Geschrieben am 15. Juni 2017 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Essay: Markus Pohlmeyer: Alien: Covenant – Schwanengesang

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Alien: Covenant – Schwanengesang. Ein Essay.

Von Markus Pohlmeyer

Ridley Scott hat es mir nicht leicht gemacht: ein Meisterwerk erwartend, sah ich Alien: Covenant (2017)! Der Film hätte ein Science Fiction sein können, hätte er sich dafür entschieden. Oder Horror, die Anlagen waren da. Hm. Oder innovativ – um zu zeigen, dass Kino noch was könne – im Angesichte von Serien, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit auf der Überholspur bewegen und das Kino mittlerweile mehrfach überrunden.

al8Also was sah ich? Klassische Elemente von Science Fiction: zusammengewürfelt! mad scientist-Variationen[1], festgemacht am Androiden David (aus dem Vorgängerfilm „Prometheus“, gespielt von M. Fassbender), der sich nicht mehr damit begnügen will, nur dienen zu müssen, der dann aber allzu lange einsam war und der sich dann ein Frankenstein-Grusellabor zusammengebastelt hat, wo er Schöpfer und Biogenetiker spielen darf. (In meiner Unbedarftheit stelle ich mir Genlabore so vor: monstermegamäßige Hightech-Anlagen, mit Superhammerkrassencomputern und steril.) Das kleine Horror-Labor von David scheint dagegen eher eine gemütlich zusammengeschraubte Schrebergartenhütte der Schwarzen Romantik zu sein.

al1Der Voll-Psycho-Androide hat nun das Alien-Pathogen der Konstrukteure umgestaltet (jener Schöpfer-Kultur, auf deren Bauwerke die Prometheus traf und zu deren Heimatwelt sich die Überlebenden des Schiffs, Dr. Shaw und David, auf den Weg gemacht hatten.). Und da gibt es noch den guten Androiden Walter (auch M. Fassbender), der von seinem Alter Ego ausgeschaltet wird. Schade. Der Rest des auftretenden Figurenpersonals ist marginal und/oder nur Alien-Futter. Horror? … hier hart am Rande von einem Splatter-Movie. Und zum Schluss, unter den Klängen von Wagner, flaniert David wie ein stolzer Nazi-Arzt durch eine Kühlkammer schlafender Kolonisten und freut sich darauf, diese mit seiner neuesten Alien-Kreation zu kombinieren (Im Gefrierfach Embryonen von Face-Huggern, die der Androide in seinem Körper an Bord der Covenant geschmuggelt hatte). Zuvor Verrat, Doppelgänger-Motiv, Judas-Kuss, Gott-Komplex, Massenmord, falsch zitierte Gedichte und Anweisungen, wie eine Flöte zu spielen sei (soll irgendetwas mit Kunst und Kreativität zu tun haben.); hier wirkt das alles nur banal, voraussehbar, wird alles unterschiedslos verhandelt, als Dekoration abgehandelt; die schiere Fülle scheinbar guter Ideen und zahlreicher Anspielungen auf eine zum Teil katastrophale menschliche Historie weichen einer realen Ideenlosigkeit und inflationären Verharmlosung.  Kurz (und das folgende Motiv wurde sicher schon oft variiert): der Horror dieses Filmes lag nur darin, ihn zu schauen. Und am Ende? Mistvieh auf dem Schiff! Will nur spielen? Raus mit dem Ding aus der Luftschleuse! Zusammengefummelt aus Alien und Aliens. Der Film hätte aber eine wunderbare Naturdokumentation werden können, vor allem über Neuseeland. Wahnsinnslandschaften und beeindruckende Aufnahmen im und aus dem All.

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3-stellige Millionen Beträge in der Produktion: da ist eben kein Platz mehr für Charaktere oder sinnvolle Narration. Beispielsweise: Geil, da landet man irgendwo im All auf einem Planten – oh, man höre ja keine Vögel! (Das soll unheimlich wirken.) Wird hier etwa eine Parallelevolution zur Erde vorausgesetzt? Und wie bescheuert muss man eigentlich sein, einem durchgeknallten Androiden, der vorher noch mit einem durchgeknallten Neomorph auf Schmusekurs war, in den dunklen Keller zu folgen, ein Keller voll mit Alien-Eiern: das sei ungefährlich, nur näher herangehen! Kein Problem, läuft, Chef! Nun, jetzt wissen wir endlich, woher das Zeug kommt: David hat das zusammengemixt.

