebung hinauf und strolchte zufrieden durch die niedrigen Sträucher. Das Meer unter mir plätscherte gegen die Klippen. Ich horchte auf. Ein Fiepen drang an mein Ohr. Es hörte sich nicht nach einer Maus an. Mein Blick glitt suchend über die Umgebung. In der Nähe lag ein zerstörtes Nest, das durch den Sturm von einem Baum gestürzt war. Ein Küken lag tot daneben, ein anderes sah mir direkt in die Augen. Langsam näherte ich mich und begutachtete es. Ein Falke! Ich wich zurück. Dies war keine Beute. Es war ein Jäger wie ich oder wollte es noch werden. Verdammt! Ich hatte zwar noch immer Appetit, doch ich war kein Nesträuber. Ich jagte, war ein guter Kämpfer ein Mörder war ich nicht. Ich seufzte innerlich. Ängstlich kauerte der Vogel in dem Nistplatz und bewegte sich nicht. Wider meiner Natur, ging ich zu ihm, stupste ihn mit der Nase an. Hey, komm schon, du bist ein Jäger der Lüfte! Sehe ich aus, als würde ich fliegen können?, fragte das Küken mit schwacher Stimme. Ich war verdutzt. Mir war vorher nicht bewusst gewesen, dass die anderen Tiere ebenso miteinander sprachen wie wir Katzen. Normalerweise fraß ich meine Beute und unterhielt mich nicht mit ihr. Nein, da du kaum Federn am Leib hast, ist das mit dem Fliegen wohl schwer. Ich setzte mich neben das Kleine und fragte neugierig: Was ist passiert? Mutter ist nicht zurückgekommen und das Nest fiel im Gewitter herunter. Ein leises Rascheln ertönte neben mir. Der strenge Geruch einer Ratte drang sich mir auf. Ohne zu überlegen, wandte sich mein Kopf nach rechts, alle Glieder und Muskeln spannten sich an. Ich sprang in die Luft und bekam das Vieh zu fassen. Mit einem raschen Biss ins Genick tötete ich es. Verstohlen sah ich mich um. Ich konnte in die Hotelanlage gehen und mir meine Portion Futter abholen Was solls, murmelte ich und warf dem Küken das Tier ins Nest. Überrascht sah es mich an. Warum? Du bist ein Jäger. Keine Beute höchstens eine sehr ungewöhnliche. Lautlos wandte ich mich ab und rannte zurück zum Strand. Die Morgensonne schien über die Felsen der Brandung und tauchte das Meer in einen goldenen Schimmer. Ich lief über den Sand und glitt geschmeidig die Treppen zur Straße hinauf, die zum Hotel führten. Durch ein Loch im Gebüsch schlüpfte ich in mein Paradies. Palmen und blühende Sträucher umrahmten kleine spanische Bungalows. Der Geruch von Weißbrot lag in der Luft und eine sanfte Brise ließ ein vergessenes Handtuch an einer Leine aufflattern. Rasensprenger verteilten das Wasser wie Tau auf den Wiesen. Zielstrebig ging ich zu einem der Häuser. Zurzeit wohnte hier eine Familie, die mir stets Leckereien vom Büffet mitbrachte. Ich setzte mich vor die Terrassentür und wartete geduldig. Nach einer Weile hüpfte ein blondes Mädchen den Kiesweg entlang. Mami, sieh mal! Die Katze ist wieder da! Seine Eltern kamen hinter ihr hergeschlendert. Auf dem Gesicht der Mutter breitete sich ein Strahlen aus, in ihrer Hand war etwas in eine Serviette verpackt. Der Mann rollte belustigt mit den Augen. Ich hörte, wie er brummte: Sicher ist er da. Der Kater ist ja nicht doof. Er weiß, wen er um den Finger wickeln kann. Die Frau stieß ihm in die Seite. Ich lief an dem Mädchen vorbei und schmiegte mich an die Beine ihrer Mutter, maunzte einschmeichelnd. Ja ich weiß, du hast Hunger. Nein, hatte ich eigentlich nicht, aber Appetit. Also tat ich so, als wäre ich dem Hungertod nah. Ich miaute aufgeregt. So schlimm? Hast du denn gar kein Mäuschen gefangen? Ich maunzte kläglich, damit sie begriff, wie hungrig ich war. Na, dann komm. Sie packte die Serviette aus und holte Wurst, Fisch und Käse hervor. Was für eine Ausbeute! Um meine Beherrschung war es geschehen. Ich drückte meinen Kopf bittend an ihren Rock. Sie lachte und legte alles fein säuberlich auf den gefliesten Eingang ihres Bungalows. Genüsslich machte ich mich über die Leckerbissen her. Nach dem Essen hüpfte ich zu ihr auf den Schoß, wo sie über mein getigertes Fell strich. Diese Touristin war wirklich ein guter Mensch, ich konnte nicht klagen. Schade, dass sie immer nur kurz blieben. Nun, es kamen andere, die ich ebenso um die Pfote »wickeln« würde. Später gingen sie zum Strand und ließen mich auf der warmen Terrasse zurück. Gemütlich legte ich mich auf ein T-Shirt, das der Mann