
Ein Fall für den Freitag
– Es ist eine Freude. Es gibt einen neuen Ein Fall für zwei im ZDF, und das wirklich Erfreuliche daran ist, dass der Sendeplatz endlich auch mit einem seiner Klassiker im Jetzt und Hier angekommen ist. Friedemann Sprenger ist begeistert.
Betrachten wir einmal kurz das Freitagskrimigesamtkonzept: Das ZDF hat freitags um 20:15 Uhr traditionell seit Jahrzehnten einen Sendeplatz für einstündige Krimiformate. Der Alte wurde über die Jahrzehnte immer jünger, aber keinesfalls spannungsreicher, der langweilige Derrick wurde nach dessen Ende zum ebenfalls langweiligen Siska, der „nur“ acht Jahre durchhielt, Aktenzeichen XY wechselte den Sendetermin und Ein Fall für Zwei bekam in drei Jahrzehnten und 300 Folgen vier Anwälte auf einen Privatdetektiv. Neuere Serien hingegen schafften gleich auf Anhieb mehr: Der Kriminalist oder Die Chefin – das hat beides gute Anlagen. Aber die Klassikerabteilung lag siech und krank.
Aber jetzt: Endlich, endlich. Neue Kameraführung, neue Farb- und Lichtbestimmung, neues Schnittkonzept, neue Drehbuchautoren, neue Musik, komplett neue Darsteller. Das Austauschen der Anwälte verkam in den vergangenen Folgen allein deshalb schon immer mehr zur Farce, weil Claus Theo Gärtner, und da konnte er ja nun nichts für, immer älter wurde und man ihm zuletzt die Bösewichte schon direkt in Faust laufen lassen musste, um ihn als Stellvertreter für „das Gute“ auch mal gewinnen zu lassen, ohne ein Double bemühen zu müssen. Dass Claus Theo Gärtner auch schon vor dem Älterwerden stets den Eindruck hinterließ, sich kaum mehr als eine Textzeile am Stück merken zu können bzw. wenn es sich um einen längeren Text handelte, nicht so richtig zu wissen, was er inhaltlich zum Besten gab, tat seiner Beliebtheit wenig Abbruch, und auch jetzt, nach der Ausstrahlung der zweiten neuen Folge, wird immer noch von vielen Zuschauern nach ihm gerufen. Nun denn, die eisenharten Fans können auf 300 Stunden mit ihm zurückblicken, irgendwo werden sie bestimmt käuflich zu erwerben sein.
Heute will das ZDF mit dem neuen Team, bestehend aus Wanja Mues und Antoine Monot, Jr., noch viel mehr: Social Media-Begleitung (Monot Jr. twittert z. B. live mit), kleine Webisodes, in denen die Zuschauer die beiden Hauptdarsteller besser kennenlernen sollen, lauter nette Ideen. In der ersten Folge mochte noch der Eindruck entstehen, dass ein bisschen viel gewollt war: Die Vergangenheit von Leo Oswald wird im sehr großen Stil verdüstert (Südamerika! Gefängnis! Irgendwas mit seinem toten Vater!), und Benni Hornberg knickt gegenüber seinem Schwiegervater Dr. Oskar Renners (Thomas Thieme) schon sehr ein, auch wenn das vom komödiantischen Standpunkt aus sehr schöne Szenen hergibt. Dass sein Schwiegerpapa auch in Folge 2 zu so etwas wie dem großen bösen Strippenzieher in Frankfurt am Main mutiert, mag daran liegen, dass das erst einmal alles recht dicht verwoben sein sollte.
Aber nun, wir wollen nicht über Petitessen meckern, sondern uns freuen. Darüber, wie ein so fröhliches, chaotisches, zueinander passendes Team entstehen durfte. Ein Anwalt, der nicht vor Perfektion strotzt (einzig die Leibesfülle erinnert noch an manch einen seiner Vorgänger), auch mal feige den Schwanz einklemmt und bei Frauen ins Stottern gerät, statt sie souverän zum Essen zu führen. Der Detektiv dreht sympathisch krumme Dinger und wirkt in seiner Spielart, was teils dem Drehbuch, teils dem Schauspieler geschuldet sein mag, sehr viel organischer und ehrlicher als der gute Josef Matula es je hätte sein können. Staatsanwältin Conni Leinfelder (Christina Hecke) lässt die beiden Chaoten gern mal herrlich vor die Wand laufen bei gleichzeitiger Sympathie für den Anwalt – wobei nicht klar ist, ob sie nicht möglicherweise seinen in Juristenkreisen überaus geschätzten Vater, der das Standardwerk für die Strafrechtler schrieb, meint.
Ja, manchmal sind die Dialoge ein wenig vom Erklärbären, aber haben wir doch Mitleid mit und Verständnis für das Publikum, das zu dieser Zeit bitte nicht allzu sehr überfordert werden soll. Ja, vielleicht war der erste Fall ein wenig verworren, weil eben zu viel erzählt werden sollte. Aber insgesamt – wie frisch, wie herrlich, wenn Mues und Monot Jr. da miteinander spielen. Vorbei die Zeiten vom korrekten Anwalt in Anzug und teurem Büro mit Blick auf die Skyline, vorbei auch die Zeiten vom krampfhaft hingezwirbelten Möchtegern Matula, der mehr und mehr Statist wurde. Freuen wir uns also darüber, dass das ZDF sich etwas traut, und schauen wir, was draus wird. Es sieht aber alles schon sehr, sehr gut aus. Man möchte rufen: Weiter so!
Friedemann Sprenger
Ein Fall für Zwei. ZDF. Interview mit den beiden neuen Hauptdarstellern. Zur Webisode. Folge vom 16.05. Antoine Monot, Jr. auf Twitter. Foto: Screenshot.