Trickkiste Bedeutungsvermehrung
Elisabeth Wagner bespricht heute in der taz das neue Buch von Wolfgang Ullrich: "Des Geistes Gegenwart. Eine Wissenschaftspoetik":
„Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich zelebriert in seinem Buch "Des Geistes Gegenwart" eine konsequente Kunst des Misstrauens. Mit seiner eigenen Disziplin springt er wenig zimperlich um und bietet sogar sich selbst einer kritischen Lesart an. …
Damit keine Missverständnisse aufkommen. Ullrich beschreibt die Gegenwart seiner Wissenschaft in wenig schmeichelhaften Farben. Die Poetik öffnet eine Trickkiste der Bedeutungsvermehrung. Ein Kurator zum Beispiel wertet ein unbedeutendes Kunstwerk dadurch auf, dass er es in Nachbarschaft eines etablierten Meisterwerkes zeigt. Ein Kunsthistoriker rückt ein winziges Detail in den Zusammenhang mächtiger Diskurse. Das Detail wird dadurch riesig, der Wissenschaftler lässt dem armen, schmächtigen Detail gar keine Wahl. "Du musst mehr bedeuten", befiehlt er, und exakt gegen diese herrschenden marktkonformen Imperative der Akkumulation wendet sich Ullrichs poetologische Arbeit. "Ich sehne mich nach Ernüchterung und Entsorgung, habe Anwandlungen semantischer Askese", schreibt er, "sähe mich gern als Held, der mit einem Minimum an Bedeutung auskommt."“
Wolfgang Ullrich: "Des Geistes Gegenwart. Eine Wissenschaftspoetik". Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2014
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