liegen gelassen hatte, und beglückte es mit kleinen Fellbüscheln, die ich beim Putzen aus mir herauszupfte. Der Wind umschmeichelte mich und der Platz war angenehm für ein kleines Nickerchen. Ich schloss die Augen das Bild eines kleinen Kükens, das gegen die Hitze ankämpfte, drängte sich mir auf. Genervt drehte ich mich in eine andere Position. Was kümmerte mich der Vogel? Ich war ein Kater! Ob Maro das Küken auch verschonte? Unruhe überwältigte mich, mein Schwanz zuckte. Wäre ein gnädiger schneller Tod für den kleinen Falken besser gewesen? Mir fiel etwas ein! Wie von einer Tarantel gestochen, sprang ich auf und flitzte zwischen den Bungalows entlang. Auf dem Hügel stolperte ich gegen Maro. Ich fluchte innerlich. Fauchend verzog er sich unter eine Baumwurzel. Maro erkannte mich und kam wieder hervor. Du! Ich sagte dir doch ! Und ich sagte dir, wo du was zu fressen findest. Geh durch den Schatten! Ich bin schließlich auch heil über den Sand gekommen. Am dritten Bungalow links stehen gefüllte Näpfe mit Trockenfutter. Der Kater sah mich verblüfft an. Ich verspürte keine Lust auf einen Streit, also huschte ich davon und ließ ihn einfach stehen. Verflixt, es war wirklich heiß geworden. Mit Unbehagen fühlte ich, wie die Hitze durch mein Fell drang. Im schattigen Pinienwald atmete ich auf. Als ich an dem Nest ankam, lag das Falkenküken bewegungslos da. Der Vogel atmete kaum noch. Die tote Ratte war nur angepickt. Es war zu schwach gewesen. Ich rang mit mir. Sollte ich es doch töten? Oder ? Die Entscheidung fiel mir leichter als erwartet. Behutsam nahm ich das Küken mit dem Maul auf, nicht wie eine Beute, sondern als wäre es ein Katzenjunges. Rasch lief ich zur Anlage, zwängte mich durch einen Zaun und vor mir tauchte die weiße Villa der Hotelbesitzerin auf. Sie war anders, liebte Tiere. Wir Katzen bekamen Futter und ärztliche Versorgung, was auf unserer Insel selten vorkam. Würde sie hier auch helfen? Ich kratzte energisch an der Haustür. Eine Frau mit dunklem Haar öffnete und ließ mich ein. Ich nannte sie immer Lu, obwohl ich wusste, dass ihr Name länger war, doch diesen Laut konnte ich gut nachahmen und Lu liebte das. Was hast du denn da? Carlos! Du weißt, keine Beute im Haus! Friss es woanders! Ich überhörte ihr Schimpfen, legte ihr das Falkenküken vor die Füße und miaute leise. Ein Geschenk? Ach Carlos, das ist lieb, aber was soll ich mit einem nackten Vogel, der Das Kleine rührte sich. Du hast es nicht getötet? Ich strich Lu um die Beine, stupste den Vogel an und maunzte auffordernd. Lu sah ratlos zu dem Vogelbaby hinunter, dann beugte sie sich herab und begutachtete es. Ein Falkenjunges. Sie betrachtete mich. Carlos willst du mir erzählen, dass du einen kleinen Falken gerettet hast? Verlegen begann ich, mich zu putzen. Lu lächelte und streichelte mir über das Fell. Dann holte sie ein Handtuch und wickelte meine ungewöhnliche Beute vorsichtig darin ein. Ich beobachtete, wie sie den Vogel untersuchte. Es fehlt ihm nichts. Ich hab ihn nicht verletzt!, maunzte ich, doch so weit verstand sie die Katzensprache nicht. Hey, ist alles okay, Vogel?, miaute ich zu ihm auf. Das Küken piepste schwach und ich wertete das als Zustimmung. Gut gelaunt verließ ich das Haus, schob mich wieder durch die Umzäunung und verharrte überrascht. Maro war gekommen! Blitzschnell verbarg ich mich in einem Rhododendronbusch. Die Blüten verströmten einen starken Duft, der in meiner Nase kitzelte. Ich beobachtete zufrieden, wie Maro durch die Anlage schlich und sich über die Näpfe hermachte. Argwöhnisch beobachtete er meine Schwester und den Kater Juan, die in der Nähe verweilten. So rasch, wie er gekommen war, verschwand er auch wieder. Gemütlich strolchte ich zu Carla, die mich mit großen Augen ansah. Hast du das gesehen? Maro war hier! Ja, ich war es leid, mich mit ihm zu prügeln und hab ein wenig nachgeholfen. Carla schmiegte sich an mich. Was hast du Lu gerade gebracht? Och nichts. Sie würden es alle noch früh genug erfahren wenn das Küken überlebte. Carla trottete zu ihrem Freund Juan und legte sich dicht neben ihn. Der rote Kater rollte sich zufrieden auf den Rücken und schmiegte sich an meine Schwester. Ich war neugierig, wie Maro über den Sand gekommen war, also rannte ich zu den Klippen, die