Die Sohle wär ein Solitär
Steffen Popp: Dickicht mit Reden und Augen
Maren Jäger berichtet auf literaturkritik.de über „Die Abschlussveranstaltung des Essener Poet in Residence-Spezial, oder: 90 Minuten zu Gast im poetischen Universum von Steffen Popp“:
„Auf einem Zeltplatz an der Küste Rügens habe er Sommerwahrnehmungen „gebunkert“, sie erst viel später poetisch verarbeitet, mit den charakteristischen phantastischen Komposita, in einem Prozess der Engführung, Kontrastierung, Ironisierung; dabei setzt er – wie in den ersten vier Zeilen des Bandes – „stark auf Wahrnehmungsflächen und die Art der Wahrnehmung.“ „Denke ich, denkt man, Gedichte schreibend, „überhaupt“, und wenn ja, was macht dieses Denken aus?“, fragt Popp in seiner Dankesrede zum Peter-Huchel-Preis – und beantwortet die Frage wie folgt: „Soweit ich es sehe, spielt sich das, was mir an zu Gedichten führendem Handeln denkähnlich vorkommt, in der Tat ‚über Haupt’ ab, mit anderen Worten, es übersteigt die übliche Bühne des Denkens oder steigt zu ihr herab bzw. fällt, mitunter schmerzhaft, auf sie zurück.“ …
Für die jüngste Nummer von Norbert Wehrs Schreibheft hat Popp sich des in den Jahren nach 1960 „seltsamste[n] Lyriker[s] der DDR“ (so Adolf Endler im Schreibheft 83), Uwe Greßmann (1933-1969), angenommen, der „unter den Lyrikern seiner Zeit“ ästhetisch wie gesellschaftlich ein „Solitär“ war. Greßmann publizierte Zeit seines Lebens nur einen einzigen Gedichtband (Der Vogel Frühling, 1966) und hatte dennoch immensen Einfluss auf die nachfolgenden zweieinhalb Autorengenerationen: „Alle, mit denen ich über Greßmanns Werk spreche, die finden es toll oder kennen ihn nicht.“ Popp stellt sich die Frage: „Warum faszinieren die Gedichte Uwe Greßmanns mich heute, lange nach der Implosion des Gesellschaftsversuchs, in dem – und irgendwo auch für den – dieser Dichter lebte, den er mit der radikalen Auslegung seiner Sache beschämte und dem er in vielen seiner Gedichte den Spiegel vorhielt?“ Auch hier: Poesie als Lebensform. Ein Radikaler, der seit seiner Jugend, die er in Waisenhäusern verbrachte, an Tuberkulose litt und alles für die Lyrik (aus)gegeben hat.“
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