Aliens: „Erlösung“ – ein Essay
von Markus Pohlmeyer
„Erlösung“[1] aus dem Alien-Universum markiert schon via Titel religiöse Kon- und Subtexte. Die folgende BilderGeschichte löst dies ein; und es ist hier zu zeigen, dass dabei Motive des Christentums mehr als nur Dekoration sind. Die Ausgangslage scheint typisch für das Alien-Universum: Ein Raumschiff mit geheimer Mission und Fracht, es kommt zu einem Zwischenfall, Absturz. Zwei Überlebende am Rande des Wahnsinns, so dass der eine den anderen tötet und isst, um zu überleben. Der Erzählerkommentar ist identisch mit der Hauptfigur und gibt einen inneren Monolog wieder, der aus Gebet und Bibel-Zitat-Variationen besteht und die Handlung kommentiert, als verfüge der Sprecher, zumindest anfänglich, über keine eigene Sprache, so dass er sich dieser Traditionsformen bedienen muss. Zudem fühlt er sich als Sünder vor dem all-sehenden Gott.
Doch die Frage ist: Warum? Die Antwort liegt in der Fracht: Aliens, welche sofort die einheimische Fauna (Humanoide/Primaten) als Wirt für ihren Reproduktionszyklus gebrauchen. Viel Action. Noch eine Überlebende, für die unser Held durchaus erotisch empfindet. Während einer Flucht stürzt er in eine Höhle, wo die Alien-Königin ein Nest errichtet hat: „In Träumen sah ich die Hölle … … Doch nun … war mein Leib im Innersten Kreis. Wo Satan seine teuflische Brut gebiert. Die von Seelen Unschuldiger zehrt.“[2] Die Flucht gelingt, auf dem abgestürzten Schiff wartet die, von der es heißt: „Ich träumte, sie sei ein Engel.“ – „Aber sie war kein Mensch.“[3] Sie ist ein beschädigter Androide und klärt den nun letzten Menschen über ihren Auftrag auf: das Militär wolle die Aliens vernichten, während die Firma plane, auf diesem Planet einen Vorrat dieser potentiellen Bio-Waffe zu lagern. Der nun auch emotional Einsame zerstört die mechanische Puppe und setzt sein Gebet fort: „Und da zeigtest du mir, wie ich die Erlösung erfahren würde. Wie ich Satan besiegen konnte …“[4]
Beten und opfern …
Die religiösen, vielleicht auch sehr naiv, sehr konservativ wirkenden Zitate, etwas befremdlich in dieser Science Fiction-Welt, liefern der Hauptfigur eine Weltdeutung, die sich in erster Hinsicht als falsch erwies: die Aliens sind eben nicht das Böse, sondern nur (Bio)Maschinen wie der Androide: „Das wahre Böse war viel größer, so viel mächtiger. Es saß im Geborgenen, weit weg, zählte das Geld und ließ seine Puppen tanzen. Das Leben war nur ein Gut für Kauf und Verkauf. Es fühlte mit niemandem.“[5] Fehlende Empathie. Die Trennlinie in der Abgrenzung dessen, was böse ist, verschiebt sich: weg von der Projektion auf die Aliens, weg von der Traditionsfigur des Gegenspielers Gottes[6] – hin auf den Kapitalismus. Weg von der Passivität, nur eine Puppe im Spiel anderer zu sein – hin zu einer aktiven Gestaltung. Am Ende lesen wir eine Beichte und sehen einen betenden Menschen, umringt von angreifenden Aliens; er bringt das Schiff zur Selbstzerstörung. Die Erlösung liegt im Opfer – gestorben für viele.
Später wird der Missionarskreuzer St. Peter an diesem Planet vorbeisegeln (die großflächigen Flächen mit ihren Kreuzen erinnern an Schiffe): keine Überlebenden. „Folglich nehmen wir unsere Mission wieder auf, das Wort Gottes in der Galaxie zu verkünden.“[7] Der Messias dieser Geschichte hat gewisse Ähnlichkeiten mit der Gottesknecht-Figur des Propheten Jesaja: „Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, / ein Mann voller Schmerzen, / mit Krankheit vertraut. […] Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, / wegen unserer Sünden zermalmt.“[8] Der Beter übersetzt existenziell die biblische Botschaft in sein Leben, sein Opfer durchkreuzt die Pläne der Firma. Als ich diesen Artikel schrieb, war ich bei der Lektüre von „Krieg um jeden Preis“[9].
Der Klappentext enthält eine ernüchternde Prognose: „Für einen Großteil Amerikas ist der Krieg nicht nur erträglich, sondern profitabel geworden, und daher gibt es keinen großen Anreiz mehr, ihn zu beenden. Denn es geht um ein Milliardengeschäft und das Interesse einiger Menschen, diesen Krieg am Laufen zu halten – koste es, was es wolle.“ Ernüchternd müsste hinzugefügt werden, dass Krieg auch für andere Länder, nicht nur für die USA, sehr erträglich war und ist. Die Firma saß und sitzt im Geborgenen, Verborgenen, während Hundertausende sterben und Millionen fliehen müssen.
Epilog
Irritierend, der Klang der Maschinenpistole des Helden wird onomatopoetisch beschrieben mit „Budda“[10].
Markus Pohlmeyer
[1] Im Original Aliens: Salvation (1993), abgedruckt auch in: Aliens. Omnibus, Vol. 3, Dark Horse Books 2008.
[2] In: Aliens 1, übers. v. C. Langhagen, Cross-Cult 2007, 123-170, hier 155-157. Schriftart um der leichteren Lesbarkeit von mir geändert. Die dt. schwarz-weiß Version verleiht der Geschichte mehr Düsterkeit und Melancholie. Die Dark Hores-Variante zeigt als Titelblatt Dämonen und einen Engel, vertraut aus der Kunstgeschichte. Das Alien in der Mitte hat die Farbe der Dämonen; in einem kleinen Quadrat davor betenden Hände.
[3] Beide Zitate Aliens 1 (s. Anm. 2), 160.
[4] Aliens 1 (s. Anm. 2), 163.
[5] Aliens 1 (s. Anm. 2), 165.
[6] Vgl. dazu Münchener Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hg. v. J. Hainz – A. Sand, Düsseldorf 1997, 309: „Im AT kommt der Satan […] nur in wenigen und späten Texten vor. In Ijob 1,6-12; 2,1-7; Sach 3,1f ist er ein Mitglied des himmlischen Hofstaates in der Funktion des Anklägers der Menschen. […] Zur Entlastung Gottes […] wird in 1 Chr 21,1 die Rolle des Versuchers auf ihn übertragen.“
[7] Aliens 1 (s. Anm. 2), 170.
[8] Jes 53,3 und 5 (Die Bibel. Einheitsübersetzung, Stuttgart 1980).
[9] J. Risen: Krieg um jeden Preis. Gier, Machtmissbrauch und das Milliardengeschäft mit dem Kampf gegen den Terror, über. v. A. S. dos Santos, 2. Aufl., Frankfurt am Main 2015.
[10] Z.B. Aliens 1 (s. Anm. 2), 163.