Secondos und Narratives
Daniela Otto in ihrem Essay „Empathische Medien“ aktuell auf literaturkritik.de:
„Wer eine SMS oder Email schickt, wer postet oder bloggt, stellt also narrative Kontexte her. Um ein alltägliches Beispiel zu nennen: Eine Kurznachricht am Mobiltelefon ist nichts anderes als eine Kleinsterzählung, die imaginäre Vorstellungswelten und somit empathische Verbundenheit hervorrufen kann. Sind wir Menschen liebevoll verbunden, wird unser Gehirn sich beim Lesen von emotionalen Nachrichten eines empathischen Mitfühlens nicht erwehren können. Ein Facebook-Post, idealerweise durch Fotos untermauert, ist ein narratives Statement. Im Internet und durch Vernetzungsmedien können wir somit alle zu virtuellen Erzählern werden, betreiben wir ein permanentes Symphilosophieren im Sinne eines gemeinschaftlichen Fortschreibens dieses ewigen Fragments und können, wie in jeder Fiktion, empathisch mit dem Figurenensemble der entstehenden Geschichten mitfühlen. Facebook und Twitter, um nur die beiden prominentesten sozialen Netzwerke zu nennen, fungieren sodann als ideale Erzählplattformen und bieten die Möglichkeit, das eigene Leben als serielle Autobiographie zu schreiben. Dabei ist diese erzählerische Ordnung der Dinge hochgradig sinnstiftend: Einem roten Faden gleich lässt sich eine individuelle Bedeutung durch den eigenen Lebensroman ziehen.“
Daniela Otto: Vernetzung. Wie Medien unser Bewusstsein verbinden.
Film – Medium – Diskurs. Herausgegeben von Oliver Jahraus und Stefan Neuhaus, Bd. 64.
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2015.
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