Zwischenspiel

Zwei Szenen aus dem Film „The Witch. A New-England Folktale“ haben mich erschüttert: getrieben von religiösem Wahn, verlässt eine Familie die (schützende) Gesellschaft und versucht, in der noch unkultivierten Wildnis zu überleben. Dort angekommen, knien alle nieder, Vater und Mutter in Orantenhaltung, vor einer riesigen Waldfront, die einfach nur erhaben und bedrohlich wirkt. Und der Wald wird sich nun eine(n) nach dem/der anderen holen. Zum Schluss möchte die überlebende Tochter einen Vertrag mit einem gewissen Junker (gut, da nur angedeutet!) unterzeichnen (der auch interessanterweise ein viel spannenderes Angebot als religiösen Fanatismus anzubieten hat, z.B. fliegen können, wilde Orgien, mal was von der Welt sehen …). Aber: sie könne ihren Namen nicht schreiben! Hier ein Kreuzchen. Läuft, Chef. Der religiöse Wahn des Vaters zerstört letztlich die Familie (indem er sich selbst als unfähig erweist, das praktische Überleben zu garantieren; außerdem lügt er!) – und die Tochter, fast erwachsen, erweist sich als Analphabetin!

al5Eine Szene in Alien: Covenant, die ausnahmeweise gut war – und ausschnittsweise auch schon im Trailer gezeigt wurde: Ein Besatzungsmitglied (wir sind nun wieder auf dem Planeten ohne Schwäne und Affen!) tritt aus Versehen auf ei-förmige Gebilde am Boden; ein feiner, schwarzer Staub entweicht diesen, formiert sich in der Luft und das Alien-Pathogen dringt in dessen Ohr ein. Das erste Opfer. Martin Burckhardt zum Thema, wie denn die Jungfrau Maria zum Jesus-Kind komme:

„Zwar gibt es Tendenzen, eine natürliche Geburt einzuräumen, jedoch dominiert der Versuch, die Geburt ebenso wie die Befruchtung als einen übernatürlichen Vorgang zu deuten. Die eleganteste Lösung ist die des Origines: So wie das Wort durch das Ohr in den Körper eingegangen sei, müsse der Logos, fleischgeworden, diesen Körper wieder verlassen haben.“[2]

Der Logos der Alien-DNA kann auch eingeatmet werden: es gibt keine Entkommen, wenn dieses Wort Fleisch wird und Fleisch will. Die perfekte Bio-Waffe, die auch letztendlich ihre Erfinder vernichten sollte. David ist nur der Engel des Jüngsten Gerichtes, das über den Planeten der Konstrukteure hereinbricht, ein Gericht, welches für die Erde bestimmt war. David ist der Schwarze Romantiker, welcher durch die Ruinen einer Zivilisation geistert (Ruinen, die er selbst geschaffen hat) und langsam in das Reich der Dunkelheit abgleitet. Es wird nur angedeutet, und das ist wirklicher Horror, welche Experimente er mit Dr. Shaw durchgeführt hat, mit der Shaw, die ihn gerettet hat. David, das Geschöpf der Menschen, übt den Aufstand und vernichtet seine Schöpfer. Die Sintflut wird an den Göttern vollzogen!

Ob intendiert war, dass ein neugeborenes Alien in einer Orantenhaltung seinen Schöpfer David begrüßt und dann imitiert, sei dahingestellt. Die Figuren werden nicht als interessant eingeführt, weil sie ja nur als Statisten im Gemetzel dienen. Das Interessante wird auf das Wie der Todesarten verlagert. Die Natur, das All sind erhaben – und die Leere, in welche die Convenant am Ende eintauchen wird: das ist bedrückend. Bestürzend auch, dass die Kolonisten im Kälteschlaf zu hilflosen Opfern degradiert werden. Die Exzesse der Alien-Bestialität, teilweise mit einem Anflug morbider Ästhetik, generieren keine Empathie mit den Vernichteten. Das Schicksal geht über sie hinweg. 10 000 Tote hier, dort 100 000 Tote. Die all-täglichen Nachrichten. Unvorstellbar. Unvorstellbarer:

„Hua Guofeng verkündete im August 1977 offiziell das Ende der Kulturrevolution. Damit war ein Schlussstrich unter die Ära Mao Zedongs gezogen. Ihre Bilanz war niederschmetternd. 70 Millionen Menschen waren durch Maos Politik in Hungersnöten, Kriegen und politischen Verfolgungen gestorben.“[3]

Zu welchem irren Schöpfergott sollen wir beten? Auf dieser Erde hört dich keiner schreien.

Markus Pohlmeyer lehrt an der Europa-Universität Flensburg

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Literatur

Markus Pohlmeyer: „Prometheus“ – der neue Alien-Film von Ridley Scott. Ein Essay, in CULTurMAG. Zugriff: 21.08.2012

Markus Pohlmeyer: Aliens: „Erlösung“ – ein Essay, in CULTurMAG. Zugriff am 30.3.2016

[1] „But it is not enough to remark that contemporary attitudes […] remain ambivalent, that the scientist is treated as both satanist and savior. The proportions have changed, because of the new context in which the old admiration and fear of scientist are located. For his sphere of influence is no longer local, himself or his immediate community. It is planetary, cosmic.” S. Sontag: The imagination of disaster, in: S. Sontag: Against Interpretation and Other Essays, Penguin Classics 2009, 209-225, hier 218.

[2] M. Burckhardt: Vom Geist der Maschine. Eine Geschichte kultureller Umbrüche, Frankfurt am Main – New York, 1999, 129.

[3] K. Vogelsang: Kleine Geschichte Chinas, Stuttgart 2014, 377.

S. Ward: The Art and Making of Alien: Covenant, London 2017.

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