Besteckkörper
Carolin Callies beim Literarischen März 2015 (Quelle: wikimedia commons))
Beate Tröger bespricht im Freitag neu erschienene Lyrikbände:
„Mit Konventionen und Tabus spielen auch die Gedichte der 1980 geborenen Carolin Callies. Der Titels ihres Debütbands, fünf sinne & nur ein besteckkasten, umschreibt prägnant die Herausforderung, vor der jeder Künstler steht: Er muss mit dem begrenzten Instrumentarium der Sprache umgehen. Programmatisch für die Sammlung ist das Auftaktgedicht „der körper ist ein geschichtenband“. Wie Gomringer macht sich auch Callies an die Erkundung des menschlichen Körpers. Da heißen Gedichte dann auch schon mal „eintrag ins handbuch der versehrten (s. Räude, s. Krätze)“ oder „vom logieren innerhalb eines fleischfarbenen lappens“. Montage und Collage – das von Ror Wolf gestaltete Umschlagbild deutet es an – sind zentrale Techniken von Callies, was ihre Gedichte aus peinlicher Unmittelbarkeit hebt. Sie zerlegt den Körper gründlich, seziert ihn zur besseren Kenntlichkeit. Und wie bei Gomringer kreist eines des Gedichte um „lepra“, allerdings so, dass die Verse ein wenig klingen, als hätte man Gottfried Benns Morgue-Gedichte von einem Surrealisten umdichten lassen: „& gestern erlagen wir der lepra & heute, heute singen wir davon: / von den seilsträngen, dem husten / & den vollgesogenen tüchern & heute / ist der arzt ein versoffenes tier. / in fahrigen nächten erlagen wir / den mullbinden im verbandskasten“. Callies und Gomringers Gedichte räumen rigoros auf mit den glatten, makellosen und perfekten Körpern, mit jeder Form von Selbstoptimierungs- und Unsterblichkeitswahn.“
Carolin Caliies: fünf sinne & nur ein besteckkasten. Gedichte. Schöffling & Co.
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