|
Ausschnitt aus TRJEGUL von Toni Alexander Ihme
Ich schlenderte mit der Angel über der Schulter die Straße zum Hafen hinab, als sich mir die Katze in den Weg stellte.
Ich meine das wortwörtlich.
Dies war keiner jener Momente, in denen eine Katze vor mir über den Weg schlendert, stehen bleibt und mir mit einem hochherrschaftlichen Blick versichert, dass sie mir großzügigerweise die Benutzung ihres Weges gestattet. Nein, diese Katze stemmte ihre Vorderpfoten auf den Boden, hob ihren buschigen Schwanz, musterte mich mit Augen aus geschmolzenem Bernstein und knurrte aus tiefster Kehle. Ihr Fellkragen wie er für norwegische Waldkatzen typisch ist ließ sie wie einen kleinen Löwen aussehen. Wenn ich sage klein, so meine ich keineswegs ungefährlich oder lächerlich. Ich spürte, oder glaubte zu spüren, dass von diesem Tier eine weitaus größere Gefahr ausging, als seine Größe vermuten ließ.
Meine ich muss es zugeben ängstliche Nervosität kam auch daher, dass diese spezielle Katze einen gewissen Ruf hatte. Obgleich ich immer nur einen Sommermonat im Dorf verbrachte, hatte ich schon des Öfteren von ihr gehört; meistens, wenn sie mal wieder jemanden gekratzt oder irgendetwas kaputtgemacht hatte.
Niemand mochte diese Katze. Niemand wusste, wie sie hieß, wo sie herkam. Und niemanden hätte es geschert, wenn sie den nächsten Winter nicht überstanden hätte.
Das alles ging mir durch den Kopf, als ich einige vorsichtige Schritte zur Seite machte.
Die Katze folgte meiner Bewegung.
Ich machte einen Schritt nach vorn.
Die Katze fauchte. Ihr schwarzgraues Fell sträubte sich und sie wuchs vor meinen Augen auf das Anderthalbfache ihrer ursprünglichen Größe an. Jetzt gewann mein Ärger die Oberhand. Ich hatte gestern Abend mit meinem Ferienwirt mehr als eine Flasche Wein geleert und mich trotz meines leichten Achtung, Wortwitz! Katers heute Morgen vor Sonnenaufgang aus dem Bett gequält, um zwei befreundete Fischer aufs Meer zu begleiten. Und jetzt fauchte mich diese dumme Katze an! Das konnte doch nicht wahr sein!
Ich beugte mich hinunter und versuchte, sie mit einer Handbewegung wegzuscheuchen.
Verschwinde, du blödes
Weiter kam ich nicht, denn jetzt befand sich meine Hand in ihrer Reichweite. Wie ein fellüberzogener Gummiball sprang die Katze empor und schlug nach meiner Hand. Ich schrie auf, als ihre Krallen eine blutige Spur über meinen Handrücken zogen. Mehr aus Reflex denn aus bösem Willen schlug ich mit der Angelrute nach ihr. Ich streifte sie mit dem Schaft, woraufhin sie mit einem unglaublichen Satz über den nächsten Gartenzaun hinweg entkam. In der Sicherheit des Blumenbeets fauchte sie mich noch einmal an und stolzierte dann davon, als wäre nichts gewesen.

Magne musterte meine finstere Miene und meine blutende Hand. Er brummte nur kurz und langte dann nach dem Erste-Hilfe-Kasten.
Wo bist du denn reingeraten?
Die Katze da bin ich reingeraten, murmelte ich, während er mir Desinfektionsspray auf die Wunde sprühte und sie dann geschickt zupflasterte.
Ach so, na ja, du bist jetzt das vierte Jahr hier irgendwann musste sie dich ja auch mal erwischen, hm?
Ein erschreckender Gedanke keimte in mir auf. Sag mal, glaubst du, dass
also, die hat doch keine Tollwut, oder?
Nee
Tobias machte inzwischen den Kutter fertig zum Ablegen. Während Magne aussah wie ein einem Wikinger-Bilderbuch entsprungener Riese, mit Schultern, die einem Stier Respekt eingeflößt hätten, war sein Bruder klein, schmal und dunkel. Das Einzige, was die beiden gemeinsam hatten, war ihre unerschütterliche Seelenruhe. Er beendete seine Vorbereitungen und bot mir eine Zigarette an, ehe er fortfuhr. Wenn das Vieh Tollwut hätte, wär inzwischen das ganze Dorf ausgestorben.
Magne brummte zustimmend und begab sich nach Achtern, um den Kutter Richtung Meer zu steuern.
Wie lange treibt diese Katze denn schon ihr Unwesen?
So ungefähr sechs Jahre. Er schnaubte belustigt.
Was?
Na ja, vor sechs Jahren ist ein Freund von uns Sven nicht mehr zurückgekommen. Unwetter aus heiterem Himmel. Er hatte so ne ähnliche Katze gehabt. Die ist mit ihm mitgefahren. Und quasi als Ersatz haben wir dann dieses Teufelsvieh bekommen.
Bevor ich darauf antworten konnte, bemerkte ich, wie er sich versteifte und einen stirnrunzelnden Blick auf die Wellen warf. Die Sonne war noch nicht hinter den Bergen emporgeklettert und so war es unmöglich, in dem Wasser irgendetwas zu erkennen. Als er meinen fragenden Blick bemerkte, zuckte er mit den Schultern.
Nur nen Gefühl. Die Wellen unter dem Boot fühlen sich heute komisch an.
Shikomo © http://www.shikomo.de Weitere Leseproben
[Zurück zum Buch]
|
|