Geschrieben am 15. August 2016 von für Crimemag, Film/Fernsehen

TV-Serie: Hap and Leonard

hap-and-leonardZwei wie Pech und Schwefel

Zu der bei amazonPrime zu sehenden Sundance-TV-Serie „Hap and Leonard“ nach Joe R. Lansdale.

Von Alexander Roth

Texas in den 80ern: Hap und Leonard sitzen auf der Veranda und verzweifeln so vor sich hin, als sie das charakteristische Knirschen hören, das entsteht, wenn Autoreifen auf Schotter treffen. Der weiße, heterosexuelle Kriegsdienstverweigerer und der schwarze, homosexuelle Vietnam-Veteran haben gerade ihren Rosenpflücker-Job an ein paar billige Arbeitskräfte aus Mexiko verloren, und sehen sich nun jeder für sich einem großen Schuldenberg gegenüber. Ein Problem, bei dem Trudy, die gerade aus dem Wagen steigt, helfen kann – wenn Leonard sie lässt. Trudy ist nämlich die Ex-Frau von Hap, die ihm nicht nur das Herz gebrochen, sondern ihn auch in den Knast hat wandern lassen. Während Leonard ihr das nie verzeihen konnte, lässt schon der erste Blickkontakt von Trudy und Hap erahnen, dass sein Kumpel noch lange nicht über diese femme fatale hinweg ist. Aber was will sie hier? Eine Geschichte erzählen natürlich. Von ihren Revoluzzer-Freunden, die die Welt verändern möchten, denen aber das nötige Kapital fehlt. Von einem Kriminellen mit dem Spitznamen „Waschbärräuber“, der in einem Auto voller Geld im Fluss ertrunken ist. Von Möglichkeiten. Hap lässt sich im Liebestaumel – und angesichts seiner finanziellen Notlage – auf einen Deal ein: Er findet das rostige Pharaonengrab für seine Ex-Frau und ihre Mitverschwörer. Aber nicht ohne seinen besten Freund.

„Was seid ihr zwei eigentlich? Er ist so wie er ist, Sie sind anscheinend nicht so … versteh‘ ich nicht.“

„Müssen Sie auch nicht.“

Wer nur den Trailer anschaut könnte auf die Idee kommen, dass sie oder er es bei Hap and Leonard mit einem in die Länge gezogenen buddy movie der Marke Lethal Weapon zu tun hat. Dass dem nicht so ist, dass die Serie das Potential hat, sehr viel mehr zu sein, hängt vor allem mit diesen drei Herren zusammen: Joe R. Lansdale, Autor der Romanvorlage, ist eine Genre-Grenzgänger sondergleichen. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er altbekannten Erzählmustern mithilfe ungewöhnlicher Zutaten neue Würze verleiht, und so selbst erfahrene Bücherwürmer noch aufs Glatteis zu führen vermag. Da wird der whodunnit plötzlich zum Rachethriller (Die Kälte im Juli), der Abenteuerroman zur beiläufigen Blutorgie (Dunkle Gewässer) und der gute alte Western schon mal zum Zombie-Horror umfunktioniert (Straße der Toten). Und dann wären da noch Nick Damici und Jim Mickle, die mit Cold in July bereits bewiesen haben, dass sie wie dafür geschaffen sind, Lansdales Werke auf die Leinwand zu bringen.

Kunstblut und große Gefühle

Die erste Staffel der für SundanceTV produzierten Serie basiert auf den Ereignissen des ersten Hap-und-Leonard-Romans Wilder Winter, der 2014 im Berliner Golkonda Verlag neu aufgelegt wurde. Sechs Folgen lang können die Zuschauer beobachten, wie der Schutzschild aus oberflächlichen Schenkelklopfern, hinter dem die Protagonisten sich verstecken, langsam in sich zusammen fällt, und komplexe Charaktere dahinter zum Vorschein kommen. Leonard, verkörpert von Michael K. Williams (The Wire), hadert immer wieder mit der fehlenden Akzeptanz für seine sexuelle Orientierung und der unklaren Position, die ein allgemein als widersprüchlich empfundener Mann wie er im gesellschaftlichen Kontext einnimmt. Trudy (Christina Hendricks, Mad Men) und Hap (James Purefoy, Rom) führen derweil einen unsicheren Tanz auf, bei dem es gilt, Gefühle auszudrücken, aber gleichzeitig so viel Distanz zu wahren, dass keiner von beiden verletzt wird. Doch dann hält plötzlich der Wahnsinn Einzug – und das mit der Subtilität eines 80er-Jahre-Großraumdisco-Techno-Hits.

Die im Filmgeschäft noch eher unbekannte Pollyanna McIntosh und der großartig aufspielende Jimmi Simpson (House of Cards) frönen als Angel und Soldier dem gepflegten Gemetzel, und zerstören damit die Hippie-Romantik der Schatzsuche, die letzten Endes Hap, Leonard und den ganzen Planeten retten soll. Was dann passiert, das erzählen Lansdale, Damici und Mickle mit so viel Liebe zum skurrilen Detail, dass man sich bei SundanceTV förmlich gezwungen sah, für nächstes Jahr ein zweite Staffel zu bestellen. Jeder, der sich in der Zwischenzeit nicht die erste anschaut, ist selbst daran schuld, und kann hinterher nicht mal so tun, als wäre das nicht klar gewesen. Hier steht es nämlich schwarz auf weiß: Hap and Leonard ist ganz großes Heimkino.

Alexander Roth (Zu seinem Blog geht es hier)

Alle sechs Folgen der ersten Staffel von Hap and Leonard sind seit dem 23. Mai 2016 über den Streamingdienst Amazon Prime in deutscher Synchronfassung abrufbar. Im Original feierte die Serie am 2. März 2016 auf SundanceTV Premiere. Alle bisher veröffentlichten Bücher der Reihe sind beim Berliner Golkonda Verlag erhältlich. Hier geht es zur offiziellen Homepage. Hier zu meiner Review zur im Text angesprochenen Lansdale-Adaption Cold in July.

Die „Bloody Questions“ von Marcus Müntefering hat Joe R. Lansdale hier beantwortet.

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