an die kleine Bucht führten. Touristen pilgerten ebenfalls zum Meer, ich beachtete sie nicht. Ich stellte mich auf die oberen Felsen und blickte hinunter zum Strand. Er war noch nicht überfüllt, nur einige Sonnenschirme waren bereits aufgespannt. Im tieferen Wasser sah ich Quallen träge mit den Wellen schwimmen. Die Flut würde sie weiter hinaustreiben. Die Bucht war von Pinien umrandet und an verschiedenen Stellen sah man Hotels, die sich wie große Bausteine in die Landschaft drängten. Der Himmel war wolkenlos. Die Umgebung sah aus, als würde man eine Postkarte betrachten. Mein Blick glitt zur gegenüberliegenden steilen Böschung. Ein dunkler Schemen drückte sich nahe an die Felsen. Maro! Seine Bewegungen schienen bewusst und vorsichtig zu sein. Bei jedem Geräusch zuckte er zusammen. Maro kam an eine Stelle, wo die Sonne ungehindert auf den Sand brannte und blieb stocksteif stehen. Er saß in der Falle. Der Kater hatte nicht daran gedacht, dass sich der Sonnenstand veränderte. Der Schatten, der am frühen Morgen den gesamten Strand bedeckte, verschwand und machte der Hitze Platz. Ich rannte leichtfüßig die steinernen Treppen hinunter und trat, ohne zu zögern, auf den warmen Sand. Ich wusste, zu heiß wurde er erst, wenn die ersten Gäste zum Mittagsbüffet gingen. Maro! Der Schwarze sah zu mir hinüber. Komm her, der Sand ist noch nicht heiß. Die Urlauber schauten zu mir herüber. Ich hörte, wie ein Mann ärgerlich auf mein Miauen reagierte. Mir war es egal, ich mochte ihre ewige Jammerei auch nicht. Mal war es zu heiß, an anderen Tagen fühlten sie sich durch ein paar Wolken gestört, die Sonnenschirme waren zu teuer, das Essen zu fettig, die Putzmittel rochen zu stark Ungerührt maunzte ich weiter und rief nach Maro, der endlich reagierte, als er bemerkte, dass ich unbeschadet mit den Pfoten im Sand steckte. Maro lief wie auf Eiern zu mir und ich sah die Angst in seinen Augen. Erst wenn die Menschen die Treppen zu der Anlage hochgehen, darfst du nicht mehr auf den Sand. Maro hechelte und antwortete mir nicht. Ich stupste ihn an. Na komm schon. Gehen wir in das Wäldchen. Wir huschten auf die Felsen und sprangen geschickt an den unteren Klippen entlang. Hier bin ich noch nie gewesen!, sagte er und blieb neugierig an einem Wasserloch stehen. Ein Krebs huschte unter einen Stein und kleine Fische flitzten umher. Fasziniert tauchte Maro eine Pfote in das kühle Meerwasser, leckte zaghaft darüber und verzog das Gesicht. Du kannst das nicht trinken. Das kommt vom Meer, erklärte ich. Haben sie auf deiner Anlage auch Wasser? Hast du Durst? Ja. Das kommt von dem Trockenfutter. Folge mir. Ich kenne einen Teich, der hier in der Nähe ist. Wir kletterten weiter über die Steine und ich führte Maro auf einen kleinen Trampelpfad. Maros Fell war anders als meines. Struppig und glanzlos legte es sich um seinen Körper. Er war mager und die goldenen Augen sahen verunsichert zu mir auf. Wir sind gleich da. Der Weg endete an einer blühenden Hecke, die von einem Zaungatter durchbrochen war. Wir schlüpften durch ein Loch in den Sträuchern und eine Villa tauchte vor uns auf. Maro wich zurück. Hier wohnen Menschen. Ja, und sie haben einen sauberen Teich, aus dem man trinken kann, erwiderte ich mit einem Raubtierlächeln, das meine scharfen Reißzähne zeigte. Maro knurrte etwas, das ich nicht verstand. Ich zeigte ihm das künstlich angelegte Gewässer und wir stillten beide unseren Durst. Später lagen wir auf dem kurz geschnittenen Rasen und sonnten uns. Das weiße Haus war im spanischen Stil gebaut. Auf der großen Terrasse standen Töpfe mit Azaleen in voller Blüte. Palmen wuchsen vereinzelt im Garten, spendeten ein wenig Schatten. Ich hörte, wie eine Tür geöffnet wurde, und sprang auf. Los, weg hier! Maro begriff nicht. Erst als der Mann in der Tür ein Kssssssssch zischte, um uns zu verscheuchen, sprintete er durch das Loch im Gebüsch. Wir lachten gurrend und sahen uns an. Maro war keinesfalls so übel, wie ich angenommen hatte. Ich gehe jetzt mal zurück, murmelte er. Okay. Maro verharrte, wandte sich aber nicht mehr um. Danke, Carlos. Kein Problem. Er huschte über die Felsen und verschwand zwischen den Kakteen. Weitere Leseproben[Zurück zum Buch] |
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