Fix Zone

Merz-Ton

Redaktion: 

Martin Zingg heute in der NZZ zum Siebzigsten von Klaus Merz:

Antiquarisches Exemplar der Erstausgabe «Mit gesammelter Blindheit» – so heisst der Gedichtband, mit dem Klaus Merz im fernen Jahr 1967 als Autor debütierte. Der Titel ist rätselhaft und klingt zugleich programmatisch, er könnte beinahe als eigenständiger Text durchgehen, so winzig wie vielsagend. Und mehrdeutig sind die Titel oft, unter die Klaus Merz seine Texte stellt. «Latentes Material» ist ein weiteres Beispiel. Der Titel steht über einem schmalen Prosaband aus dem Jahr 1978 und meint Material, dessen Bedeutung und Möglichkeiten erst noch erkannt und freigelegt werden müssen. Entscheidend ist die Bearbeitung – und der sprachliche Zugriff, den der Lyriker und Prosaautor, der Essayist und Dramatiker Klaus Merz über viele Jahre mit stiller Energie und grosser Kunstfertigkeit entwickelt hat. Er ist längst unverwechselbar. Es gibt ihn tatsächlich, den «Merz-Ton».

 

„Und immer wieder, wenn ich versuche, unsere Wirklichkeiten neu zu vermessen, oder beim Nachdenken über menschliches Unglück und Glück, taucht die verwischte Foto eines Fallsüchtigen aus einem alten medizinischen Handbuch als eine frühe Erinnerung vor mir auf. Auf diesem Bild schaut ein junger, zarter Mann inständig ins Licht und versucht, wie die Bildlegende festhält, durch schnelles Fächeln der gespreizten Finger vor seinen Augen, ein Grand Mal hervorzurufen, einen schweren epileptischen Anfall also, dem mit dem Verschwimmen der Wirklichkeit eine so hinreissende Glücksaura vorausgehen soll, dass der Kranke gar nie mehr richtig gesunden möchte – und von der so gewöhnliche «Glückspatienten» wie wir nur träumen, vielleicht noch malen oder schreiben können.“
Klaus Merz, ebenfalls in der NZZ

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